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"Es ist schwer, Gewürze auf eine Top-Five-Liste einzugrenzen, denn es kommt natürlich auch auf den persönlichen Geschmack an", sagt Rachel Walker, britische Lebensmittelexpertin und Mitautorin des Buches "Gewürzliebe". In einer südasiatisch geprägten Küche sei Kurkuma unverzichtbar, während ein Liebhaber der europäischen Küche vielleicht nicht ohne Kümmel auskomme.
Auch Ralf Schmitt, Erster Vorsitzender im Verband der Gewürz-Sommeliers, schlägt eine Orientierung an den bevorzugten Länderküchen vor. Je nachdem ob eine mediterrane, afrikanisch-arabische oder asiatische Küche geschätzt werde, sollte man die Gewürzschwerpunkte setzen. Insgesamt komme ein normaler Haushalt, in dem frisch gekocht werde, wohl mit fünf bis zehn Standardgewürzen aus, sagt der Experte.
Vor allem gehe es bei Gewürzen nicht um Quantität, sondern um Qualität, betont die in London lebende Walker. So habe ein mittelmäßiger Pfeffer auf keiner Liste Platz, ein guter bringe hingegen "sensationelle Schärfe" und damit einen Geschmack ins Essen, der "von Zitrusfrüchten über Kiefer bis hin zu blumigen Aromen" reiche.
Ganz oben im Katalog der unverzichtbaren Gewürze stehen für Walker deshalb Tellicherry Pfefferkörner. Grob gemahlen können sie hervorragend als Finishing-Gewürz verwendet werden, um das Gericht mit Schärfe und Komplexität zu versorgen.
Auch Aleppo-Pfeffer sollte nicht fehlen und kann gut Chilipulver ersetzen, das viele wohl unter den Top Five erwarten würden, so Walker, die nicht nur Gewürzbuchautorin ist, sondern auch Gründerin der Firma "Rooted Spices" und ehemalige Food-Redakteurin der "Sunday Times". In der modernen Küche bedeute "scharf aber nicht nur scharf, sondern vielschichtig, aromatisch und komplex".
Der milde und fruchtige Aleppo-Pfeffer, oft auch Pul Biber genannt und das i-Tüpfelchen auf einem Döner, verkörpere diese Entwicklung und verleihe Wärme, ohne zu überwältigen. Außerdem punkte der Pfeffer mit Vielseitigkeit und passe im Sommer zu einem Wassermelonensalat genauso wie im Winter in eine Wurzelgemüsesuppe.
Auch Schmitt räumt dem Pfeffer die Spitzenposition auf der Gewürzskala ein. Pfeffer bringe neben Schärfe auch Tiefe und je nach Sorte ganz unterschiedliche Geschmacksnuancen ins Gericht. Als Ersatz für Chilipulver setzt Schmitt auf Paprika rosenscharf. Und er ergänzt seine Spitzenreiterliste mit Paprika edelsüß für die mediterrane Küche.
Von "warm und nussig bis flach und staubig" im Geschmack sei Kreuzkümmel global ein Eckpfeiler im Gewürzregal, schwärmt Walker. Er sei unverzichtbar in der indischen Küche, zentral für Berbere-Gewürzmischungen in Nordafrika und genauso ein wichtiger Bestandteil in mexikanischen Moles (Saucen) wie in Lammgerichten in Nepal oder der Mongolei.
"Kurkuma ist ein Gewürz, das schwer zu ersetzen ist – und eines, bei dem Qualität wirklich zählt", sagt Expertin Walker. Kurkuma von schlechter Qualität könne "aggressiv bitter oder adstringierend" sein, guter Kurkuma hingegen sei "einfach wunderbar: erdig warm und sanft aromatisch".
Da auch Liebhaber der Hausmannskost inzwischen offener für Neues seien, hätten sich die Verwendungsmöglichkeiten von Kurkuma vervielfacht. Das intensiv gelbe Gewürz sei nicht mehr beschränkt auf Currys – es könne Linsensuppen Tiefe, Reis Lebendigkeit und Desserts den besonderen Kick verleihen.
Auch Koriandersamen sind nach Ansicht von Walker eine Bereicherung der Gewürzpalette, auf die man nicht verzichten sollte. Oft seien sie Teil einer Gewürzmischung – sei es in Nordafrika, Indien oder Südostasien. Auch solo gebührt ihnen jedoch Beachtung. "Die ganzen Samen sind fantastisch", sagt die Gewürzliebhaberin.
Leicht geröstet und zerkleinert oder in Öl gebraten haben sie ein frisches, zitroniges Aroma. Über Burrata oder geröstete Paprika gestreut machen sie einfache Zutaten zu etwas Besonderem.
"Gewürzmischungen haben Vor- und Nachteile", räumt Walker ein. Zum einen seien sie einfach in der Anwendung und es gehe einfach schneller, zu einer Mischung zu greifen, als jedes einzelne Gewürz zu dosieren und dem Gericht zuzugeben.
Zum anderen seien Zutaten und Mischverhältnisse bei fertig gekauften Produkten wie zum Beispiel Garam Masala oft sehr unterschiedlich, sodass die Zubereitung eines Gerichts schnell ein Schuss ins Blaue werde. Walker empfiehlt deshalb, zu experimentieren und auf Vorrat selbst Mischungen nach dem eigenen Geschmack herzustellen.
Wer sein Gewürzregal über die Basics hinaus moderat erweitern will, dem empfiehlt Walker drei Extras:
Schmitt plädiert bei der gezielten Erweiterung des Gewürzregals unter anderem für Zimt. Feiner Ceylon-Zimt hebe nicht nur Süßspeisen, sondern auch dunkle Fleischsorten wie Wild und Lamm auf ein anderes Geschmackslevel.
Und auch dem Klassiker Bolognese-Sauce gibt das Gewürz aus der getrockneten Rinde des Zimtbaums schließlich einen Aromaschub. Außerdem ist Schmitt für reichlichen Einsatz von frischen Kräutern, die häufig ein guter Ersatz für Gewürze seien.
Walker rät prinzipiell, gerade exotische Gewürze von ihren traditionellen Einsatzmöglichkeiten zu lösen, sie souverän in den Kochalltag einzubauen und so ihr Potenzial neu zu entdecken. Shichimi Togarashi, die japanische Sieben-Gewürze-Mischung, die hauptsächlich zum Würzen von Reis genutzt werde, schmecke beispielsweise auch mit Krabben oder sogar durch Mac & Cheese gerührt. So werde ein Gewürz, das sonst vielleicht im hinteren Teil des Kastens in Vergessenheit geraten wäre, plötzlich von der Eintagsfliege zum Stammgast im Küchenalltag.
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/dpa-tmn/Christin Klose/Christin Klose
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/dpa-tmn/Ars Vivendi/Ars Vivendi
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