Eiffelturm
©Getty Images / Alexandr SpatariArchitekten nannten ihn eine „Schande“, heute ist er das Wahrzeichen Frankreichs: Wie Gustave Eiffel mit Mut, Ehrgeiz und Ingenieurskunst den Eiffelturm schuf – und ihn vor dem Abriss rettete.
von Ralf Klingsieck
Für 1889, das Hundert-Jahr-Jubiläum der Französischen Revolution, plante die Regierung – nach 1855, 1867 und 1878 –, wieder eine Weltausstellung in Paris auszurichten. Sie sollte demonstrieren, was dieses Jahrhundert vor allem an wissenschaftlich-technischem Fortschritt gebracht hat. Dafür suchte die Regierung ein attraktives Bauwerk als Symbol und Anziehungspunkt. Zu einer Beratung im Rathaus über dieses Problem wurde auch Gustave Eiffel, einer der führenden Unternehmer der Metallbaubranche, eingeladen. Da er keine Vorstellungen hatte, was er vorschlagen könnte, nahm er die Skizze seines Ingenieurs Maurice Koechlin mit, der wenige Tage zuvor eine Idee festgehalten hatte.
Zu jener Zeit wurde unter Ingenieuren und Architekten viel über die Möglichkeit eines 1.000 Fuß beziehungsweise 300 Meter hohen Turms diskutiert. Verschiedene Projekte hatte es bereits in Großbritannien und den USA gegeben, doch bis auf das Washington Monument in der US-Hauptstadt wurde keines praktisch in Angriff genommen und auch dort musste der Bau bei 169 Metern abgebrochen werden, weil sich die Gefahr abzeichnete, dass er bei noch größerer Höhe einstürzen würde.
Vom Einfall zur ersten Skizze
Warum nicht zur Weltausstellung einen 300 Meter hohen Eisenturm bauen, fragte sich Koechlin. Da die Firma Eiffel auf Eisenbahnbrücken spezialisiert war, hat er in seiner Skizze einfach nur vier entsprechend lange und aufrecht stehende vierkantige Eisenträger so aneinander gelehnt und durch Plattformen miteinander verbunden, dass sie sich gegenseitig Stabilität verliehen. Um seine Berechnungen zu überprüfen und sicher zu sein, dass ein solcher Bau realisierbar wäre, hat Koechlin seinen Ingenieur-Kollegen Emile Nouguier konsultiert und an dem Entwurf beteiligt. Gustave Eiffel ließ diese Idee zunächst kalt, doch da er nichts anderes vorzuweisen hatte, ging er mit der Skizze und den Berechnungen in die Sitzung im Rathaus.
Gustave Eiffels Coup
Dort erwies sich das von ihm präsentierte Eisenturm-Projekt als der einzige praktisch umsetzbare Vorschlag, zumal ihn Gustave Eiffel – der ihn sich inzwischen mehr und mehr zu eigen gemacht hatte – mit der ihm eigenen Überzeugungskraft vertrat. Seinen Ingenieuren kaufte er die Idee ab, doch diese haben ihm den Verlust der Urheberschaft und des damit verbundenen Ruhms nie nachgetragen. Sie waren überzeugt, dass nur Eiffel mit seinem Durchsetzungsvermögen und seinem Netz von Beziehungen zu Politikern, Bankiers und anderen Entscheidungsträgern in der Lage sein würde, ein solch technisch und ökonomisch anspruchsvolles Projekt gegen die vielen absehbaren Widerstände zu verwirklichen.
Diese blieben tatsächlich nicht aus. Vor allem Architekten und Kunst-Professoren, aber auch viele Schriftsteller und andere Künstler beteiligten sich an einer Kampagne gegen den geplanten Turm, dem sie vorwarfen, kalt und nüchtern zu sein und das historisch gewachsene, harmonische Stadtbild von Paris zu zerstören. Politiker leisteten vor allem wegen der Kosten Widerstand.
Um sein Jahrhundertprojekt allerdings zu verwirklichen, musste Eiffel einwilligen, den Turm weitgehend mit eigenem Geld und Bankkrediten zu bauen. Die Stadt war lediglich bereit, sich mit 1,5 Millionen Goldfrancs an den auf sieben Millionen geschätzten Baukosten zu beteiligen.
Wer war dieser Gustave Eiffel, dem die Regierung und die Stadtverwaltung zutrauten, solch ein technisch und ökonomisch beispielloses Projekt zu bewältigen?


Das Buch
Das Buch entführt in das Paris des 19. Jahrhunderts und beleuchtet das wechselhafte Leben von Gustave Eiffel, einem Experten im Ingenieurwesen, der vor allem durch die Errichtung des Eiffelturms weltberühmt wurde. Kremayr & Scheriau, € 27,–
Wie aus Bönickhausen Eiffel wurde
Fünf Generationen vor ihm hatte ein Handwerker namens Bönickhausen seine deutsche Heimatregion, die Eifel, verlassen, um der dort herrschenden Not zu entgehen und sich in Paris eine neue Existenz aufzubauen. Weil dort sein Name schwer auszusprechen war, nannte er sich in Anlehnung an seine Herkunftsregion Eiffel. Die meisten seiner Nachfahren lebten und arbeiteten im Pariser Marais-Viertel als Polsterer. Aus dieser Tradition scherte Gustave Eiffels Vater aus, indem er Napoleons Feldzüge als Unteroffizier mitmachte.
