Wenn es kräftig weht, ist die Stimmung in der E-Fuels-Pilot anlage "Haru Oni" ganz ausgelassen. Und es bläst in Patagonien an der Südspitze Chiles fast immer ein kräftiger Wind. Das ist ja auch der Grund, warum Porsche und Siemens gemeinsam mit weiteren Partnern diese Versuchsanlage gebaut haben. Denn zur Erzeugung von synthetischem Kraftstoff muss "Wind geerntet werden", wie es die Ingenieure in "Haru Oni" salopp formulieren. Der dadurch hergestellte Strom muss aus einer regenerativen Energiequelle wie eben Wind oder Sonne stammen. "Nur mit grünem Strom erzeugte synthetische Treibstoffe leisten ihren Beitrag zur Erreichung unserer Klimaziele", bestätigt Christian Beidl, gebürtiger Steirer, der aber an der TU Darmstadt das Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe leitet.
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Für den mehrstufigen Prozess, um E-Fuels zu gewinnen, braucht man nur Strom, Wasser und aus der Luft entnommenes Kohlendioxid (CO2), das im Motor wieder verbrannt wird. Allerdings wird bei der Verbrennung nur jenes CO2 freigesetzt, das vorher der Atmosphäre weggenommen wurde.
E-Fuels haben unter Autofahrern einen wahren Glaubenskrieg ausgelöst. Die einen halten sie für die rettende Alternative zur Elektromobilität, Klimaschützer für eine Mogelpackung. Der TU-Professor stellt im News-Gespräch nachdrücklich fest, "dass sich E-Fuels nicht gegen batterieelektrische Antriebe stellen. Es sind zwei sich ergänzende Technologiepfade."

Synthetische Kraftstoffe gelten als erfolgversprechende Alternative zur E-Mobilität. Können also E-Fuels tatsächlich den Weg zur Klimaneutralität ebnen?
Ich vermeide den Begriff Alternative, denn der wird oft missinterpretiert. Ich stelle mich entschieden gegen die Polarisierung zwischen E-Mobilität und Alternativen, weil sie den Weg zur Klimaneutralität behindert. Also verwende ich lieber den Begriff: Es ist ein zwingend notwendiger, ergänzender Technologiepfad. Es wird nicht möglich und auch nicht sinnvoll möglich sein, alles mit batterieelektrischen Antrieben abzudecken.
Wie dann werden wir die von der EU geforderten Klimaziele erreichen?
Die derzeitigen europäischen Rahmenbedingungen setzen voll auf E-Mobilität. Das bedeutet aber nicht, dass wir deshalb schneller unsere Klimaziele erreichen. Das ist damit überhaupt nicht gesagt, im Gegenteil. Wir haben es hier mit einer Technologie zu tun, in der sich die Systemgrenzen verschieben. Das wird oft übersehen. Wenn man von Verkehrswende oder Antriebswende spricht, dann setzt sich in den Köpfen der Menschen fest, dass wir jetzt den Verbrennungsmotor durch den E-Motor ersetzen. Aber darum geht es nicht.
Das müssen Sie bitte genau erklären.
Das System, in dem ein Fahrzeug mit einem überall verfügbaren Kraftstoff mit hoher Energiedichte betrieben werden kann, bietet eine hoch verfügbare, selbstbestimmte Mobilität, weitgehend unabhängig von anderen Energiesystemen, autonom und resilient. Wenn wir Mobilität in das Energiesystem Strom verschieben, ändert sich das grundlegend, da Strom schlecht gespeichert werden kann. Das heißt, wir verlagern die Komplexität in die Infrastruktur, schaffen neue Systemgrenzen und Abhängigkeiten und belasten zusätzlich das elektrische Netz.
Dann haben Sie sicher einen probaten Ansatz zur Senkung der Emissionen?
Emissionen haben mit Klimawirksamkeit nichts zu tun, sondern da geht es um Bilanzen. Und nur weil ein E-Fahrzeug lokal emissionsfrei unterwegs ist, bedeutet das ja nicht, dass es klimaneutral ist. Langer Rede kurzer Sinn: Es geht bei der Frage, was uns in Zukunft antreibt, nicht um die Motoren, sondern es geht um das Energiesystem. Das ist eine Schlüsselaussage.
Und auf welche Art soll dieses System künftig Motoren antreiben?
Elektrische Fahrzeuge sind unschlagbar, wenn ich an Ort und Stelle, also dort, wo ich es brauche, die geeignete und jederzeit verfügbare Stromversorgung habe. Idealweise noch regenerativ, davon sind wir zwar heute noch weit weg, aber betrachten wir es als Zielsetzung. Damit ist der Pfad ja gesetzt und macht für viele Anwendungen Sinn. Jetzt bleibt die Frage, wie viele Anwendungen in einem freien Volumenmarkt nicht diese Voraussetzungen haben und mit dem Energiesystem Kraftstoff einfach besser bedient sind. Und genau dafür brauchen wir die E-Fuels.
