Peter Simonischek: Sein letztes großes Interview

Der österreichische Ausnahmeschauspieler Peter Simonischek ist am Ende einer verheerenden Krankengeschichte verstorben. Wir blicken auf Jahrzehnte der Verbundenheit zurück und geben das bestürzende Interview, das er News am Ende seines Lebens gab, nochmals im vollen Wortlaut wieder.

von Peter Simonischek: Sein letztes großes Interview © Bild: News Zach - Kiesling Roman

Steckbrief Peter Simonischek

  • Geburtsdatum: 6. August 1946 in Graz, Österreich
  • Todestag: 29. Mai 2023 in Wien, Österreich
  • Geburtsname: Peter Maria Simonischek
  • Beruf: Schauspieler
  • Sternzeichen: Löwe
  • Ehepartnerin: Brigitte Karner, verheiratet seit 1989
  • Kinder: Max Simonischek (*1982), Benedikt Simonischek (*1988), Kaspar Simonischek (*1997)

Das Gespräch vom 24. Februar 2023 war ohne Beispiel in einem nicht zu kurzen Journalistenleben: ein Telefonat, das sich morgens zwischen elf und halb zwölf zur Höhe einer absurden Tragikomödie aufschwang. Beiden Teilnehmern war ohne Zweifel klar, dass sie von derselben Krankheit sprachen, deren Name aber kein einziges Mal fiel. Also sprachen wir - Sie können es auf den übernächsten Seiten im unveränderten Wortlaut nachlesen - von Long Covid, wie er sein Unglück der Öffentlichkeit kommunizieren wollte. Eine Qual von unabsehbarer Dauer sei das, sagte Peter Simonischek und meinte in Wahrheit sein langes, sich zuletzt rasch beschleunigendes Sterben am Krebs. Aber immer kehrte das Gespräch zur Hoffnung zurück, die Verhältnisse könnten sich noch wenden, vielleicht zu einer Stabilisierung, die auch noch berufliche Pläne ermöglicht hätte.

Er war schon am Aufbruch zum Heimflug aus Berlin, hatte dort den Kinofilm "Der vermessene Mensch" präsentiert und dabei seine Kräfte bis zum Ultimo strapaziert. Aber noch am selben Abend wurde im Wiener Radiokulturhaus seine Frau, die Schauspielerin Brigitte Karner, als Hörspielstimme des Jahres ausgezeichnet, und vorher stand er unserem Fotografen für ein paar Minuten zur Verfügung. Der große, stattliche Mann sah dünn und erschöpft aus und stützte sich mit der Anmut eines Bonvivants aus verflossener Theaterzeit auf ein Stöckchen. Er war ein solcher Charismatiker, dass den Menschen, die ihn erkannten und grüßten, der Atem stillstand vor so viel Haltung im offenbaren Leiden.

Schicksalsort Berlin

Peter Simonischek, geboren am 6. August 1946 in Graz, war einer der wenigen österreichischen Höchstligisten, die nicht über das Burgtheater zum Gipfel ihrer Möglichkeiten gelangten. Den Weg nahm er ab 1979 über die Berliner Schaubühne, die, damals noch am Halleschen Ufer, unter der Direktion Peter Steins das deutschsprachige Theater von Grund auf veränderte. Alles war da Klarheit, Konzentration auf das Wort und die Authentizität eines singulären Ensembles. Als im gleichen Sinn Andrea Breth übernahm, blieb Simonischek in Berlin und wuchs vollends ins Ausnahmeformat.

© News Zach - Kiesling Roman

"Er war ein so großer Schauspieler, dass man ihn nicht auf einen Typus reduzieren kann", erinnert sich die letzte große Regisseurin des deutschen Sprachraums. "Die Fotos zeigen immer einen strahlenden, lachenden Menschen, aber auf der Bühne war er ein melancholischer Clown, der, unsicher alles befragend, in die Tiefe geblickt hat und dabei sehr verwandlungsfähig war." Die erste Zusammenarbeit, erinnert sich Andrea Breth, betraf Schnitzlers ,Einsamen Weg', und wie Simonischek in der Rolle des Professors Wegrat die Dimension des Todes mit einem Wort ersprechen - "singen", korrigiert sie sich - konnte, das habe sie nicht oft erleben dürfen.