Demobilisiert wurde er 1815 in Dijon. Dort lernte er die Tochter eines Holz- und Kohlehändlers kennen, die er 1823 heiratete und mit der er drei Kinder hatte, von denen der 1832 geborene Gustave das älteste war. Eiffels Mutter, die über einen bemerkenswerten Geschäftssinn verfügte, führte nach dem Tod ihres Vaters das Unternehmen mit Erfolg weiter. Eiffel besuchte nach dem in Dijon abgelegten Abitur noch zwei Jahre lang in Paris eine weiterführende Schule und studierte dann an der technische Hochschule École Centrale des Arts et Manufactures, wo er sich auf Metallbau spezialisierte.


Visionär. Vom Brückenbauer zum Turmerbauer: Gustave Eiffel machte eine Skizze zum Symbol einer Nation.
© Personalities / TopFoto / picturedesk.comDank der Beziehungen der Mutter wurde er nach dem Diplom von dem Ingenieur und Eisenbahntechnik-Unternehmer Charles Nepveu engagiert. Von diesem hat er viel gelernt, vor allem die für Frankreich noch ganz neue Technik, Fundamente in morastigem Untergrund oder auf dem Grund von Flüssen mithilfe von Caissons zu bauen. In diesen großen, unten offenen Metallkästen, in denen durch Überdruck das Wasser am Eindringen gehindert wurde, schachteten Arbeiter den Boden aus und evakuierten den Sand durch Schleusen. Dadurch sank der Caisson immer weiter, bis er festen Untergrund erreicht hatte und mit Beton ausgegossen wurde, sodass auf ihm ein Fundament errichtet werden konnte.
Die Brücke, die alles veränderte
Diese Technik setzte Eiffel, der erst 26 Jahre alt und ohne praktische Berufserfahrungen war, als Bauleiter eines Brückenbaus in Bordeaux ein, wo ihn Nepveu bei den Bauherren François und Edouard Pauwels durchgesetzt hatte. Der erfolgreiche Bau dieser drei Millionen Francs teuren und 500 Meter langen Brücke mit ihren sechs Pfeilern im Fluss stellte Eiffels Durchbruch in der Branche dar. Im Anschluss wurde er Direktor einer Fabrik der Gruppe Pauwels in Clichy bei Paris, die allerdings nach kurzer Zeit Konkurs anmelden musste. Eiffel konnte noch eine stattliche Abfindung aushandeln, musste sich aber früher als beabsichtigt selbstständig machen.
Sein Metallbauunternehmen errichtete zunächst kleine Brücken, Silos und Gasbehälter sowie eiserne Stützstrukturen für Kirchen und andere Bauwerke. Da die Banken misstrauisch waren und nur zögerlich Kredite gewährten, musste Gustave Eiffel oft seine Mutter um Hilfe bitten, die inzwischen ihre Firma verkauft und sich mit einem Kapital von 300.000 Francs zur Ruhe gesetzt hatte. Dieses Geld diente jetzt dem Jungunternehmer als Startkapital. Die Eltern hatten das damit eingegangene Risiko nie zu bereuen.
Detailverliebter Planer
Eiffel baute mit Erfolg immer größere und kühnere Eisenbahnbrücken. Indem er seine Konstruktionen – wie bei einem Metallbaukasten – von vornherein in kleine und kleinste Normteile zerlegte, die dann in der Fabrik preisgünstig in Serie gefertigt und auf der Baustelle zügig montiert werden konnten, baute die Firma Eiffel & Co. nicht nur schneller, sondern auch billiger als die Konkurrenz. Doch die wesentliche Grundlage für Eiffels Vermögen wurden leicht und schnell zu montierende mobile Brücken für die französischen Kolonien, die er sich patentieren ließ, die nach Katalog bestellt werden konnten und von denen die Firma im Laufe der Jahre mehrere tausend geliefert hat. International berühmt wurde Gustave Eiffel durch die kühne Bogenbrücke über den Fluss Douro in Porto, durch den neuen Bahnhof von Budapest und das Viadukt von Garabit im französischen Zentralmassiv. Ohne die Erfahrungen mit diesen Bauten, so schätzte er später ein, hätte er nie den Turm in Paris bauen können.
