Mythos "Sommergespräche"

Ab 8. August moderieren Tobias Pötzelsberger und Julia Schmuck die ORF-Sommergespräche mit den Chefs der Parlamentsparteien. Den Anfang macht NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger.

von Julia Schmuck und Tobias Pötzelsberger © Bild: ORF/Thomas Ramstorfer

Es gibt mehrere Interviewformate im ORF, von der Pressestunde bis zur ZiB 2. Warum nehmen die Sommergespräche so eine Ausnahmestellung ein?
Pötzelsberger: Erstens gibt es ein gewisses Sommerloch, eine nachrichtenarme Zeit, in der so lange Interviews herausstechen. Zweitens ist die Länge das Besondere. Die ZiB 2 hat Interviews von zehn Minuten, das "Journal zu Gast" ist 15 Minuten ... in dieser Ausführlichkeit mit den Spitzenpolitikern und Spitzenpolitikerinnen zu sprechen ist doch etwas, das es nicht immer gibt.
Schmuck: Und dass man nicht immer in dieser Tagesaktualität drinnen sein muss. Sondern einfach einmal mehr in die Zukunft schauen kann.

Armin Wolf hat die Sommergespräche einmal als "unmögliches Format" bezeichnet. Wegen der enormen medialen Aufmerksamkeit, und wegen des Balanceakts zwischen Geplauder und hartem politischem Interview. Wie hart oder soft werden Sie es anlegen?
Schmuck: Ich finde es ist nicht die Zeit für eine Plauderei, einfach weil die Themen momentan zu ernst sind. Insofern wird es einfach ein ernsthaftes Gespräch. Zeit für privates Ausleuchten ist heuer nicht.
Pötzelsberger: Ich glaube auch, dass Armins Vergleich aus einer anderen Zeit kommt. Ganz bestimmt ist es heuer etwas anderes, obwohl es natürlich stimmt, dass die Balance zwischen sommerlichem Gespräch und hartem politischen Interview schwierig ist. Aber es hat niemand gesagt, dass es leicht sein muss für uns.

Wie wollen Sie mehr aus den Politikern herausholen, als die üblichen Antworten?
Pötzelsberger: Wir haben selbstverständlich den hohen Anspruch, auch einmal etwas Überraschendes oder noch nicht Gehörtes herauszuholen. Natürlich wollen die Sommergespräche auch am nächsten Tag in den Schlagzeilen vorkommen. Aber es kommt immer auch aufs Gegenüber an. Wenn sich das sperrt, wird es schwierig. Ich versuche, meine eigene Erwartungshaltung dahingehend niedrig zu halten.

»Zeit für privates Ausleuchten ist heuer nicht«

Die Zeiten, in denen die Parteichefs im Rahmen der "Sommergespräche" in den Pool sprangen oder Tischtennis spielten, sind vorbei. Hat man überhaupt noch eine Chance, durch die Fassade ihrer Professionalität zu dringen?
Pötzelsberger: Ich möchte ehrlich gesagt auch nicht mehr in den Pool springen, selbst wenn das damals okay war. Mir ist wichtig, dass ich eine klare Distanz wahren kann. Was die Inszenierung betrifft, diese Wand aus vorbereiteten Aussagen und Mediencoaching ist schwer zu durchbrechen. Ich glaube, von den naheliegenden Fragen lassen sich die Gäste kaum aus dem Konzept bringen. Manchmal gelingt es, einen Gedankengang zu finden, der so noch nicht artikuliert worden ist, sodass das Gegenüber zu einer spontanen Reaktion gezwungen ist. Dann kann es die Fassade nicht mehr wahren und es wird interessant. Interviews mit Spitzenpolitikern sind einfach wahnsinnig schwierig. Ich gehe auch oft unzufrieden heraus.

Herr Pötzelsberger, Sie haben die Sommergespräche bereits 2019 moderiert. Es machte damals den Eindruck, als würden sich die Politiker bei Ihnen verhältnismäßig wohl fühlen.
Vor und nach den Gesprächen hatte ich nicht immer das Gefühl, dass sich alle so wahnsinnig wohlgefühlt haben. Ich versuche einfach ehrlich, authentisch und vor allem freundlich zu sein. Das sind vielbeschäftigte Leute, die sich Zeit für uns nehmen. Das verdient eine gewisse Freundlichkeit. So bin ich immer, ich habe wenig darüber nachgedacht. Im Prinzip muss gelten, dass man authentisch bleiben muss. Wenn man sich verstellt, geht das nicht lange gut.

Was auch auffallend ist, Sie formulieren sehr anschaulich. Man kann Ihnen als Zuschauer gut folgen.
Das ist mir sehr wichtig. Ich habe einmal eine Moderationstrainerin gehabt, die mir immer gesagt hat, stell dir vor du sprichst mit einer Bekannten. Das habe ich immer im Kopf behalten. Und ich denke auch oft an meine Oma, die das alles verstehen soll, was wir da besprechen.

»Ich denke oft an meine Oma, die alles verstehen soll, was wir besprechen«

Frau Schmuck, wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?
Ein Kollege hat einmal gesagt, hartnäckig und doch verbindlich. Ich finde, das trifft es recht gut. Es kommt auch auf den Tonfall an. Man kann hartnäckig und präzise sein und hart nachfragen. Wenn das in einem angenehmen Tonfall passiert, macht es, glaube ich, auch dem Zuseher mehr Freude.

Die Sommergespräche werden in den (sozialen) Medien intensiv rezipiert. Jeder und jede hat eine Meinung dazu und tut sie öffentlich kund. Wie bereiten Sie sich auf diesen großen Druck vor?
Pötzelsberger: So abschließend kann man sich nicht darauf vorbereiten, es hängt auch davon ab, wie das Gespräch wird. Lob ist leichter anzunehmen als Kritik. Aus 2019 kann ich berichten, dass ich dann einfach Twitter nicht geöffnet habe, sondern erst am nächsten oder übernächsten Tag.
Schmuck: Das raten mir auch sehr erfahrene Kollegen immer wieder. Oder jemand anderen die Reaktionen durchschauen zu lassen.
Pötzelsberger: "Jemand anderer" ist das Stichwort. Es gibt für uns Kollegen und Freunde, die viel Ahnung von dem Geschäft haben, die man um ihr Feedback bitten kann. Das ist wichtiger als das, was im Internet geschrieben wird.

Sie sind beide auf Twitter nicht sehr aktiv. Warum?
Schmuck: Es ist auch eine Zeitfrage. Wenn man das ernsthaft betreibt, muss man auch immer dran bleiben in Diskussionen und da fehlt mir ehrlich gesagt die Zeit dafür.
Pötzelsberger: Ich sehe es genauso. Außerdem ist Twitter ein Medium, das von Missgunst dominiert wird und ich bin gegen Missgunst. Ich will mich nicht beteiligen, weil mir dazu die Zeit fehlt und weil es eben, finde ich, sehr unfreundlich ist dort mitunter. Und unfreundlich sein, das spar' ich mir lieber.

Das Interview erschien ursprünglich im News 31+32/2022.