Derlei Wunder trugen sich bis Ende der Neunzigerjahre in Berlin zu. Die Erinnerung des Kritikers, der seine Sozialisation als Bub auf dem Stehplatz der "Burg" genossen hat, setzt somit untypisch spät ein: im August 1982 bei den Salzburger Festspielen, als sich die Großrezensenten alle schon in den Urlaub verzogen hatten. Dieter Dorn inszenierte Goethes "Tasso", und inmitten einer tollen Besetzung mit Romuald Pekny, Jutta Hoffmann und Thomas Holtzmann verkörperte der 35-jährige Simonischek den sich über die Standesgrenzen vermessenden Poeten, der nach seinem Sturz die Assistenz eines Gottes anfordert, um das Maß seines Leidens in Verse fassen zu können. Ein Kraftschauspieler war da zu bestaunen, aber kein Brüller, sondern einer wie Attila Hörbiger, der sich bis auf die Nervenstränge entblößte.

Wien wird Peter Simonischeks Lebensmittelpunkt

An der "Burg" regierte damals Achim Benning und nach ihm Claus Peymann, und irgendwie wurde es nichts zwischen dem Nationaltheater und dem großen Sohn der Heimat, der damals schon eine beträchtliche Filmografie von "Derrick" aufwärts bis Stefan Heyms "Lenz oder die Freiheit" vorweisen konnte.

Das änderte sich, als 1999 Klaus Bachler die "Burg" übernahm. Alle Theaterwelt fragte sich damals, wen der in den Olymp avancierte Volksoperndirektor denn mitbringen werde. Und Peter Simonischek war der Erste, von dem man redete. Als ihm News anlässlich seines ersten Vertragsgesprächs mit einem Fotografen auf dem Schwechater Flughafen zu Leibe rückte, war er überwältigt: Nie im Leben, sagte er, könnte einem dergleichen in Berlin zustoßen! Damals begriff er, dass er in der schauspielervernarrten Stadt, in der Gert Voss, Ignaz Kirchner und Kirsten Dene glorios das Kommando führten, einiges einzulösen haben werde.

Er blieb nichts schuldig, bewältigte unverzagt Strindbergs "Totentanz", der zwischen Peter Zadek und Voss zu eskalieren drohte, und erklomm mit Andrea Breth einen Gipfel nach dem anderen - aus dem bizarren Geklüft des Einakterabends "Zwischenfälle" hinauf zum Achttausender, Kleists "Prinz von Homburg" neben August Diehl.

Jedermann als Bestimmung

Das Schicksal der Omnipopularität ereilte ihn, als 2002, nach drei Dürrejahren mit Ulrich Tukur, der Salzburger "Jedermann" vakant wurde. Einer beispiellosen Ahnenreihe war da etwas Wahrnehmbares entgegenzuhalten. Die Mythengestalten Alexander Moissi, Attila Hörbiger und Will Quadflieg drohten aus der Vorzeit, die Renaissancefürsten Curd Jürgens und Maximilian Schell hatten in aller Pracht den Boden für die Moderne bereitet, für Brandauer, Lohner und Voss. Und nun übernahm Simonischek und diente zwischen 2002 und 2009 am zweitlängsten nach Walther Reyer, der dem Gottseibeiuns noch ein Jahr länger dank später Reue entkommen war. Vier Buhlschaften - am spektakulärsten Veronica Ferres - versagten ihm die Gefolgschaft in die ewigen Jagdgründe. Als er an Nicholas Ofczarek übergab, waren viele verwirrt, man hatte ihn schon zum festen Domplatzbestand gezählt. Er begriff, dass es Zeit war, aber er ging nicht gern. Der Mann, der nach maßlosen Sturm-und-Drang-Jahren in zweiter Ehe bei der Kollegin Brigitte Karner zu sich gefunden hatte, hob das Erlebte wieder und wieder auf den Domplatz: ein gleichermaßen lustvolles wie kathartisches Ereignis.

