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Heinz Sichrovsky berichtet von den Salzburger Festspielen: Caesars Wahn und der Flug in die Ewigkeit

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©Barbara Gindl

Mit riskantem Programm gewonnen: Die Salzburger Festspiele eröffneten mit Händel und dem aufregenden Schönberg-Webern-Mahler-Programm „One Morning turns into an Eternity“

Gelingen auf Hochrisiko

Ein Wochenende, voll mit Salzburg, aber keine News-Ausgabe? Da muss ich Sie doch darüber in Kenntnis setzen, wie gut alles begonnen hat. Der Intendant Markus Hinterhäuser wurde ja zunächst der Tollkühnheit bezichtigt: kaum ein Mozart, kein Richard Strauss! Dafür Händels vierstündiger „Giulio Cesare in Egitto“ und tags drauf Schönbergs „Erwartung“, kombiniert mit Webern und Mahler. 
Aber einen inspirierten Intendanten erkennt man eben daran, dass er nicht die gerade angesagtesten Dirigenten, Sänger und Regisseure vom Markt kauft.

Das Ergebnis gleicht dann oft einer saudi-arabischen Fußballmannschaft, in der lauter Multimillionäre nichts zusammenbringen. Das aus der Innensicht des Künstlers generierte Wunder hingegen errechnet sich nicht aus Excel-Tabellen. Und ein Wunder ist schon der Händel, der mit hohem Erkenntniswert von der Endzeit und dem Missbrauch der Macht erzählt. Ägypten stöhnt unter römischer Besatzung, aber Sieger und Besiegte gibt es nicht in Dmitri Tcherniakovs Deutung. Alle sitzen bis zum Wahnsinn im Bunker ihrer Traumata und Obsessionen fest. 

Der Dirigentin Emmanuelle Haim und ihrer formidablen Originalklangtruppe hätte ich nur eine Spur Harnoncourt’schen Wahnsinns gewünscht. Und die grandios geführten Sänger? Ein Mezzo, ein Sopran und fast alle Männer mit Countern bzw. Männersopranen besetzt. Wäre man Gesangspädagoge, man würde glücksbeschwipst eine Arbeit über ungekannt aufregende Farbmischungen verfassen.

Und ein Stück Himmel

Und der Schönberg-Webern-Mahler-Abend, noch ein Wunder höher. Hier geht es um Menschen, zwei Frauen diesfalls, die durch Lebenskrisen taumeln. Schönbergs „Erwartung“ (aufwühlend gestaltet von Ausrine Stundyte), ein Kosmos von 30 Minuten, braucht im Aufführungsbetrieb Ergänzung. Oft ist das Bartoks „Blaubart“. Aber nicht hier! Weberns minutenlange Orchesterstücke führen wie eine von Gott gebaute Brücke zum „Abschied“ aus Mahlers „Lied von der Erde“: scheinbar Gegensätzliches als schöpferische Einheit aus der gemeinsamen Epoche der Avantgarde und des Untergangs. Die Philharmoniker unter Esa-Pekka Salonen setzen hier alle ihre Betörungskräfte an Dekadenz und Schönheit frei, die Mezzosopranistin Fleur Barron erreicht mit Mahler das Herz. 

Und was dem Regisseur Peter Sellars in der Magie der fast unbehelligten Felsenreitschule gelingt, erfüllt die Sehnsucht Vieler: pure Opernregie als hoch inspirierter Dienst an der Partitur, Verwandlung von Musik in hundert Farben, generiert aus Schatten, Dunkel, Licht und der Kunst der Darstellerinnen. Wäre es nur der Flötist, der beim Mahler aus einer der höchsten Arkaden in den Dialog mit der Sängerin tritt – solche Bilder sind es, die sich dauerhaft in die Aufführungsgeschichte einschreiben.

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