Teddy und der Tod der Typen

Thaddäus Podgorski war eine der prägendsten Figuren der gesamten ORF-Geschichte. Der Tod dieses humorvoll unangepasst Widerständigen wirft die Frage auf, ob solch ein Typ heute noch in absolute Spitzenpositionen käme – oder auch: Warum nicht?

von Medien & Menschen - Teddy und der Tod der Typen © Bild: Gleissfoto

„Einer der letzten Typen“, schrieb in berufener Weise Peter Rabl auf X zum Tode von Thaddäus Podgorski. Die wandelnde ORF-Legende wurde erst 2017 für ihr Lebenswerk geehrt. Eine „Hall of Fame“, in die das Fachmagazin „Österreichs Journalist:in“ pro Jahr nur einen Zugang gewährt. Rabl ist der jüngste. Auch ein Typ. So wie es sein zeitweiliger Schwiegervater „Tiger“ Gerd Bacher war, der Lebensgegner von Podgorski, dem kreativen Feuerkopf. Ihre Rivalität prägte ein Vierteljahrhundert lang die Hochblüte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich – als einem der führenden in Europa. Bacher, der Macher und Teddy, der Schöpfer: Besseres konnte dem ORF nicht widerfahren.

Podgorski, der Generalintendant nach und vor seinem Antipoden war, hat Maßstäbe im Fernsehen gesetzt. Von der „Zeit im Bild“ über das „Sport-Panorama“, „Panorama“, „Bundesland heute“ und „Seitenblicke“ bis zu „Universum“ sind TV-Klassiker auf seinem Mist gewachsen. Doch ungeachtet von Führungspositionen blieb der lustvolle Komödiant auch immer ein kritischer, aufsässiger und widerständiger Seiltänzer zwischen Journalistik und Künstlertum. Die historische Antithese zur heute oft beanstandeten Verwässerung der reinen redaktionellen Lehre durch Aktivismus bis Comedy.

Falls Podgorski einer der letzten Typen war und Rabl einer ist, bleibt die Frage, warum sie aussterben. Oder beruht die These auf einer eingeschränkten Sichtweise, die sich an Prototypen ihrer Ära orientiert, aber aktuelle ignoriert? Am Beispiel ORF: Sind Armin Wolf und Hanno Settele nicht auch Typen? Zweifelsohne. Aber zu Generalen werden längst stromlinienförmigere Kaliber befördert: Monika Lindner, Alexander Wrabetz, Roland Weißmann. Der letzte Unbequeme auf dem höchsten Chefposten war Gerhard Weis, der letzte starke Impulsgeber Gerhard Zeiler. Bevor heute jemand wie der unberechenbare Podgorski oder der machtbewusste Bacher an die Spitze käme, wäre wohl eine/r vom Zuschnitt des Verwaltungsjuristen Otto Oberhammer dran. Er verdankte sein Intermezzo als Generaldirektor lediglich dem Konflikt von Bundeskanzler Bruno Kreisky mit dem „Tiger“ im ORF.

Kreisky war auch ein Typ. Sein nicht nur parteilich weit entfernter Nachfolger Karl Nehammer entspricht diesem Fremdbild kaum. Der Exkurs zur Politik zeigt, dass der Typenverlust kein Medienphänomen ist. Obwohl der Start-up-Hype anderes vorgaukelt, sind Ausreißer von der Norm in allen professionellen Bereichen immer noch weniger gefragt. Stattdessen dominieren zusehends Schablonenpersonen. Eine Ursache dafür ist überbordende Regelungswut. Schul- und Studienabbrecher, Aus- und Quereinsteiger haben es zwar leichter denn je, Versäumtes nachzuholen, doch schwerer als zuvor, ohne Ausweise der theoretischen Pflichterfüllung ihre Praxisfähigkeiten zu beweisen. Wie solch Uniformierung von Laufbahnen der viel gefragten Innovation dienen kann, sei dahingestellt.

Ein anderer Grund für den Typenverlust liegt aber ausgerechnet in der Demokratisierung von Unternehmensstrukturen. Klare Aufstiegskriterien und totale Auswahltransparenz statt autoritärer Alleinentscheidungen mögen insgesamt zu mehr Gerechtigkeit führen. Das gilt allerdings vor allem für den Mittelbau. Ein häufiges Merkmal von wahrer Exzellenz ist aber, sich allen Regeln zu widersetzen. Die Möglichkeiten, es trotzdem zu schaffen, werden immer geringer.

Wie sehr das für alle Schaffensbereiche gilt, zeigt auch das aktuelle Lob des Slalomweltcupsiegers Manuel Feller als einem der letzten Typen im Skizirkus. Seine adäquate TV-Würdigung hätte aber Teddy Podgorskis legendäres „Sport-Panorama“ benötigt. Denn um Typen gerecht zu werden, braucht es Typen. Wir werden sie vermissen. Solche wie Podgorski, der in Wien ausgerechnet am Bacherplatz gelebt hat.