Aglaia Szyszkowitz stammt aus Graz, von wo ihre Familie nach England zog. Nach einem Dreivierteljahr ging es wegen einer Assistenzarztstelle ihres Vaters nach Hannover. Mitte der Siebzigerjahre kehrte sie nach Graz zurück. Und jetzt ist die Schauspielerin nach vielen Jahren wiederum „back to the roots“.
Sie leben wieder überwiegend in Graz. Gibt es Erinnerungen an Ihre erste Rückkehr?
Was mir sofort einfällt, in der Schule in Graz wurde ich wegen meinem Hannoveraner Hochdeutsch gehänselt. Das kam mir dann allerdings als Schauspielerin später zugute, meine Sprachprägung in Deutschland gehabt zu haben. 1986 hatte ich in Graz maturiert, dann zwei Semester Medizin studiert.
Wie wurden Sie Schauspielerin?
Mein Traum war schon immer die Schauspielerei gewesen, seit ich 13 war, aber mich noch nicht getraut habe, diesen Beruf auch zu wählen. Als ich mit Hepatitis sehr lang im Krankenhaus war, habe ich begonnen, Monologe auswendig zu lernen, von Emilia Galotti und von der Viola aus „Was ihr wollt“. Und sprach damit bei Franz Josef Csencsits vor, der in Graz gespielt hatte und am Burgtheater. Und dann war ich am Reinhardt-Seminar angetreten. Und der Direktor hatte gesagt, Frau Szyszkowitz, Sie studieren doch Medizin, machen Sie das mal weiter. Und draußen war ich. Ich bin an der Mauer von diesem Schlossparktheater in Schönbrunn gesessen und habe zwei Stunden nur geheult.
Der deutsche Mediziner, Neurologe und Physiologe Viktor von Weizsäcker bezeichnet Krisen als wichtige Zeiten des Umbruchs, der Veränderung.
Krisen sind eine große Chance, da hat Herr Weizsäcker recht. Aber sie durchzustehen, braucht Kraft. Dass ich die habe, habe ich mein ganzes Leben lang immer wieder bewiesen. Ich habe damals also über den Sommer mit dem Werner Sobotka von den Hektikern gearbeitet und mit der Julia Stemberger und bin dann im Herbst am Volkstheater in Wien angenommen worden. Nach der Ausbildung ging ich ein Jahr nach Krefeld und hatte da mein Debüt. Von dort ging es weiter nach Würzburg. In Würzburg lernte ich in einem Jazzclub meinen Mann kennen. Und ab dem Moment ist mein Leben sicher und sehr, sehr schön geworden. Für viele Jahre.
Und wäre Ihr Krankenhausaufenthalt nicht gewesen, dann würde jetzt eine Ärztin vor mir sitzen.
Wäre vielleicht ganz gut gewesen. (lacht) Aber das sage ich jetzt erst …
Selbstfürsorge ist etwas, was wir Frauen oft am schlechtesten können.
Ich würde mir wünschen, dass ich mich jetzt ein bisschen zurücklehnen und auf das schauen könnte, was ich geleistet habe. Zufrieden ein bisschen auszuatmen. Das ist aber nur teilweise möglich, weil ich einfach schauen muss, dass ich arbeite, dass ich Jobs bekomme, nicht rausfalle aus dem bunten Rad der Unterhaltungsindustrie. Bei anderen ist das so mit Mitte, Ende 50, dass du sagen kannst, das ist jetzt meine Hautarztpraxis und da sitze ich jetzt als Hautärztin mit so und so vielen Patientinnen. Das hat sicher auch seine Herausforderungen, das will ich nicht abstreiten! Aber mir täte es gerade gut (schmunzelt).
Monika Wogrollys „Talk On Top“ mit Aglaia Szyszkowitz
Monika Wogrolly traf Schauspielerin Aglaia Szyszkowitz auf dem Dach des Grazer Hotels Daniel im Loftcube. Szyszkowitz zählt zu den bekanntesten Frauen ihres Fachs im deutschsprachigen Raum. Zur Pflege ihres Vaters – und um sich wieder neu zu erfinden – ist sie nach Graz zurückgekehrt.
Jetzt im Gegensatz zur Ärztin, was hat die besser?
Die Hautärztin hat eine Struktur in ihrem Tag. Sie steht um sieben auf, trinkt Kaffee, setzt sich aufs Radl und fährt in ihre Praxis und hat einen strukturierten Tag. Und den habe ich nicht. Ich muss mir selbst diese Struktur geben und das hatte ich lange Jahre nicht, weil ich eben einfach die Struktur durch meine Familie hatte. Also es fällt mir schwer zu sagen, um acht ist Yoga und um halb zehn sitze ich im Kaffeehaus. Ich habe ja ein Buch über diese Zeit der Strukturlosigkeit geschrieben „Von der Rolle“, das sich sehr gut verkauft hat. Ich werde auch ein zweites schreiben: „Und was danach so kam …“ (schmunzelt) . Da müssen sich die Leser auf so einiges gefasst machen (lacht).
