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Gottfried Helnwein: Alterslos im Intrigenstrudel

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Gottfried Helnwein

©Bild: News/Matt Observe

Während ihn Denunzianten aller politischen Richtungen in der alten Heimat nach Kräften belästigen und verhindern, blickt der österreichische Weltkünstler Gottfried Helnwein Spektakulärem entgegen. Ausstellungen in Kunstmetropolen werden vorbereitet. Und in Zürich wartet das aufsehenerregende Helnwein-Bühnenbild zum „Rosenkavalier“ auf die Premiere am 21. September.

Die Verhältnisse daheim waren schon bekömmlicher für den österreichischen Weltkünstler Gottfried Helnwein. Im Vorjahr räumten reaktionärste Kirchenkreise das von ihm gestaltete Fastentuch aus dem Stephansdom. Das geplante Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum im niederösterreichischen Schloss Ruegers nähert sich, wie das Vermögen von Helnweins Partner Klemens Hallmann, der Unauffindbarkeit. Ein von der Wiener Stadtpolitik aktiv befürwortetes Helnwein-Museum in der Akademie der Wissenschaften wurde einer Kampagne, dies­falls von linksliberaler Seite, geopfert.

Das pure Glück ist es da, Weltbürger zu sein wie der in Irland und Los Angeles Ansässige, der in Wien nur ein elegantes Innenstadtbüro nebst der Wipplingerstraße hält. Eine internationale Galerie bereitet gerade Ausstellungen in Deutschland, Paris, Chicago, Madrid, Barcelona und bei der Biennale von Venedig vor. Jetzt ist der definitiv alterslose Meister wieder kurz in Wien. Aber die Aktivitäten, die ihn in die alte Weltgegend führen, konzentrieren sich auf Zürich.

Dort eröffnet am 21. September der neue Chef Matthias Schulz seine Intendanz mit einem „Rosenkavalier“, der spektakulärer nicht sein könnte. Die Besetzung logiert in der hohen Liga. Die Regisseurin Lydia Steier hat der Wiener Staatsoper soeben einen beeindruckenden „Tannhäuser“ gefertigt (und könnte bei der Verleihung des Österreichischen Musiktheaterpreises am 17. September 2025 durchaus Ermutigung erfahren).

Radikaler „Rosenkavalier“

Von ihr kam auch der Clou des Ganzen: Vor 20 Jahren hat sie an der Oper von Los Angeles einen „Rosenkavalier“ gesehen, den sie nicht vergessen konnte. Maximilian Schell führte Regie und hatte sich als Ausstatter den österreichischen Kunststar Helnwein ausgesucht. Der überträgt sein Konzept nun in neuer Gestalt auf Zürich. Bloß mit dem Unterschied, dass Lydia Steier eine präzise, inspirierte Arbeiterin ist. Wohingegen Schell auf den Proben bevorzugt seine Erfahrungen als Oscar-Preisträger reflektierte.

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Rosenkavalier, 1. Akt. Alles in Blau, nur der Pülcher Ochs auf Lerchenau ist fehl am Platz (Los Angeles 2005).

 © Studio Helnwein / Los Angeles Opera

Helnwein überwachte die Fertigung seiner 250 Kostüme aus der Nähe und erwog dabei kurzfristig, Modeschöpfer zu werden. Die Pretiosen von damals werden nun nachgeschneidert, und auch Helnweins radikales Farbkonzept bleibt. Jedem Akt ist, monochrom bis zum Make-up und den Haaren der Personen, eine andere Farbe zugeordnet: Blau wegen der frühen Morgenstunde dem ersten; Gold dem zweiten im Rokoko-­Mara-Lago des neureichen Faninal; und Rot als Farbe der Liebe und des Aufruhrs dem dritten Akt, wenn die Ereignisse lichterloh brennen.

Nur der adelige Prolet und Heiratsschwindler Ochs auf Lerchenau platzt als Fremdkörper mit der jeweils falschen Farbe in die Ereignisse. Die Los Angeles Times überschlug sich seinerzeit vor Hingerissenheit – exzentrisch, anachronistisch, gleichwohl vollkommen am Werk sei das Resultat.

