"Wir kämpfen nicht für uns, sondern für die Jungen!"

"Omas gegen Rechts": Was sie wollen und warum sie dafür sogar auf die Straße gehen

Sie tragen bunte Strickmützen mit Katzenohren, singen laut Lieder über den Widerstand und tragen Schilder, auf denen mit großen schwarzen Lettern „Omas gegen Rechts“ geschrieben steht.

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Omas gegen Rechts - "Wir kämpfen nicht für uns, sondern für die Jungen!"

Wer sind die „Omas gegen Rechts“?

Es handelt sich um eine zivilgesellschaftliche und überparteiliche Initiative mit mittlerweile mehr als 2.000 Anhängerinnen in ganz Österreich - und Berlin. Begonnen hat alles damit, als die pensionierte Psychotherapeutin Monika Salzer (70) im November 2017 die Facebook-Gruppe „Omas gegen Rechts“ gründete.

Was ist mit den Opas?

„Oma“ wird in diesem Fall als geschlechtsneutraler Begriff gesehen – die Opas sind also mitgemeint. Oder um es mit den Worten eines männlichen Mitglieds zu sagen: „Wir sind wie Sterne, auch wenn man uns nicht sieht, wir sind immer da“.

Was wollen sie?

Politischen Widerstand leisten. Ihre Stimme erheben. Gegen Antisemitismus, Rassismus und Faschismus. Und gegen Hass im Allgemeinen. Sie kämpfen für die Erhaltung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Für Europa, für Frauen und für eine gemeinschaftliche Gesellschaft. Dafür gehen sie auch auf die Straße.

Wo trifft man sie?

Auftritte hatten die „Omas“ bei den Demonstrationen zur Regierungsangelobung, zum Neujahrsempfang und zum Akademikerball. Aber auch beim Lichtermeer für Ute Bock konnte man sie antreffen. Neben der Online-Vernetzung auf Facebook gibt es kleinere Arbeitstreffen in den jeweiligen Bundesländern. Hier lernen sich die Anhängerinnen im echten Leben kennen, stricken gemeinsam Mützen und reden über Politik.

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Was hat es mit den Mützen auf sich?

Angelehnt sind diese an die „Pussyhats“, die ursprünglich bei der „Women’s March“-Demonstration gegen den US-Präsidenten Donald Trump getragen wurden. In der Facebook-Gruppe „Omas gegen Rechts“ findet sich übrigens auch eine passende Strickanleitung dazu.

Und was singen sie?

„Omas, Omas, Uns braucht das ganze Land, Wir kämpfen für die Kinder Und machen Widerstand. Omas, Omas, Die Wölfe dieser Welt Verkaufen unsere Zukunft Heut' schon für das große Geld.“

„Omas gegen Rechts“ sind automatisch links, oder?

Nicht unbedingt. Schließlich handelt es sich dabei um eine überparteiliche Initiative. Auf jeden Fall, so ist in einem persönlichen Statement zu lesen, zählen Werte wie Solidarität, Weltoffenheit, Menschenwürde, Gegnerschaft zu Rassismus, Antisemitismus, Neoliberalismus und Faschismus. Ein „Opa“ schreibt dazu: „Wer gegen Hass und Hetze ist, ist nicht links, sondern normal“.

»"Omas gegen Rechts“ entstand in Erinnerung an starke Frauen, die in schwierigen Zeiten mit unglaublich viel Mühe all das erkämpft haben, worauf wir aufbauen konnten. «

Für weitere Fragen ist uns die Gründerin von „Omas gegen Rechts“ Monika Salzer persönlich Rede und Antwort gestanden:

News: Was hat Sie dazu bewegt, die Initiative „Omas gegen Rechts“ zu gründen?

Salzer: Primär natürlich der Wahlausgang. Eine Rolle spielte aber auch der Tod meiner Mutter. „Omas gegen Rechts“ entstand deshalb auch in Erinnerung an starke Frauen, die in schwierigen Zeiten mit unglaublich viel Mühe all das erkämpft haben, worauf wir aufbauen konnten. Und heute wieder in Gefahr ist. Dinge wie eine starke Demokratie und ein starker Rechtsstaat.

»Wir wollen zeigen, dass wir auch noch etwas zu sagen haben. Dass wir Power haben. Und aktiv sein können.«

Omas sind eigentlich nicht für ihre Demonstrationsaffinität bekannt. Warum geht ihr trotzdem auf die Straße?

Ältere Menschen werden ab 50 zum alten Eisen gezählt. Aber das stimmt nicht. Wir wollen zeigen, dass wir auch noch etwas zu sagen haben. Dass wir Power haben. Und aktiv sein können. Wir haben im Laufe unseres Lebens so viele Kompetenzen aufgebaut, die können nicht alle durch einen 31-Jährigen ersetzt werden. Schon gar nicht von jemanden, der keinen Bezug zur Vergangenheit hat.

Einige Junge argumentieren, dass sie, als bestimmte Dinge passiert sind, ja noch gar nicht auf der Welt oder zu noch jung waren, um hier Verantwortung zu übernehmen.

Dann sollen sie Geschichte lernen! Junge Menschen haben zwar keine Schuld an dem, was passiert ist, aber die tragen sehr wohl Schuld, wenn sie es nicht wissen wollen. Zu sagen „Da habe ich ja noch gar nicht gelebt“ ist eine Frechheit.

