Aber jetzt, aber wirklich

Es steht immer "viel auf dem Spiel". Und für irgendwen ist es immer eine "Schicksalswahl". Nur um echte Veränderungen, um die geht es bei Wahlen selten bis nie.

von Kathrin Gulnerits © Bild: News/Matt Observe

Wenn nicht jetzt, wann sollen dann die ganz großen Versprechungen auf den Tisch gelegt werden? Blumig verpackt und immer ein bisschen über das Ziel hinausschießend, aber mit allen Verlockungen, von denen man meint, dass sie Wähler hören wollen -etwa jene, die auf die teilweise recht brachliegende Familienpolitik nicht gut zu sprechen sind. Genau jetzt soll also Niederösterreich zum "Mutterland moderner Familienpolitik" werden. Und weil die anderen das auch können, was die gerade wahlkämpfende Johanna Mikl-Leitner kann, wollen die demnächst wahlkämpfenden Landeshauptleute in Kärnten und Salzburg dem in nichts nachstehen. Im Gegenteil. Kleinere Kindergartengruppen, bessere Bezahlung und noch ein bisschen mehr verspricht Peter Kaiser. Schließlich soll Kärnten zur "kinderfreundlichsten Region Europas" werden, wenn die Wähler ihm im März weiter das Vertrauen schenken. Und auch in Salzburg hat man ganz klare Vorstellungen davon, wie Familienpolitik aussehen könnte. Nach dem Urnengang freilich. "Wir müssen auf unsere Familien schauen. Die stöhnen auf, gerade in der Kinderbetreuung geht sich das für viele nicht aus", hat soeben Wilfried Haslauer festgestellt, der sich im April der Wiederwahl stellt. Er ist seit 2013 Landeshauptmann von Salzburg. Wahlkampfzeiten sind merkwürdige Zeiten. Viele Wohlfühltermine mit besonders viel inszenierter Authentizität, viel Pathos und noch mehr inhaltslose Slogans: "Eine Frau an der Spitze" wird etwa bis Sonntag noch in Niederösterreich plakatiert. Und weil immer gerade wer in diesem Land wahlkämpft, geistern auch immer irgendwelche Versprechungen durch das Land. Es geht in Dauerschleife immer und überall um eine "sichere, saubere und gerechte" Politik und es soll immer alles "besser werden". Zählbare Ergebnisse gibt es weniger, auch wenn immer "viel auf dem Spiel steht". Auch wenn es meistens eine "Schicksalswahl" ist. Auch wenn immer von "wir" gesprochen wird, aber oft nur die anderen gemeint sind.

»Eine schöne Illusion: Politik ohne ständig auf Wahlen oder Umfragen zu schielen«

Das Problem: Gewählt wird gefühlt ständig. Sind die Landtage im Frühjahr abgehakt, werden spätestens ab Herbst die 2024 anstehenden Nationalratswahlen ihre Schatten vorauswerfen. Dauerlähmung durch Dauerwahlkampf. Wie würde wohl dieses Land florieren und funktionieren, wenn nicht gerade irgendwer auf irgendwen Rücksicht nehmen müsste? Wie wäre es, wenn es echte Führung gäbe, nicht die ständige Furcht vor Wahlen? Wenn für das Wettrennen um Zuspruch und Wählergunst nicht jedes Mittel recht sein müsste. Wenn nicht die Frage "Wer liegt vorne?", sondern die Beschäftigung mit Sachthemen -auch in den Medien - wieder das Geschehen bestimmt.

Ein Landeshauptmann müsste dann nicht betonen, dass er "wie ein Normaler" Eis löffelt. Niemand müsste laut und ohne Not in Niederösterreich nach härteren Strafen für Klimakleber rufen, wohl wissend, dass Verschärfungen nicht Landessache sind. Es müsste auch kein roter Politiker mit Hilfe eines Fake-Werbeplakats um Aufmerksamkeit betteln, um endlich in den Fokus der Berichterstattung zu kommen. Der "rote Hanni" Franz Schnabl könnte sich einfach auf eine glaubwürdige Vermittlung sozialdemokratischer Politik konzentrieren. Das allein wäre in Zeiten wie diesen wichtig.

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