Der amerikanische Traum des Sohns eines süditalienischen Einwanderers: James Leprino baute aus 615 Dollar ein milliardenschweres Imperium auf und prägte den US-Pizza-Boom wie kein anderer. Nun ist der zurückgezogen lebende Unternehmer verstorben – und hinterlässt ein Erbe, das weit über Käse hinausgeht.
1914 verließ der 16-jährige Mike Leprino ohne Eltern und Geschwister die verarmte Gegend von Potenza in Süditalien und erreichte im Unterdeck eines der vielen Schiffe, die Emigranten nach Amerika brachte, seine neue Heimat. Eine Farm in der Nähe von Denver nahm ihn als Arbeiter auf.
Zu viele Supermärkte und zu wenig Käse
Als er genügend Geld gespart hatte, heiratete er und eröffnete mit seiner Ehefrau in ‚Little Italy‘ von Denver einen kleinen Lebensmittelladen mit Wurst, Käse, Brot, Gemüse und auch sonst alles für den täglichen Haushalt. Seine Spezialität war jedoch handgemachter Ricotta und Scamorza, eine Art Mozzarella. Sein Sohn James wurde 1937 geboren, als jüngstes von fünf Kindern, die alle im Geschäft mithalfen.
In den 50er-Jahren verloren die Leprinos immer mehr Kunden. In den Straßen rund um ihr Geschäft öffneten Supermarktketten neue Läden, mit denen Leprino nicht mehr konkurrieren konnte. 1950 musste er sein Geschäft schließen und verteilte seine Ersparnisse auf die Kinder. James bekam 615 Dollar. Er hatte eben die High School abgeschlossen, doch nicht genug Geld, um zu studieren.
Im Jahr vor der Schließung kamen immer mehr Kunden in das Geschäft, die nur einen Wunsch hatten – Pizza. Rückkehrende US-Soldaten aus Italien schwärmten von Pizza, und die wenigen italienischen Pizzerias kamen aus einem einzigen Grund mit der Produktion nicht nach – es gab zu wenig Käse.
Mit gefälschtem College-Abschluss zum „Mozzarella-König“
James übernahm das Geschäftslokal von seinen Eltern und baute es auf Käseherstellung um, mit nur einem Produkt: Mozzarella. 1958 gründete er ‚Leprino Foods‘. Für die Lizenz zur Gründung des Unternehmens fälschte er ein Zeugnis über einen College-Abschluss. Er entwickelte neue Methoden der maschinellen Herstellung und belieferte Pizza-Restaurants mit dünnen Scheiben gefrorenen Mozzarellas, die nur auf den Teig gelegt werden mussten.
In den USA verbreitete sich in den nächsten Jahrzehnten eine Pizza-Hysterie. Drei Milliarden Pizzas werden heute pro Jahr verkauft, pro Tag eine Fläche von 50 Fußballfeldern, die doppelte Menge pro Person im Vergleich zu Italien.
Überwältigender Erfolg
James revolutionierte die Herstellung, die zu Beginn vier Tage dauerte und heute nur noch vier Stunden. Er erweiterte das Geschäft um proteinreiche Getränke, gründete weltweit Niederlassungen. Aus den 615 Dollar wurde ein Unternehmen mit etwa vier Milliarden Umsatz pro Jahr und einem Marktanteil von Mozzarella von 85 Prozent. Er gilt als der ‚Willi Wonka of Cheese‘.
Doch James, als einer der reichsten Männer der USA, blieb ein Mysterium. Er mied die Öffentlichkeit, es gab kaum Fotos und nur ein einziges Interview. 2017 sprach er mit dem Magazin Forbes und erklärte, sein Unternehmen sei so schnell gewachsen, dass er nicht mehr wusste, was er mit dem ganzen Geld anfangen sollte. Er spendete Hunderte Millionen Dollar, unterstützte Universitäten, kulturelle Institutionen und Krankenhäuser, verbesserte die Arbeitsplatzsicherheit in seinen Unternehmen und bot den Mitarbeitern eine großzügige Alters- und Krankenversicherung. Ende Juni starb James. In dem einzigen Interview sagte er: „Ich lebe den amerikanischen Traum.“
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 33+34/2025 erschienen.