Benko bricht noch keinen Zacken aus der "Krone"

Wenn die Immobilienbasis für René Benko bröckelt, ist auch das vergleichsweise kleine Medieninvestment seiner Signa Holding gefährdet. Das wirkt für Österreich geradezu systemrelevant: Denn es sind indirekt 24,5 Prozent der "Kronen Zeitung"

von Medien & Menschen - Benko bricht noch keinen Zacken aus der "Krone" © Bild: Gleissfoto

Der Standort bestimmt den Standpunkt. Der "Spiegel" residiert in Hamburg, 375 Autofahrt-Kilometer entfernt von der Zentrale des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof in Essen, aber fast 1.000 bis zum Sitz der "Kronen Zeitung" in Wien. Europas größtes Nachrichtenmagazin hat für seine jüngste Recherche über René Benko aber weder das Ruhrgebiet noch Österreich besonders auf dem Radar. Es geht vor allem um die weltweiten Immobiliengeschäfte des 45-jährigen Tirolers. "Das Sturmgeschütz der Demokratie" - wie "Spiegel"-Gründer Rudolf Augstein (2002) sein Blatt einst nannte - lässt nun die Medieninvestitionen des Innsbrucker Aufsteigers aus dem Visier. Im Gesamtzusammenhang seiner zig Milliarden schweren Signa Holding sind sie bloß Kleinigkeiten. Aus demokratiepolitischem Austro-Blickwinkel wiegen sie allerdings schwer. Denn Benkos Firmengruppe ist seit bald fünf Jahren indirekt an Österreichs größtem privatem Medienhaus beteiligt. Dazu gehören vor allem die "Krone", der "Kurier" und dessen Magazintitel "profil". Vom Standort in Heiligenstadt sind es knapp 1.000 Kilometer bis zur Funke-Mediengruppe in Essen, nur 20 Autofahrt-Minuten entfernt von Galeria Karstadt Kaufhof, einem der größten Problemfälle im Reich des Immobilieninvestors.

2018 hat Signa 49 Prozent an der WAZ Ausland Holding erworben. Diese Funke-Firma hält neben der Familie Dichand die Hälfte der "Krone" und fast so viel (49,44 Prozent) am "Kurier". Seine Anteilsmehrheit liegt bei Raiffeisen. Benkos Holding wird seitdem Lust auf Übernahme der gesamten WAZ-Beteiligung nachgesagt.

Die "Krone" lässt im Gegenzug kaum noch ein gutes Haar am Selfmademilliardär, der in Österreich mit der Kika-Leiner-Gruppe auch ein Pendant zu seinem deutschen Warenhauskonzern im Portfolio hat. Die Brisanz dieser Auseinandersetzung wird nicht nur durch einen Mitgesellschafter der Signa deutlich, an der neben Benkos Familie (44,49 Prozent) auch jene von Hans Peter Haselsteiner (15 Prozent) beteiligt ist. Im Beirat der Unternehmensgruppe sitzen zudem Susanne Riess-Hahn und Alfred Gusenbauer. Kompakter als durch die mittlerweile eher in der ÖVP verortete Ex-FPÖ-Vizekanzlerin und den geschäftigen Ex-SPÖ-Kanzler lassen sich kaum Netze in die drei wichtigsten Parteien spinnen.

Durchgerechnet wäre das Signa-Paket (24,5 Prozent) deutlich größer als jeder einzelne Dichand-Anteil an der "Krone". Denn Herausgeber Christoph, seine Geschwister Michael und Johanna sowie Mutter Helga verfügen über je 12,5 Prozent. Gründervater Hans Dichand († 2010) hat allerdings beim Einstieg der Deutschen Ende der 1980er-Jahre derart geschickt verhandelt, dass ihm und seiner Familie viel mehr das Sagen blieb, als eine Hälfte-Eigentümerschaft andeutet. Schon bald darauf begannen die nordrhein-westfälischen Partner, dagegen Sturm zu laufen - vor einem Schweizer Schiedsgericht. Die Auseinandersetzungen halten bis heute an. Nahezu durchwegs mit Erfolgen für die Dichands. Alle Aufkaufabsichten zu den jeweils anderen Anteilen scheiterten an den jeweiligen Preisvorstellungen.

Funke hatte einst unter dem Namen "Westdeutsche Allgemeine Zeitung"(WAZ) den mit Hans Dichand im Dauerstreit gelegenen früheren Partner Kurt Falk in der "Krone"-Eigentümerschaft abgelöst. In Österreich blieb unterbelichtet, dass auch das Essener Unternehmen lange durch die Streite seiner beiden Eigentümerfamilien gehandicapt war. Erst 2011 endete der Zwist durch Anteilsaufkauf. 2018 wurde Julia Becker Aufsichtsratsvorsitzende, seit zwei Jahren gehören ihr und ihren Geschwistern Nora Marx und Niklas Wilcke sämtliche Gesellschafteranteile. Benkos Einstieg in die WAZ Ausland Holding fiel also schon in die Phase unter Becker. Sie hat sich mittlerweile enorm profiliert, auch als Gegenspielerin des langjährigen deutschen Verlegerpräsidenten und Axel-Springer-Chefs Mathias Döpfner - des Hauptreferenten der großen Medienenquete von Minister Gernot Blümel. Das war ebenfalls 2018 - und markierte einen Höhepunkt der Springer-Affinität unter Kanzler Sebastian Kurz.