Intrigen-Hauptstadt Wien

Das sah die in Wiener Lokalkabalen unbewanderte Amerikanerin Lydia Steier genauso. Und so steht Helnwein im Zentrum der Zürcher Eröffnungspremiere, während in Wien die Unzukömmlichkeiten nicht nachlassen.

Im Gegenteil: Eine linksliberale Tageszeitung rühmte sich kürzlich der Jahresleistung, das geplante, von Michael Ludwig und seinem damaligen Holding-Capo Peter Hanke beförderte Museum in der Akademie der Wissenschaften zu Fall gebracht zu haben.

Auch als Schlangengrube der Intriganten, Neider und Denunzianten ist Wien Weltspitze

Gottfried HelnweinKünstler

Die Augen unter dem ikonischen Kopftuch funkeln. „Als gelernten Wiener hätte es mich wirklich gewundert, wenn die Neidgesellschaft das so einfach hätte durchgehen lassen. Ich bin in Favoriten geboren und schätze die unglaublichen Qualitäten dieser Stadt, aber ich kenne auch die Schlangengrube der Intriganten, Neider und Denunzianten, der Hackl-ins-Kreuz-Spezialisten. Auch da ist Wien Weltspitze.“

Dabei schien die Idee naheliegend, nachdem eine Ausstellung in der Albertina zu Helnweins Fünfundsiebziger 300.000 Menschen mobilisiert hatte, mehr als jede andere eines lebenden Künstlers in der Geschichte des Hauses. Nun dachte man an eine Art Ergänzung zum Hundertwasserhaus.

Da ging es los, und den Monolog des Zorns unterbricht man als erfahrener Zuhörer nicht: „Meine Installation im Stephansdom wurde von ultrarechten Katholiken attackiert, und dann hat mich die FPÖ wegen eines Kulturhauptstadtprojekts in Gmunden angegriffen, weil ich in meiner Installation ein Kind in einer schwarzen Uniform gezeigt habe. Interessanterweise hat eine sich links wähnende Journalistin sofort den Schulterschluss vollzogen und mir sogar ,Wiederbetätigung’ vorgeworfen. Ich bin wahrscheinlich der erste Künstler, der von beiden politischen Seiten zugleich angegriffen wurde, was mir irgendwie das Gefühl gibt, auf dem richtigen Weg zu sein. In ihrem Hass auf Künstler und ihrer Begeisterung für Zensur und Cancel-Culture scheinen sich beide Seiten ja ziemlich einig zu sein.“ „Ich konnte“, fährt der Meister in gutgelauntem Furor fort, „allerdings nicht umhin, den Rechten und der Woke-Linken in einem offenen Brief mitzuteilen, dass ich mich des Eindrucks nicht erwehren könne, es hätte ihnen jemand ins Gehirn geschissen.“

Worauf sich hurtig eine Kampagne gegen das Wiener Museum entspann und die Räume umgewidmet wurden. Helnwein: „Das Science Center für Kinder in der Akademie halte ich übrigens für eine sehr gute Idee und wünsche dem Projekt alles Gute.“

Zores mit Hallmann

Um nichts freundlicher sieht es mit dem Projekt im Barockschloss von Riegersburg aus. Helnwein und Hallmann hatten die Immobilie 2021 zu gleichen Teilen übernommen, jetzt ist zumindest der 50-Prozent-Partner der Gesellschaft in prekären Umständen. „Das weiß ich nicht“, beantwortet Helnwein die sich aufdrängende Frage. „Das hängt ganz von meinem Partner ab, der sich offensichtlich in einigen Schwierigkeiten befindet. Ich werde mich bemühen, das Projekt zu retten, aber das liegt weitgehend außerhalb meines Einflussbereichs.“ Und das Geld? „Das ist mir egal“, fährt Helnwein fort. „Es geht mir nur um die Kunst.“

