Und wieder wird der Ressort-Autist zur Jahresbilanz zweckentfremdet. Die Themen Antisemitismus und Hochrüstung sind leider gleich geblieben. Neu sind die Bemühungen, Regierung und Sozialpartnerschaft zu destabilisieren. Sie nützen nur einem.
Da beginnt sich das Jahr eben erst zu verabschieden, und gleich werde ich wieder zur Überschreitung meiner Ressort-autistischen Befugnisse verpflichtet. Seit 2018 geht das jetzt schon, und das Bedrückende ist die Redundanz der Themen: Nie wurde es besser, im Gegenteil.
Lassen Sie mich also wieder mit der mir nächsten, mich am tiefsten echauffierenden Materie beginnen, dem irrsinnig aufschießenden Antisemitismus. Da musste am 11. Dezember der Wiener Antiquar Rainer Schaden wegen Wiederbetätigung vor ein Schöffengericht, weil er Nazi-Literatur in Umlauf gebracht habe. Was dieser bekannt integre Mann begangen hat? Er hat den Nachlass der Historikerin Brigitte Hamann erworben und im Internet einem sorgsam verlesenen Interessentenkreis angeboten. Diese bedeutende Volksbildnerin und Aufklärerin hat für ihr Standardwerk „Hitlers Wien“ tatsächlich Werke aus der Nazi-Zeit bemüht, alles andere hätte auf ein eigenwilliges Wissenschaftsverständnis verwiesen.
Schaden wurde zwar freigesprochen, aber allein die Tatsache, dass dem 78-Jährigen, hoch verdienten Mann im Jänner die Polizei den Laden auseinandernahm und er von der Justiz ein Jahr lang in Angst und Aufregung gehalten wurde, ist mehr als ein Skandal. Nämlich eine weitere Vollzugsmeldung jener aus Unbildung und Denunziationslust resultierenden Doppelmoral, die nach dem Vorbild der sozialen Medien offenbar auch nach der Justiz greift.
Während nämlich Grenzalphabeten unstatthafte Wörter aus literarischen Werken tilgen und Ehrenmänner gerichtlich drangsaliert werden, marodieren arabische Import-Nazis mit Parolen, die den Einsatz von Wasserwerfern rechtfertigen würden, durch den öffentlichen Raum. Ihre Spießgesellen formieren sich ungeahndet aus schicken, scheinbar linken Künstlerkreisen. Die Folgen konnten wir soeben in Australien begutachten.
Diese Regierung ist unentbehrlich
Womit ich beim nächsten Sorgenthema bin, der Unterminierung der Zweiten Republik mittels Totsagung der Regierung. Begonnen hat es gegen Babler, der im Gegensatz zu parteiinternen Mitbewerbern jede Flexibilisierung in Sachen Volkskanzlerkoalition verweigert.
Insgesamt muss die SPÖ jetzt mit allen Mitteln gestärkt werden, denn das schick gewordene Reform-Blabla gegen den Föderalismus ist geeignet, das mächtige, unsinkbare Rote Wien zu destabilisieren, die bald letzte Arche in der sich aufstauenden blauen Flut. Wien wird nach wie vor souverän geführt, und wenn in Kärnten Peter Kaiser abdankt, werden sich die Hoffnungen auf den klardenkenden Antizykliker Ludwig konzentrieren. Der nämlich pflegt die Sozialpartnerschaft, die uns sicher durch die Jahrzehnte geführt hat, wenn Scharlatane an die Macht wollten. Er vertraut dabei dem Wirtschaftsbund, dessen operettenhafter Funktionsmulti zwar den Vorwand zur Destabilisierung der ÖVP bereitgestellt, zuvor aber auch Kickl als Kanzler verhindert hat.
Alle diese Vorgänge, im Speziellen die Verächtlichmachung der Bünde, nützen nur einer Partei. Ich zitiere diesbezüglich mein Interview mit der weisen Barbara Coudenhove-Kalergi in dieser News-Ausgabe: Ein Jahr, in dem der Volkskanzler abgewehrt werden konnte, kann kein ganz schlechtes gewesen sein.
Militarisierung der Öffentlichkeit
Damit bin ich bei der mich tief beunruhigenden Außenpolitik und der Durchmilitarisierung der Meinungshoheit, verbunden mit grenzenloser Aufrüstung. Erinnern Sie sich an das Manifest, das zu Beginn des Ukraine-Wahnsinns u. a. von Alice Schwarzer, bedeutendsten Künstlern und den Gründern der Friedensbewegung unterschrieben wurde? Gefordert wurde nichts anderes als der Versuch, sofort zu verhandeln. Doch die Proponenten wurden als Putins Marionetten und Rechtsradikale desavouiert, während Deutschlands Außenministerin Baerbock mit der einzigen Botschaft, Gespräche mit Moskau zu unterbinden, die Welt umrundete.
Nehammer wollte damals als Repräsentant des neutralen Staates vermitteln. Er ist gescheitert, hat sich aber meine Hochachtung verdient, ebenso wie für seine Ausgrenzung der FPÖ.
Und heute? Werden in Genf zentrale Friedensgespräche geführt, und dass Putin Begehrlichkeiten nach der Schweiz verspüren könnte, werfen nicht einmal Verschwörungsparanoiker in die Debatte. Unsere Außenministerin hat derweil mit beharrlichem Anbohren der Neutralität Putins monströsen Chefrandalierer Medwedew so lange provoziert, bis er uns endlich zu drohen begann.
Verhandeln hätte genützt
Aber was hörte ich kürzlich von einem der Militärs, deren öffentliche Expertise jene der Diplomaten abgelöst hat? Zu Beginn des Ukraine-Kriegs hätte eine entschlossen verhandelnde USA Putin noch zum Einlenken bringen können.
Damals trieb noch ein Irrer die Welt vor sich her. Jetzt sind es zwei, und Trump deutet schon an, dass die Ukraine zwar nicht der Nato, aber eventuell der EU beitreten dürfe. Es zieht sich also um uns zusammen, die Rüstungsausgaben schießen trotz Finanznot himmelwärts, die Wehrpflicht wird verlängert, und Kommentatoren geißeln den Unwillen junger Männer, ihr Land „mit der Waffe zu verteidigen“. Da hört sich freilich alles auf, weigern sich die verwöhnten Bälger gar ernsthaft, ins Gras zu beißen!
Dabei frage ich mich ständig, was sie beim Barras lernen und wofür sie die neuen Waffenarsenale nutzen sollen. Dass uns Putin tatsächlich okkupieren könnte, erscheint wenig nachvollziehbar, wenn wir uns nur endlich still verhalten.
Eher, so dürften Putin und Trump beschlossen haben, soll bei uns Kickl den Karawanken-Orbán geben. Der Beitrag des Heeres, um das zu verhindern, erschließt sich mir freilich noch nicht. Im Verlauf eines Militärputschs das Volkskanzleramt bombardieren? Kickl verhaften? Wir sind ja, bitteschön, weder in Moskau noch in Washington!
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 51/2025 erschienen.