In dieser Gemengelage war es schon eine Sensation, dass im September 2022 Christoph Dichand einem Vortrag von Julia Becker beim European Newspaper Congress in Wien lauschte. Sie wurde aber nicht bloß durch ein Gruppenbild, sondern durch einen programmatischen "Krone"-Artikel mit Becker-Thesen zur Digitalisierung überboten. Tauwetter? Kein Kommentar von beiden Seiten. Die qualitative Veränderung der "Krone" war schon zuvor so augenscheinlich wie ihre Annäherung an Mitbewerber. Innerhalb des gemeinsamen Unternehmens Mediaprint brachen langjährige Fronten zu "Kurier" und "profil" durch einen gemeinsamen "Club 3": statt der gescheiterten Kooperation mit ServusTV eine Bewegtbild-Partnerschaft innerhalb des Konzerns. Sogar zum stärksten Mitbewerber, " Kleine Zeitung", entstanden einst undenkbare konstruktive Beziehungen. Unterdessen trat in Deutschland Döpfner als Präsident der Verleger zurück und Becker mit Funke aus dem Verband aus, während Benkos Probleme mit Galeria Karstadt Kaufhof in der zweiten Insolvenz innerhalb von zwei Jahren gipfelten.

Wenn nun der "Spiegel" auf seinen Titel schreibt: "Der Immobilienkönig hat sich verzockt", ist das also auch ein Aspekt des österreichischen Medien-Monopoly, wo Funke der letzte verbliebene deutsche Mitspieler und die Schweizer TX Group der einzige weitere ausländische Player ist - ausgerechnet mit dem Gratistitel "Heute", an dem Christoph Dichands Ehefrau Eva Dichand ein Viertel besitzt. Doch was wie der Showdown zum Ausstieg des ungeliebten Älplers im Boot wirken hätte können, gerät infolge von Vorfällen der jüngsten Tage nur zu einer weiteren Variablen. Erst platzte der "Club 3" durch unbedachte Schmähungen von "Kurier"-Chefredakteurin Martina Salomon. Das zarte Band der Kooperation ist Vergangenheit. Dann versah die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Eva und Christoph Dichand mit dem Beschuldigtenstatus. Die entsprechenden Ermittlungen zu öffentlichen Anzeigenaufträgen werden lang dauern. Schließlich steckt Raiffeisen in enormen Kalamitäten wegen ihres Russland-Engagements. Die stabilste Konstante in Österreichs größtem privatem Medienhaus ist aktuell der deutsche Fast-Hälfte-Gesellschafter. Und das in einer Phase, in der die Regierung mit umstrittenen Gesetzen den Markt neu reguliert. Die ORF-Novelle vermag dort die Binnenverhältnisse so zu beeinflussen wie das Ende der "Wiener Zeitung" und die Bestimmungen zu Inseratentransparenz und journalistischer Qualitätsförderung, die vorerst noch eine Beihilfenhürde der EU nehmen muss.

Die tieferen Absichten von Benko und seinen Investorenpartnern hinter dem für sie vergleichsweise überschaubaren Medienengagement lassen sich nur vermuten. Sie könnten aber banaler sein als die befürchtete politische Einflussnahme. "Krone", "Kurier" und ihre Mediaprint verfügen über ein österreichweites Vertriebsnetz. Diese sogenannte "letzte Meile" bis zur Wohnungstür entscheidet immer noch mehr über den Erfolg im Warenverkauf. Das gilt auch für seine digitale Komponente, den Onlinehandel, in dem Signa etwa mit den Sports-United-Webshops immer stärker vertreten ist.

Wenn der "Spiegel" fragt: "Platzt die Benko-Blase?", meint er die Grundlage des Unternehmens, das Immobiliengeschäft. Sollte nach den Schwierigkeiten mit Galeria Karstadt Kaufhof auch diese Basis brüchig werden, steht zudem das Zeitungsinvestment zur Diskussion. Das würde all jene beruhigen, die nach Dietrich Mateschitz († 2022), seinem Red Bull Media House und ServusTV in René Benko den nächsten Milliardär befürchten, der sich ein Austro-Medienreich von demokratiepolitischer Relevanz zulegt. Bei ihm aber weniger von eigenen, rechten Ansichten getragen als von opportuner Parteinähe. Seine Affinität zu Kurz ist so offensichtlich, wie dessen Hang zu Springer und seinen Flaggschiffen "Bild" und "Welt" es war. Ein Schlüssel für die Entwicklung der Eigentumsverhältnisse bei "Krone" und "Kurier" liegt jedoch in Essen. Funke wechselt 2024 den Geschäftsführer seiner Österreich-Beteiligung. Der harte Sanierer Michael Tillian gilt als gesetzt. Dafür fehlt aber eine offizielle Bestätigung - wie für so vieles rund um Benko, die Dichands und auch Becker. Medien machen ihr Dahinter selten transparent.