»Dann sollen sie Geschichte lernen! Junge Menschen haben zwar keine Schuld an dem, was passiert ist, aber die tragen sehr wohl Schuld, wenn sie es nicht wissen wollen.«

Das ist reines Abputzen. Aber darin war Österreich immer schon groß. Anderen die Schuld zuzuweisen, das ist eine alte Tradition. Aber das geht nicht mehr. Und wir werden dagegen aufstehen!

Auf eurer Website steht „Ältere Frauen erheben ihre Stimme zu den gefährlichen Problemen“ der heutigen Zeit. Welche sind damit gemeint?

Insgesamt sind es vier Bereiche, die uns wichtig sind: Wir wollen der Aushöhlung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie dem Sozialabbau entgegentreten. Wir wollen der Bevölkerung klarmachen, warum es all das braucht. Verstehen Sie mich nicht falsch – wir sind keine Politiker und haben auch nicht vor eine eigene Partei zu gründen. Wir sind normale Menschen, mit Kindern und Enkelkindern. Wir leben sozusagen an der Basis. Und Bildung ist das Wichtigste für jedes Kind. Hier braucht es finanzielle Unterstützung. Genauso wie bei der Kinderbetreuung. Frauen, die beruflich aktiv sind, brauchen uns Omas.

»Wir kämpfen nicht für uns, sondern für die Jungen«

Darum geht es auch: Wir wollen nichts für uns erkämpfen, sondern für junge Menschen. Die wiederum solidarisieren sich mit uns, weil sie sehen, dass es schön ist, wenn jemand an ihrer Seite steht. Gemeinsam erheben wir unsere Stimme.

Wie wollen die Omas diese Ziele erreichen? Nur mit Demonstrationen?

Nein, nicht nur. Wir planen auch viele andere Aktionen, schreiben Artikel, vernetzen uns. Wir sind noch im Wachsen, schließlich gibt es uns erst seit drei Monaten.

In letzter Zeit kommt öfter der Vergleich zur Nazizeit auf. Wie denken Sie darüber? Muss man wirklich befürchten, dass es wieder so schlimm wird wie damals?

Auf der einen Seite hat die heutige Zeit wenig mit damals zu tun. Auf der anderen Seite gibt es beunruhigende Tendenzen. Man denke nur an die letzten Sager der FPÖ. Das waren keine Versprecher. Das waren bewusst gewählte Worte, die wirken sollten.

»Das ist ein Vokabular, das mit Schrecken an schreckliche Zeiten erinnert.«

Das ist ein Vokabular, das mit Schrecken an schreckliche Zeiten erinnert. Wir sind auch selbst schon angegriffen worden. Wir würden länger leben als wir nützlich sind, hieß es. Gegen diese Sprache wehren wir uns auch. Durch diesen Nazi-Jargon wird Österreich seit 20 Jahren verseucht.

Das heißt die Sprache erinnert Sie an damals?

Die Sprache und der Hass. Viele junge Männer heutzutage denken, sie können die Welt mit Hass neu erfinden. Aber eine Gesellschaft ist durch genau durch das Gegenteil, nämlich durch Gemeinschaft verbunden. Ich will nicht, dass unser Volk durch Hass kaputt wird. Dieses „Wir sind gut und die anderen böse“, auch da kommen Parallelen hoch. Ich bin ja auch Psychologin und ich denke mir dann immer nur, dass diese Leute doch bitte in Therapie gehen sollen. Dieser Hass, das ist ja teilweise schon schwer psychisch-pathologisch, was sich da abspielt.

Können Sie sich erklären, warum die politische Lage heute so ist, wie sie ist?

Er herrscht eine große Angst in der Bevölkerung, weil sie so viel in so schnellem Tempo verändert. Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt und trotzdem - oder gerade deshalb - ist die Angst vor Armut extrem hoch. In der Psychologie nennt sich das „Fear of Falling“ – die Angst nach einem Aufstieg wieder hinunterzufallen. Wenn man dann mit Flüchtlingen konfrontiert wird, manifestiert sich die Angst wieder arm sein zu können. Das ist ein psychischer Prozess.

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Was sagen Ihre Enkel ihrem Aktivismus?

Die sind sehr stolz auf mich. Sie merken, dass es etwas Gutes ist. Auch mein Leben hat sich dadurch verändert. Ich bin glücklich, dass mir so etwas gelungen ist. Und ich kann alles, was ich gelernt habe, besser einsetzen als je zuvor.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?

Mein größter Wunsch wäre es, dass sowohl in die Bildung als auch in die Unterstützung von Familien investiert wird. Dass Frauen endlich einen besseren Status erhalten. Seit mehr als 60 Jahren kämpfen wir um den gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Frauen sind der Rückgrat der Gesellschaft.

»Frauen sind der Rückgrat der Gesellschaft«

Und dann freue ich mich natürlich über alle, die sich mit uns solidarisieren. Und helfen der Politik aufzuzeigen, wo der Schuh drückt. Es gibt viele, die angesichts der aktuellen politischen Lage verzweifelt sind. Dementsprechend gibt es auch viel Potential, gerade bei Älteren. Die FPÖ hat bei der letzten Wahl ja nur etwas über 25 Prozent, das heißt, es gibt immer noch 75 Prozent, die dagegen sind.