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"Eine Familiengeschichte von Diabetes (FHD) ist ein starker Risikofaktor für Typ-2-Diabetes. Aber es ist wenig bekannt darüber, wie sich das im Ergebnis auswirkt", schrieben Clemens Plattner von der Innsbrucker Universitätsklinik (MedUni Innsbruck) und seine Co-Autoren in ihrer Publikation (doi: 10.1371/journal.pone.0324696), die vergangene Woche veröffentlicht worden ist.
90 Prozent der Fälle von Zuckerkrankheit sind auf Typ-2-Diabetes zurückzuführen. Die international beobachtete hochschlagende Welle bei der Erkrankung wird speziell mit der zunehmenden Verbreitung von Übergewicht und Adipositas in Verbindung gebracht. Doch die Krankheit, die mit einer Resistenz gegen das eigene, von der Bauchspeicheldrüse produzierte Insulin beginnt, hat auch einen genetischen Hintergrund und tritt deshalb familiär gehäuft auf.
"Auf der Basis von Familien- und Zwillingsstudien wird die Vererbbarkeit von Typ-2-Diabetes auf 25 bis 72 Prozent geschätzt", schrieben die Wissenschafter. Allerdings gebe es rund 250 verschiedene Genom-Regionen mit eventuell beteiligten Erbanlagen. Sie dürften jeweils unterschiedlich starke Auswirkungen haben.
Plattner und seine Co-Autoren von allen mit Diabetes beschäftigten Ambulanzen in Tirol bedienten sich in ihrer Arbeit der Daten aus dem Tiroler Diabetes-Register, um den damit verbundenen Fragen epidemiologisch auf den Grund zu gehen: "7.866 Patienten mit Typ-2-Diabetes aus dem Tiroler Diabetesregister wurden nach ihrem familiär vorliegenden Status bezüglich der Zuckerkrankheit gruppiert."
Das erste Ergebnis: Bei Personen mit einer familiären Vorbelastung brach diese Form der Zuckerkrankheit, ehemals "Altersdiabetes" genannt und zu Beginn zumeist nicht mit einem Bedarf an Insulinzufuhr per Injektion verbunden, früher aus: Im Mittel zeigte sich die Erkrankung im Alter von 51,89 Jahren. Typ-2-Diabetiker ohne Verwandte mit der Erkrankung bekamen die Diagnose im Mittel mit 56,59 Jahren. Dieser statistisch signifikante Unterschied zeigte sich sowohl bei Frauen als auch bei Männern.
Im Rahmen der chronischen Erkrankung kommt es besonders auf die Vermeidung von Langzeitkomplikationen an. Dazu zählen unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, chronisch fortschreitende Nierenerkrankungen, Neuropathien mit schweren Schmerzzuständen und Netzhautschäden. Hier zeigten sich in der Datenauswertung deutliche Unterschiede. "Das Risiko für eine Neuropathie war bei einer Diabetes-Familiengeschichte höher (plus 41 Prozent in der Häufigkeit; Anm.), während sich eine geringere Gefahr durch Erkrankungen der großen Blutgefäße ("makrovaskulär", minus 16 Prozent; Anm.) zeigte."
Letzteres galt aber nicht für Männer mit Typ-2-Diabetes und einer entsprechenden familiären Belastung. Hier wurde eine deutlich größere Gefährdung aus den Registerdaten als bei Frauen herausgefiltert. Auch die Sterblichkeit infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen war bei den zuckerkranken Männern höher als bei den Frauen. Die Wissenschafter: "Das Risiko für alle makrovaskulären Erkrankungen gemeinsam, Herzinfarkt, notwendige Herz-Bypass-Operationen oder eine periphere Verschlusskrankheit ("Schaufensterkrankheit"; Anm.) war in den verglichenen Gruppen um 73 bis 156 Prozent höher." Beim Herzinfarkt allein zeigte sich für diese Männer eine etwa doppelt so große Häufigkeit.
"Die Familiengeschichte bei Diabetes ist nicht nur mit einer früheren Diagnose von Typ-2-Diabetes verbunden, sondern wirkt sich auch auf Diabetes-bezogene Ergebnisse aus, wobei Männer anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind, Patienten mit FHD (familiäre Belastung; Anm.) ein erhöhtes Risiko für Neuropathie haben, aber die Gefährdung für makrovaskuläre Erkrankungen verringert", fassten die Autoren ihre Ergebnisse zusammen.