Für diesen erfolgte der erste Spatenstich im Februar 1887 und übergeben wurde der fertige Turm genau wie geplant Ende März 1889. Dass dieses gigantische Bauwerk in so kurzer Zeit errichtet werden konnte, verdankte man Eiffels Talent, alle Bauetappen bis ins Detail zu planen, zu organisieren und zu rationalisieren. So wurden bereits in seiner Fabrik in der Vorstadtgemeinde Levallois-Perret – damit unter besseren Arbeitsbedingungen als auf der Baustelle – bis zu drei Tonnen schwere Elemente aus Einzelteilen montiert. So konnten hier schon zwei Drittel der insgesamt 2,5 Millionen Nieten mit einem Dampfhammer gesetzt werden und nicht erst von Hand auf dem Turm selbst.


Touristenmagnet. Der Eiffelturm, erbaut 1887 bis 1889, zählt pro Jahr sieben Millionen Besucher
© Roger Viollet / picturedesk.comDurch die perfekte Arbeitsorganisation waren nie mehr als 50 Arbeiter auf dem Turm tätig und 150 in der Fabrik. Auf der Baustelle wurden die Bauelemente durch unterschiedlich große Kräne in die Höhe gehievt, die Eiffel selbst entworfen und gebaut hatte und die durch Dampfhraft oder mittels Flaschenzug von Hand bewegt wurden.
Dass zur Eröffnung der Weltausstellung die Turmbesucher die Treppen benutzen mussten, weil die Fahrstühle noch nicht fertig waren, passte gar nicht zu Eiffel. Der lieferte gewöhnlich auf den Tag genau, aber die Fahrstühle gehörten nicht zu Eiffels Ressort, hatte die Direktion der Weltausstellung entschieden. Allerdings war die Aufgabe, die es hier zu lösen galt, auch extrem schwierig. Die Fahrstühle, die jeder 200 Fahrgäste von unten zunächst zur ersten und dann zur zweiten Etage zu transportieren hatten, rollten in den vier Pfeilern auf Schienen und mussten die sich ändernde Schräge mitmachen, ohne dabei die Kabinen aus der Waagerechte geraten zu lassen.
Die Weltausstellung von 1889 wurde ein Riesenerfolg, ganz besonders durch den Eiffelturm. Dieser wurde in sieben Monaten von zwei Millionen Menschen bestiegen. Der Bruttogewinn von 5,5 Millionen Francs, den die Turmgesellschaft verbuchte, erlaubte es Eiffel, schon jetzt die bei den Banken aufgenommenen Kredite zurückzuzahlen.
Kampf gegen den Abriss
Nun konnte er sich seinem wichtigsten Anliegen widmen, den im Vertrag vorgesehenen Abriss nach 20 Jahren zu verhindern. Er ersann immer neue Verwendungsmöglichkeiten für den Turm, von einer Wetterbeobachtungsstation oberhalb der dritten Etage über Strömungsforschung bis zu ersten Experimenten mit der noch neuen Funktechnik. Hier sicherte er sich starke Unterstützung, indem er den Turm bereits um 1900 teilweise und ab Beginn des Ersten Weltkriegs komplett in den Dienst der Landesverteidigung stellte, vor allem als Funkzentrale der Armee, aber auch zum Abhören des feindlichen Funkverkehrs. Nach dem Krieg kam der Rundfunk hinzu und später auch das Fernsehen.
All diese Erfolge waren auch nötig, um Eiffels angeschlagenen Ruf in der Öffentlichkeit wieder aufzubessern. Der Turmerbauer hatte sich in den Skandal um das Riesenprojekt des Baus des Panamakanals verstricken lassen. Da waren Politiker bestochen und die Pleite des Unternehmens lange vertuscht worden, doch vor allem wurden 85.000 Kleinanleger um all ihre Ersparnisse betrogen. Im Prozess Anfang 1893 wurde Eiffel zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, doch aufgrund eines Formfehlers wurde das Urteil aufgehoben – Eiffel entging der Haft. Heute denkt niemand mehr an einen Abriss des Turms. Im Gegenteil, sein größtes Problem ist jetzt sein Erfolg. Die ständig steigende Zahl der Besucher, von denen übrigens 84 Prozent aus dem Ausland kommen, übersteigt eigentlich seine Kapazitäten. Die sieben Millionen, die jetzt im Schnitt pro Jahr gezählt werden, sollen möglichst nicht überschritten werden. Um das zu regulieren, sieht man nur ein Mittel – die Eintrittspreise zu erhöhen.

Steckbrief
Ralf Klingsieck
Ralf Klingsieck wurde 1947 in Potsdam geboren und wuchs in Berlin auf. Er studierte am Moskauer Institut für Internationale Beziehungen und arbeitete ab 1974 bei der Nachrichtenagentur ADN in Berlin, später als Korrespondent in Paris und Brüssel. 1986 erschien sein erstes Buch „Rendezvous mit Paris“. Seit 1995 lebt er in Paris und schreibt für mehrere deutsche Fachzeitschriften. Französische Geschichte und Kultur sind zentrale Themen seiner journalistischen Arbeit und seiner Tätigkeit als Reiseführer.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 45/2025 erschienen.