Peter Simonischek als Jedermann (2009).
© IMAGO / imagebroker SIMONISCHEK ALS JEDERMANN: Im Abschiedsjahr 2009 war Ben Becker der Tod, vor dem man sich auch jenseits des Domplatzes ängstigen konnte. Sophie von Kessel verkörperte die Buhlschaft.

Sieben Jahre später streifte ihn der Weltruhm, als die Filmgroteske "Toni Erdmann" um den Planeten zu rasen begann. Auch die Geschichte des Vaters, den er sich unter Selbstentstellung zu eigen machte, war ein Stück Abbuße: Max Simonischek, der Sohn aus erster Ehe, hat deren Scheitern dem Vater lang nicht nachgesehen.

Zuletzt wurde es stiller um ihn. Seine Aufführungen waren angeblich abgespielt, als Martin Kusej die "Burg" übernahm, und von nennenswert Neuem haben ihn ein Zerwürfnis, Covid und die Krankheit getrennt.

Peter Simonischek in Toni Erdmann.
© Editorial use only. No merchandising or book covers. This is a publicly distributed handout. Access rights only, no license of copyright provided. TONI ERDMANN. Der Welterfolg 2016. Peter Simonischek kämpft in Maren Ades Komödie grotesker adjustiert um das Vertrauen seiner Tochter. Sandra Hüller gelangt mit der Rolle an die Spitze. Simonischek ist fortan auch im Film vielbeschäftigt, wenn auch in weniger spektakulärer Dimension.

Peter Simonischek: "Ich kann ja nicht sagen, dass mir das Leben gestohlen worden ist"

Das Interview vom 24. Februar 2023, in dem Peter Simonischek viel über die Qualen der Krankheit und die Perspektive des Todes verriet, ohne die Tatsachen beim Namen zu nennen. Um das Theater machte er sich Sorgen.

Herr Simonischek, warum sieht man Sie kaum mehr an der "Burg"? Kann "Komplizen" von Simon Stone tatsächlich das Einzige sein? Werden Sie zu wenig gewürdigt?
Das ist nicht das Problem. Ich sollte ja in "Dämonen" unter Johan Simons spielen und hatte mich darauf auch schon gefreut. Aber es ging durch meine Long-Covid-Sache nicht.

© (C)2022 Ricardo Herrgott DAS LETZTE BILD. Peter Simonischek im Februar 2023 in Wien

Was war denn da los?
Ich bin immer noch schwer bedient, und Sie können alle Ärzte fragen, jeder erzählt etwas anderes. Niemand kennt sich bei dieser Krankheit aus. Es gibt eine Unzahl an Menschen, die ähnliche Symptome haben wie ich: schwere Müdigkeit, Abgeschlagenheit, man kriegt keine Energie mühselig. Ich war zwar gerade in Berlin, zu meiner Filmpremiere, aber da musste ich mich unheimlich zusammenreißen. Zum Glück lässt mich meine Frau nicht im Stich.

Aber Sie spielen in Berlin doch auch Theater, nicht?
Ja, die Aufführung, die das Burgtheater an das Renaissance-Theater verkauft hat. "The Who and The What" von Ayad Akhtar war ein Riesenerfolg am Akademietheater, aber Kusej wollte es 2019 nicht übernehmen. Das hat zu der Suppe gehört, die er weggeschüttet hat. Er hat ja auch den "Hiob" von Joseph Roth weggeworfen, der ebenfalls sehr gut besucht war. Ich habe das nur 17 Mal gespielt und sehr gerne! Das ist halt eine Art von Theater, die der Kusej nicht mag. Wenn ich dagegen seine Sachen sehe! Ich bin mit meiner Frau extra nach München gefahren, zu seiner Premiere von "Der nackte Wahnsinn", weil ich eine gute Meinung haben wollte, wenn er kommt. Es war aber elend schlecht, und er hat es hierher mitgenommen. Und sein "Faust", wo ein Zwölfjähriger mit dem Dynamitgürtel auf die Hinterbühne geschickt wird und in die Luft fliegt! So einen Effekt muss man sich verdienen, nicht ihn als billige Sensation verkaufen. Damit kann ich nichts anfangen. Ich habe es ihm auch gesagt, und damit war eine Zeit lang Funkstille. Aber ich habe keineswegs darunter gelitten und ein paar tolle Filme gemacht.