Sie denken, dass wir noch auf lange Zeit auf unterschiedliche Energiesysteme setzen werden müssen?
Es gibt eine Vielzahl von Anwendungen, wo es einfach keinen Sinn macht, nur elektrisch zu fahren. Und genau deshalb liegt in unterschiedlichen Energiesystemen ein großer Mehrwert.
Aber wie sonst werden wir die Energiewende schaffen, und zwar schnell?
Wir hören immer wieder: Wir müssen schnell etwas fürs Klima tun und deswegen schneller mit der Elektromobilität hochfahren, aber das ist ein Denkfehler. Interessanterweise sind sich alle wissenschaftlichen Studien einig. Wenn wir zu schnell hochfahren, dann ist das schlecht für das Klima, weil wir derzeit noch keine Life-Cycle-Randbedingungen haben, die günstige Rahmenbedingungen für Elektromobilität schaffen. Wir haben hoch energieintensive kohlestrombetriebene Batteriefertigung in China. Wir haben einen Strommix, der alles andere als regenerativ ist. Wir müssen viel in Strominfrastruktur investieren usw. Das heißt, wenn wir heute zu schnell hochfahren, dann ist das eine zusätzliche Belastung für das CO2-Budget. Hätten wir hingegen mehr E-Fuels, wäre das in der bestehenden Flotte sofort wirksam.
Eigentlich sollte das ja eine technologieoffene Politik sein. Aber dieses "Elektro, Elektro und sonst gar nichts" hat schon planwirtschaftliche Auswirkungen.
Die Politik hat dieses Narrativ aufgebaut, dass sie eine Lösung für das Klimaproblem hat: Wir steigen um auf E-Mobilität. Was hören die Kinder heute in der Schule? Also, wenn du was fürs Klima tun möchtest: nicht mit dem Auto fahren. Dazu kommt, dass wir mit Begriffen wie "Dekarbonisierung" und "emissionsfrei" das eigentliche Ziel, den Klimaschutz, aus den Augen verlieren. Denn es geht um Ausstieg aus fossilen Energien - Defossilisierung - und geschlossene CO2-Kreisläufe.
Wurden diese Begriff nicht von der Politik bewusst, aber ohne großes Background- Know-how in Umlauf gebracht?
Sie finden noch heute auf offiziellen Webseiten eines Umweltministeriums, dass emissionsfrei mit klimaneutral gleichgesetzt wird. Da haben wir ein echtes Problem.
Aber da gibt es ja noch, für die Autofirmen essenziell wichtig, die sogenannten Flottenemissionsziele. Wie will man die erreichen?
Die beziehen sich auf diese Tank-to-Wheel-Systematik. Also muss es emissionsfrei sein. Nun kann ein Fahrzeug, das mit einem Verbrennungsmotor angetrieben wird und regenerativ hergestellte E-Fuels verwendet, zwar klimaneutral betrieben werden, aber prinzipbedingt nicht emissionsfrei. Die Hersteller sind also politisch gezwungen, über diese Flottenziele auf jeden Fall batterieelektrische Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Problematisch ist jedoch, dass Käufer bzw. Bürger in diesen Zielsetzungen kaum vorkommen. Wir wissen heute einfach nicht, wie sich der Markt entwickeln wird und was Bürger erleben, wenn eine Technologie erst mal in den Volumenmarkt hinein muss. Elektromobilität ist gerade erst an der Schwelle zum Volumenmarkt, da wird es noch viele Überraschungen geben.
Welche Rolle werden künftig E-Fuels spielen? Werden wir in Zukunft eine eigene Zapfsäule für diese synthetischen Kraftstoffe haben oder ist das Zukunftsmusik?
Nein, ich glaube, das ist überhaupt nicht Zukunftsmusik. Was wir derzeit noch nicht haben, sind große Mengen. Das liegt auch daran, dass man die letzten Jahre nichts in diese Richtung unternommen hat, um es einfach auf den Punkt zu bringen. Hier ist jedoch enorm viel Bewegung drinnen.
Werden künftig nur mehr finanziell potente Bürger Auto fahren können?
Ganz, ganz simpel gesagt: Die Grenzkosten von rohölbasiertem Kraftstoff, der aus der Erde gepumpt wird, sind unschlagbar billig. Es gibt keinen einzigen alternativen Kraftstoff, der bezüglich der Herstellungskosten auch nur in die Nähe kommt.
Momentan würde ein Liter E-Fuel vier Euro fünfzig kosten. Ist das günstig?