Das ist heute wieder eine andere Lebensform anknüpfend an die Aglaia, die so mutig war, Schauspielerin zu werden: Die hat auch alles ganz allein gerockt.
Ja, die hat damals auch alles allein gerockt. Und jetzt muss ich halt wieder alles allein rocken. Neuer Abschnitt. Ich beschäftige mich zum ersten Mal viel mit dem Thema Abschied und Loslassen und auch der Frage, was kommt, wenn ein Mensch geht. Also gibt es ein Leben nach dem Tod? Gibt es Gott? Gibt es eine Kraft, eine höhere Kraft, zu der man beten kann, wenn man traurig ist? Ich suche nach Spiritualität, habe begonnen zu meditieren. Und ich entdecke gerade das Grazer Umland, ich mag es, am Wochenende zu wandern. Ich liebe das Wasser, das kalte Wasser. Ich war den ganzen Winter am Kumbergsee und bin dort geschwommen, auch wenn er fast zugefroren war. Und ich war in der Mur. Ich bin so eine Mur-Baderin. Natürlich auch im Winter.
Welche Rolle spielen Erotik und Sexualität im Leben?
Erotik beginnt für mich dort, wo man hängen bleibt an einem Blick. Das passiert manchmal, dass man jemandem in die Augen schaut und beide nicht mehr wegschauen. Da merkt man, dass wir Sommer haben. (lacht)
Wie sollen Paare miteinander umgehen, um die Liebe zu erhalten?
Paare sollten an ihren gemeinsamen Interessen arbeiten. Man sollte schauen, was hat uns ursprünglich verbunden, und das ausbauen. Wir sind zum Beispiel leidenschaftliche Skitourengeher und Wanderer. Andere Paare gehen gern ins Museum oder gut essen oder reisen gern. Und dass man das, auch wenn Kinder und herausfordernde Jobs da sind, weiter pflegt und darüber immer im Austausch bleibt. Wir haben aber eine Zeit lang auch eine Paarberatung gemacht. Der Therapeut hat uns Hausaufgaben gegeben, die wir versucht haben, umzusetzen. Auf einer Wanderung sollte beim Raufgehen einer reden und die andere Person zuhören und beim Runtergehen umgekehrt. Beim Raufgehen habe ich also ununterbrochen geredet und alle Probleme ausführlich aufgetischt. Beim Runtergehen hat er geschwiegen. Als ich nach langem Warten ziemlich frustriert, „Dann mach mir doch wenigstens mal ein Kompliment!“ sagte, antwortete er trocken mit: „Okay.“ Lange Pause: „Du bist so gelenkig!“
So wie in der Verfilmung von Glattauers „Wunderübung“?
So ähnlich, ja. Und wichtig ist, dass es einem nicht zu mühevoll wird, sich für den anderen weiterhin zu interessieren, obwohl es vielleicht eine etwas andere Person ist als die ursprünglich kennengelernte. Weil wir alle wandeln uns ja im Laufe des Lebens.
Sie sind jemand, die manchmal wahrscheinlich ihre schärfste Kritikerin ist. Stelle ich mir das richtig so vor?
Das stellen Sie sich richtig so vor.
Da wäre es gut, sich vorzustellen, wie würde ich mit einer Freundin umgehen, die in meiner Situation wäre. Anstatt zu hadern, weil Sie das durchgezogen haben, worum vermutlich alle Welt Sie beneidet.
Das liegt auch daran, dass ich nach Graz zurückgekommen bin. Weil ich jetzt damit konfrontiert bin, dass auch ich damals Medizin studierte und alle meine Freunde von damals eigentlich in diese Richtung gegangen sind, gegen die ich mich entschieden habe: Ein probates Studium zu machen, zu heiraten, in Graz zu bleiben und sich hier ein Leben aufzubauen.
In Graz gibt es sicher tausend Erinnerungen?
Natürlich! Bei der Herz-Jesu-Kirche war ich in der Volksschule und habe ich meine Firmung gehabt. Und in der Franziskanerkirche bin ich immer beten gegangen, bevor ich in die Schule gegangen bin, dass ich bei der Latein-Wiederholung nicht drankomme. Und am Schlossberg wollte ich immer an der Westseite auf einem Bankerl einen wahnsinnig attraktiven Jungen küssen. In der Abendsonne wohlgemerkt. Das ist damals nicht gelungen, das Bankerl gibt’s aber noch.
Aglaia Szyszkowitz, 57 …
… ist eine österreichische Theater- und Filmschauspielerin. Sie studierte zwei Semester Medizin. Von 1987 bis 1990 absolvierte Aglaia Szyszkowitz eine Ausbildung an der Schauspielschule des Wiener Volkstheaters und ging nach Deutschland. Sie wirkte bis heute in mehr als 100 Film- und Fernsehproduktionen mit, darunter „Zwei Männer, zwei Frauen, vier Probleme“, „Polizeiruf“ und „Tatort“.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 33+34/25 erschienen.