Zum Beispiel "Der vermessene Mensch", der gerade in Berlin präsentiert wurde. Ein aufwühlendes Sujet, nicht?
Ja, das ist dem Lars Kraume sehr gut gelungen, ein toller Regisseur, ein tolles Buch und eine wahnsinnig beklemmende Geschichte über den ersten Genozid, den die Deutschen in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika begangen haben. Der Film ist sehr klug, sehr genau, sehr differenziert. Ich spiele einen österreichischen Wissenschafter, der Schädelvermessungen durchgeführt und damit die Nazi-Ideologie des Untermenschen wissenschaftlich vorweggenommen hat. Das Original hieß Felix von Luschan und ist 1924 gestorben, hat aber viel Böses auf den Weg gebracht. Bei uns heißt er von Waldstätten, ein sehr angenehmer Typ. Man muss immer zweimal hinhören, um es zu glauben: Was hat er jetzt gesagt?

Macht Ihnen die Darstellung solch eines freundlichen Scheusals zu schaffen? Philipp Hochmair sagt, er habe die Dreharbeiten zur "Wannseekonferenz" kaum ausgehalten.
Bei mir ist das anders, ich genieße das, so einen freundlichen, überzeugenden, beiläufigen Ungustl zu spielen. Ohne hier etwas vergleichen zu wollen, hab ich mir Sobotkas Grinsen im Untersuchungsausschuss zum Vorbild genommen. Da spielt man sich viel Unmut von der Seele.

Um zu Ihrem Gesundheitszustand zurückzukehren: Machen Sie trotzdem Pläne? Dieses Long Covid muss doch einmal aufhören!
Ich hoffe, aber es gibt niemanden, der mir sagt, wann es zu Ende ist, weder in der einen noch in der anderen Richtung. Ich muss Geduld haben und bin schließlich bald 77. Ich kann ja nicht sagen, dass mir das Leben gestohlen worden ist. Passt schon.

Aber was ist schon 77?
Das stimmt schon. Aber als ich im Internat in St. Paul war und wir zu Silvester über Mitternacht aufbleiben durften, da dachte ich plötzlich: "Was wird denn sein, wenn die Jahrtausendwende da ist? Das muss ja wahnsinnig sein!" Und dann habe ich mir ausgerechnet: "Ach so, da bin ich ja schon 50! Da hab ich ja nichts mehr davon. Wenn ich es überhaupt noch erlebe!" Nachher lacht man darüber, aber wenn's näher kommt, schaut es anders aus. Gestern habe ich den Kunstsammler Kajetan Grill getroffen. Seine Mutter wird 101, die Großmutter ist 104 geworden und der Großvater 107.

Das ist keine Option?
Für mich vielleicht nicht unbedingt mehr. Aber wenn man einigermaßen beieinander ist? Davon hängt es ab.

Die Endlichkeit klopft aber doch an, nicht?
Ja, sicher. Manche Leute fühlen es nie, weil sie es verdrängen. Andere denken schon von klein auf an den Tod, und manche Orden haben den Totenschädel auf den Nachtkastln stehen. Also, der Umgang ist verschieden.

Kehren wir lieber zum Theater zurück. Wie sehen Sie denn die Besucherkrise an den Sprechbühnen? Opernhäuser, Museen, Kinos laufen wieder. Nur im Theater sieht es schlecht aus.
Unser genialer Regisseur Nikolaus Habjan, der etwas in der Birne hat und die Technik beherrscht, hat kürzlich in einem Interview gesagt, wie das Publikum vertrieben wird.

Erzählen Sie!
Es ginge darum, Theater zu machen, das für das Publikum ist. Einen Klassiker, wo drin ist, was draufsteht. Wo man auch verstehen kann, was gemeint ist, wenn man das Stück vorher nicht dreimal gelesen hat und nachher erst recht nichts versteht. Wenn es, wie Johan Simons' "Woyzeck" am Burgtheater, beklemmend und lebendig und gut gespielt ist, kann es sich aber ruhig vom Stück entfernen.