Dann kommt er auf die Crux unserer Zeit. „Wir erleben gerade, wie unser Recht auf freie Meinungsäußerung immer mehr eingeschränkt wird, sowohl Europa als auch Amerika befinden sich in einem Zensur- und Cancel-Rausch. Die Liste der Dinge, die man nicht sagen darf, wird immer länger. Und auf Anordnung von Trump kann jede Einreise in die USA wegen einer ,anti-amerikanischen’ Äußerung, die man auf einem Handy oder Computer findet, verweigert werden.“

Dem aufkochenden, aber nur kleinlaut erwiderten Antisemitismus begegnet er demnächst mit einem Projekt für die Kultusgemeinde, und seine Sorgen reichen noch weiter: Die nach 1945 Geborenen, Achtundsechziger genannt, hätten sich von der schuldbeladenen Elterngeneration gelöst. Krieg und Hochrüstung waren Feinde fürs Leben.

Jetzt taumle die ganze Welt in die Kriegshysterie, die Rüstungsspirale auch in der EU sei außer Kontrolle, Deutschland betreibe die Wiedereinführung der Zwangsrekrutierung. „Derzeit“, sagt Helnwein und verweist dezidiert auch auf Befehle Trumps, „gibt die Welt etwa 2,5 Billionen jährlich für die Rüstung aus. Die Hälfte davon würde genügen, jedes Leben auf dem Planeten auszulöschen. Aber die andere Hälfte, in Friedensaktivitäten, Kultur und soziale Leistungen investiert, würde alle Probleme dieser Welt lösen.“

„Absurdes Phänomen Trump“

Das sagt er, der sich gegen Biden und für Trump erklärt hat? Er habe nur das Phänomen und das Absurde seines Erfolgs ergründen wollen, entgegnet er. Die Demokraten seien in Auflösung, die Amerikaner kriegsmüde nach allem, was Bush und Obama entfesselt hätten. So habe sich Trump als Friedenspräsident positionieren können. In der Realität patrouillierten derzeit allerdings schwerbewaffnete Truppen durch die Städte, das Pentagon heiße wieder Kriegsministerium, und unter Trump würden weltweit mehr Bomben abgeworfen als bei allen Vorgängern.

„Und wieder fordern alle möglichen Seiten den Friedensnobelpreis für ihn, Netanjahu ebenso wie buddhistische Mönche und die Regierungen Kambodschas, Pakistans, Ruandas, Aserbaidschans und Armeniens sowie Abgeordnete der Ukraine und Norwegens. Da Trump aber nichts gerne dem Zufall überlässt, rief er gleich selbst bei der norwegischen Regierung an, dass er diesen Preis tatsächlich gerne hätte. Um jedem Missverständnis vorzubeugen.“

Sternstunde der Neutralität

Und Putin? Als radikaler Pazifist, sagt Helnwein, verurteile er den völkerrechtswidrigen Einmarsch in die Ukraine genauso wie die völkerrechtswidrige Invasion der Amerikaner im Irak samt kriegerischen Aktionen gegen Afghanistan, Vietnam, Kambodscha, Laos, Guatemala, Panama, Syrien, Libyen. Und überall sonst, wo man sich etwas darauf zugute gehalten habe, ganze Völker in die Steinzeit zurückzubombardieren.

Zur Neutralität noch, Pretiose und Halt mehrerer Generationen: „In der langen, wechselvollen Geschichte Österreichs war der Beschluss des Verfassungsgesetzes über die immerwährende Neutralität und dessen Verankerung im Staatsvertrag eine Sternstunde. Dass die derzeitige Außenministerin, deren Partei von einer winzigen Minderheit gewählt wurde, diese Neutralität nun unbedingt loswerden will, um endlich auch fünf Prozent aus dem Ûberfluss unseres Volksvermögens an die amerikanische Rüstungsindustrie zu überweisen, und gerne noch ein paar Atomraketen bei uns aufstellen lassen will, verschlägt mir den Atem.“ Da hält man gern kommentarlos die Luft an.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 37/2025 erschienen.

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