Was bedeutet "woke" bzw. "wokeness"?

"Woke" ist heutzutage kaum noch wer. Trotzdem ist das Wort in aller Munde und vor allem für Rechte und Konservative lauert die "woke" Gefahr hinter jeder Ecke.

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Woke, Wokeness - eine Frau ballt ihre Hand zu einer Faust und streckt sie in die Luft. © Bild: Elke Mayr

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Was bedeutet "woke"?

"Woke" kommt aus dem Englischen und bedeutet in deutscher Sprache "aufgewacht" bzw. "wachsam". Es leitet sich von "to wake" ("erwachen") ab. Benutzt wird "woke" als Adjektiv und meist in einem politischen Sinn – als "wachsam" gegenüber rassistischer, sexistischer und sozialer Diskriminierung. Laut Duden bedeutet "woke": "in hohem Maß politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung". Das Substantiv "Wokeness" ließe sich dementsprechend in etwa mit "politischer Wachsamkeit" übersetzen.

Was bedeutet es, woke zu sein?

"Woke" Menschen setzen sich für Gleichberechtigung und gegen sämtliche Formen der Diskriminierung ein. Außerdem beanspruchen sie (implizit) für sich, die politischen und gesellschaftlichen Folgen ihres eigenen Handelns zu reflektieren. Eine Person ist beispielsweise dann "woke", wenn sie um die verletzende Wirkung gewisser abwertender Bezeichnungen (zum Beispiel für Frauen oder Menschen mit schwarzer Hautfarbe) weiß – und sie dementsprechend nicht benutzt. Eine "woke" Person würde ihr Kind auch nicht als "Indianer" verkleidet in den Kinderfasching schicken und bevorzugt ein "Puszta-Schnitzel" und kein "Zigeunerschnitzel" bestellen.

»Eine "woke" Person würde ihr Kind auch nicht als "Indianer" verkleidet in den Kinderfasching schicken und bevorzugt ein "Puszta-Schnitzel" und kein "Zigeunerschnitzel" bestellen.«

Was ist der Ursprung von "woke"?

Die erste bekannte Verwendung von "woke" ist die in einem Lied von Huddie Ledbetter (Leadbelly) über die Scottsboro Boys 1938. Seinen politischen Ursprung hat der Begriff "woke" in der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement) der 1950er und 60er-Jahre. In diesem Kontext ging es vor allem um Rassismus und damit verbundene strukturelle Diskriminierung und soziale Benachteiligung. Bekannt wurde das Wort durch den afroamerikanischen Autor William Melvin Kelley, der im Mai 1962 einen Artikel mit dem Titel "If You're Woke You Dig It" für die New York Times verfasste. Er analysierte darin, wie afroamerikanischer Slang vor allem im Medium der Kunst Eingang in die Sprache der weißen Gesellschaft findet.

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Beispiele für "wokeness": Black Lives Matter oder #metoo

Eine Art Revival erlebt der Begriff ab dem Jahr 2014 im Zusammenhang mit der Black Lives Matter-Bewegung. Die Erschießung des 18-jährigen Afroamerikaners Michael Brown in den USA war der Auslöser für großflächige Proteste gegen strukturellen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze – und somit für ein (wieder)erwachtes öffentliches Bewusstsein für diese Themen. Seither ist der Begriff "woke" vor allem in den Sozialen Medien präsent, und hier vor allem in Form von Hashtags wie #woke oder #staywoke ("wach bleiben").

Mittlerweile umfasst der Begriff nicht mehr nur die Wachsamkeit gegenüber rassistischer Diskriminierung, sondern wird weiter gefasst. "Wokeness" bezeichnet heute zusätzlich die Wachsamkeit gegenüber sozialer Ungerechtigkeit, struktureller Diskriminierung, Sexismus oder Antisemitismus. Als „woke“ wurden daher auch Debatten im Kontext der #MeToo-Bewegung bezeichnet.

»"Wokeness" bezeichnet heute die Wachsamkeit gegenüber Rassismus, sozialer Ungerechtigkeit, struktureller Diskriminierung, Sexismus oder Antisemitismus. «

Woke-Generation, Cancel Culture und woke als Kampfbegriff

Wo immer Macht und Herrschaft in Frage gestellt wird, kommt es zu Abwehrreaktionen. Konservative, rechte und rechtsextreme Kreise blasen daher regelmäßig zum Abwehrkampf gegen alles und jeden, was irgendwie "woke" aussieht. "Woke" dient als eine Art Kampfbegriff gegen angebliche "Moralapostel" und vermeintlich "überzogene politische Korrektheit" der Linken. "Woken" Personen wird Scheinheiligkeit oder "moralische Panik" unterstellt. Anhänger:innen der "Anti-Wokeness" kritisieren vielfach die vermeintliche Meinungszensur oder die "Cancel Culture" der "Wokestapo" (als Anspielung auf die "Geheime Staatspolizei" des NS-Regimes, Gestapo). Sie warnen vor einer "woke-Culture", einer "woke-Generation" oder gar einem "woken Mob", der die Meinungsfreiheit unterdrücke und das kulturelle Erbe einer Nation zerstöre. Zur "Woke-Unkultur" zählt etwa der Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer "Gendersternchen, Ampelpärchen oder Regenbogenschutzwege".

In Summe zielt die rechte Kritik an der "Wokeness" darauf ab, soziale Ungerechtigkeiten, sexistische, homophobe und rassistische Praktiken und Formen der Diskriminierung zu rechtfertigen und der Kritik daran, die Legitimation zu entziehen. Rassistische Diskriminierung und die Unterdrückung von Minderheiten wird in diesem Kontext meist als die Befindlichkeit einer (hypersensiblen) Minderheit dargestellt, die die Mehrheit in ihrer freien Meinungsäußerung hindere.

Auch von der politischen Linken wird der Begriff teilweise abwertend, negativ, zynisch oder distanzierend verwendet. Als (im negativen Sinne) "woke" werden Menschen innerhalb der Linken bezeichnet, die sich nach Meinung ihrer Kritiker:innen zu sehr der "Identitätspolitik" verschrieben hätten. Ihnen wird unterstellt, sich anstatt den (vermeintlich wichtigeren) sozialen Problemen (Einkommensungleichheit, Vermögensverteilung), zu sehr den (vermeintlich eher nebensächlichen) identitätspolitischen Fragen zu widmen (Fragen der Kultur, der Ethnizität oder sexueller Identität). Besonders das Thema gendergerechte Sprache ("Gendern") ist in der linken woke-Diskussion ein Reizthema.

Im Resultat bezeichnet sich innerhalb der Linken kaum noch wer selbst als "woke" – was nichts daran ändert, dass der "woke" Feind in rechten Diskursen omnipräsent ist.

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Woke Washing

Die missbräuchliche Verwendung von "woken" Attributen zu Werbezwecken wird als "Woke Washing" bezeichnet. Wollen Unternehmen sich und ihren Produkten beim "Greenwashing" ungerechtfertigterweise ein umweltfreundliches, ökologisches Image verleihen, handelt es sich um "Woke Washing", wenn Unternehmen sich soziale Gerechtigkeit oder Geschlechtergerechtigkeit auf die Fahnen schreiben – obwohl dies nichts mit der unternehmerischen Realität zu tun hat. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Unternehmen für den Weltfrauentag werben oder ihre Mitarbeiter:innen mit geschlechtergerechter Sprache anschreiben, ihr Profit aber auf der Ausbeutung weiblicher Arbeiterinnen beruht und in den Vorstandsetagen überwiegend Männer sitzen.