Ja, die Meister können das. Das Problem sind die Drittklassigen, die es nachmachen, ohne es zu können.
Ja, die Dekonstruktion ist ein kühnes Unterfangen, wenn man nicht kapiert, wie sie geht. Zum Beispiel ein Stück wie "Die Verschwörung des Fiesco zu Genua" von Schiller zu dekonstruieren, ist geradezu die Quadratur des Kreises. Das ist schon nicht dekon struiert kaum zu verstehen. Die Zuschauer werden entweder bevormundet oder überfordert.

Sind Sie auch so ein Gegner der Gesichtsmikrofone?
Und wie! Aber bevor ich nichts verstehe, schaue ich mir lieber die Warze im Gesicht an. Die Sprachkultur hat sich ja durch das Fernsehen auf seltsame Weise verabschiedet. Man versteht auch dort teilweise nichts mehr. Weil je talentierter einer ist, desto leiser muss er sprechen. Das ist ein Missverständnis auf der ganzen Linie. Und um nochmals auf den Habjan zurückzukommen: Es fehlt das Können!

Welcherart?
Den Körper im Griff haben, mit der Sprache, mit der Stimme etwas veranstalten, Pointen, Pausen halten und wissen, dass das ganze Theaterspielen im Kopf stattfindet. Denken! Denken!

Es hat sich die Königsklasse des Theaters auch arg verdünnt, seit Gert Voss, Ignaz Kirchner, Johann Adam Oest, Peter Matic weg sind. Sie, Michael Maertens, Nicholas Ofczarek, Tobias Moretti sind schon bald allein.

Und Joachim Meyerhoff! Und Lars Eidinger ...

Ihr Salzburger Nachnachnachnachnachfolger als Jedermann.
Na ja, denen hat er eher ein Häufchen gesetzt, er hat sich über das Stück und Salzburg lustig gemacht. Und die Leute merken es nicht einmal.

Hatten Sie mit Kusejs Nachfolger Stefan Bachmann je Kontakt?
Ja, aber das ist eine Ewigkeit her. Der Stefan war Hospitant bei Luc Bondy in Berlin, als ich dort gespielt habe. Ein netter Kerl, wunderbar! Natürlich verändert jeden auch die Macht, und er ist schon eine Zeit lang Intendant. Aber ich gehe davon aus, dass er immer noch ein anständiger Mensch ist. Ich freu mich auf ihn, und er hat in Wien ja einige sehr gute Arbeiten vorgelegt.

Was sagen Sie zu der verheerenden Geschichte mit Florian Teichtmeister? Sie haben mit ihm im "Konzert" von Bahr gespielt. Wie kann man denn so etwas überhaupt einschätzen? Die armen Kinder, und er erledigt fürs Leben
Ja, sicher, egal, wie der Prozess ausgeht. Ich staune ja darüber, dass die Medien ihn wie auf Kommando ausgelassen haben, als er vor dem Prozess krank wurde.

Vielleicht, weil Suizidgefahr nicht auszuschließen ist?
Ich kenne Leute, denen das vollkommen egal ist. Die wünschen ihm alles Böse. Bei mir ist es anders. Ich sehe in diesem Zusammenhang zwei Opfer: in erster Linie die missbrauchten Kinder. Aber wenn jemand mit so einer Veranlagung durchs Leben laufen muss? Ich habe ein spannendes Interview mit so jemandem gelesen: Das ist ein Fluch, so eine Veranlagung. Er steht mit seinem Freund an einem Bahnhof und weigert sich plötzlich, den einfahrenden Zug zu nehmen, weil eine Schulklasse zusteigt und er aus Vorsicht nicht einsteigen will. Das ist die Hölle, und die Veranlagung ist angeblich irreversibel! Auf der anderen Seite steht die Forderung: Das ist ein erwachsener Mensch, der mit seiner Veranlagung gefälligst verantwortlich umzugehen hat.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 22/2023 erschienen.