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Der Schoko-Nikolaus: Wie aus einer Hohlform Brauchtum wurde

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©Aleksandra Garbarczyk

Was Sie immer schon über den Schokolade-Nikolo wissen wollten, sich aber nie zu fragen trauten, verrät News-Kulinarik-Experte Florian Holzer.

Spätestens wenn die Freibäder schließen, beginnt in den Supermärkten der ­Advent. Und mit ihm der Auftritt des Schokolade-Nikolos, obligatorischer Bestandteil jedes am 6. Dezember den Kindern vors Bett gestellten Nikolo-Sackerls.

Materialsparend zum Erfolg

Uralte, tief im heimischen Brauchtum verwurzelte Tradition, sollte man meinen. Und liegt damit gar nicht so falsch, richtig allerdings auch nicht. Denn das, was da um 1820 erstmals von einem Konditor in Form des legendären Bischofs Nikolaus von Myrna gegossen wurde, war massive Schokolade und vor 200 Jahren ein kleines Vermögen wert.

Wirklich populär wurde der Schokolade-Nikolo dann in den 50er-Jahren, als der Material-sparende Hohlguss erfunden wurde, der fortan Nikolos mit einer Wandstärke von 0,5 mm ermöglichte – derartige Schokolade-Luftballons konnte sich jeder leisten.

Wie viel Schokolade ist in Schokolade?

Wobei „Schokolade“ relativ ist. Denn das, was das Österreichische Lebensmittelbuch unter dem Begriff „Milchschokolade“ definiert, schreibt einen Kakao-Anteil von nur 2,5 Prozent und einen Kakaomasse-Anteil (also inklusive Kakao­butter) von 25 Prozent vor.

Aber woraus besteht die Schokolade, die wir lieben, denn dann? Ein Blick auf die Zutatenliste in nach Anteil gelisteter Reihenfolge schafft Klarheit: Zucker, Kakaobutter, Milchpulver, dann erst Kakaomasse, dann noch mehr Milchpulver, ein bisschen Sojalecithin als Emulgator darf nicht fehlen und damit das Ganze nach etwas schmeckt, noch etwas Aroma. Und da vor allem Vanillin, für dessen Herstellung es zahlreiche Methoden gibt, echte Vanilleschoten spielen allerdings bei keiner davon eine Rolle. Sagen wir so: Zum Glück lesen Kinder keine Zutatenlisten.

Aber zumindest kommen die meisten der Schoko-Nikolos aus Österreich, denn: Milka, die Marke mit der lila Kuh und dem ebenso lila-farbenen Nikolo stammt ja aus Vorarlberg, Milka sponsert unsere Schifahrer, die lila Kühe weiden in der Werbung auf malerischen Alpenwiesen …

Der globale Nikolo

Diese Vermutung hat zumindest einen wahren Kern, denn tatsächlich ist Milka der absolute Marktführer am heimischen Schokolade-Markt (je nach Berechnung zwischen 35 und über 50 Prozent) und besitzt seit 1909 in Bludenz eine Fabrik, in der über 300 Mitarbeiter täglich nicht weniger als eine Million Stück Schokolade-­Großtafeln herstellen. Allerdings nicht nur Milka-Tafeln, sondern auch englische Cadbury, schwedische Marabou oder griechische Lacta.

Denn gegründet wurde Milka 1901 als Tochtermarke des schweizerischen Schokolade-Herstellers Suchard, und zwar mit Sitz in Lörrach in Baden-Württemberg. Das mag für Schoko-Patrioten jetzt hart sein, aber es kommt noch schlimmer: 1970 fusionierte der Milka-Mutterkonzern Suchard mit Tobler zu Interfood S.A., die im Jahr 1982 vom deutschen Kaffeeröster Jacobs übernommen und zusammen 1990 schließlich von der amerikanischen Kraft Foods gekauft wurden. 2012 teilte sich der Konzern, der Schoko- und Snack-Bereich firmiert jetzt unter Mondelez International mit Sitz in Chicago, Illinois.

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 © Bild: iStockPhoto

Krampus von Hand

Ist die globalisierte Schoko-Hohlform, die hauptsächlich aus Zucker und Milchpulver besteht, also das unabwendbare Nikolo-Schicksal? Keineswegs, wobei man die wirklich heimischen, wirklich traditionell hergestellten Produkte schon mit der Lupe suchen muss. Und sie etwa in einem Betrieb findet, der sich seit den 1930er-Jahren hinter einer unscheinbaren Fassade in der Brigittenauer Dammstraße versteckt: Seit sechs Generationen bäckt die Familie Kammerer Lebkuchen, seit ein paar Jahren sogar in Bio-Qualität. Schoko-Nikolos wurden zur Saison in kleinen Mengen auch schon immer gemacht, seit Mitte der 80er-Jahre dann immerhin im Ausmaß von 1.500 bis 2.000 Kilo.

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Schoko-Krampusse von Berger Feinste Confiserie

 © Berger Feinste Confiserie

Das Besondere: Robert Kammerer ließ sich von den historischen Hohlformen seiner Familie Kunststoff-Doubles anfertigen, das erleichtert die Arbeit. Die Stanniol-Folien werden in Deutschland in Kleinserie hergestellt, er hat aber auch noch nennenswerte Bestände aus Folien aus den 50er-Jahren, in die nach wie vor Nikolos der Wiener Lebkuchenmanufaktur eingewickelt werden – und zwar von Hand! Die Bohnen der Bio-Schokolade kommen übrigens aus Peru, aktuell eine der weltweit interessantesten Kakao-Destinationen. Der Kakao-Anteil der Manufaktur-Ware beträgt 41 Prozent. Oder wie heißt es so schön: Es gibt sie noch, die wirklich guten Dinge.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 49/2025 erschienen.

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