Das sind Kosten, die aus Studien kommen, in denen man rückblickend Literatur wälzt. Das ist nicht zielführend, denn die haben nichts mit den Kosten zu tun, die eine Firma ansetzen würde, die in großem Maßstab produziert. Aramco zum Beispiel hat angekündigt, um 80 Cent produzieren zu können. Kostenmäßig gibt es kein Kontraargument. Auch mittel- und langfristig nicht.
Gegen E-Fuels spricht der geringere Wirkungsgrad von der Herstellung bis zum Antrieb des Fahrzeugs. Was braucht man, um den wieder auszugleichen? Wieder regenerativen Strom?
Es geht bei E-Fuels um die Erschließung zusätzlicher regenerativer Energiequellen, die wir sonst gar nicht nutzen könnten, insofern ist der Wirkungsgradvergleich nur bedingt sinnvoll. Interessant ist darüber hinaus, dass der tatsächliche Wirkungsgradunterschied wesentlich kleiner ist, als üblicherweise angeführt wird. Bezieht man nämlich die höhere Ertragseffizienz bevorzugter Produktionsstandorte im Sonnen-oder Windgürtel der Erde mit ein und vergleicht den heutigen Stand der Technik unter Realfahrbedingungen, wird der Unterschied vernachlässigbar klein. Und für alle, die mit ihren heutigen Fahrzeugen etwas Gutes fürs Klima tun möchten, die vermutlich wichtigste Botschaft: Fahrzeuge, die mit klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden, haben den niedrigsten CO2-Footprint aller heute bekannten Technologien.
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Zum Thema Wirkungsgrad: Funktioniert ein mit E-Fuels betriebener Verbrennungsmotor gleich effizient wie ein mit herkömmlichem Treibstoff betriebener?
Einfache erste Antwort: ja. 100 Prozent gleich. Zusätzlich gibt es Potenzial für eine Wirkungsgradsteigerung.
Also kein Leistungsverlust?
Nein, weil wir sprechen jetzt von E-Fuels, die normkompatibel sind.
Also könnte man auch einen alten Golf mit E-Fuel betanken?
Ja. Das ist eine ganz wichtige, fundamentale Botschaft, Da war Porsche Vorreiter. Porsche hat viel Entwicklungsarbeit hineingesteckt, um zu erforschen: Wie müssen die Kraftstoffe spezifiziert sein, dass sie nicht nur die Norm erfüllen, sondern auch einen 30 Jahre alten Porsche betreiben lassen? Das ist abgesichert und da kann man davon ausgehen.
Wann werden wir in signifikanten Größen an den Tankstellen in Deutschland und in Österreich E-Fuels verfügbar haben?
Ehrlicherweise muss ich sagen, ich bin kein Prophet. Ich kann das nur relativ beantworten. Wenn Sie mir die Frage vor einem Jahr gestellt hätten, hätte ich gesagt, auf zehn Jahre hinaus nicht nennenswert. Wenn Sie mir die Frage heute stellen, sage ich, in fünf Jahren werden wir da ordentlich etwas sehen. Und zwar deshalb, weil sich zwei Dinge verschoben haben. Wir haben in den letzten Monaten ein völlig anderes Verständnis von unserem Energiesystem entwickelt. Auch in der Politik, auch beim Bürger. Und wir haben ein völlig anderes Preisgefüge. In vielen Ländern Europas kann man heute schon reststoffbasierte, praktisch klimaneutrale Kraftstoffe tanken, das ist ein erster Schritt.
Werden wir in x Jahren noch Autos mit Verbrennungsmotor fahren?
Sehen Sie es vom Energiesystem her. Auch 2035 brauchen wir in unserem Energiesystem Kraftstoffe. Aus Redundanzgründen, aus Flexibilitätsgründen, aus vielen Gründen.
Es sollen in Deutschland noch rund 50 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor fahren. Was passiert mit denen? Werden die alle verschrottet?
Das ist nicht vorstellbar, und ich glaube, dass diese Maßnahme auch bei den Bürgern keine Akzeptanz finden würde. Ich bin sicher, dass es politisch ganz geschickt ist, sich da eine Option offenzuhalten, Lösungen für ein zukünftiges nichtfossiles, aber kraftstoffbasiertes System vorzuhalten. Was wäre denn die Alternative? Die Alternative wäre wohl, dass wir zu Tausenden Ausnahmeregelungen kämen.
Ganz simpel: Was spricht gegen E-Fuels?
Ganz sicher nicht die Klimawirksamkeit, die ist gesetzt. Ich fürchte, es ist eine ideologische Diskussion, vielleicht ein Festklammern am schönen, aber trügerischen Narrativ der rein elektrischen Zukunft. Wenn wir das Thema Klima ernst nehmen, können wir es uns nicht leisten, auf diesen wichtigen Baustein im Energiesystem zu verzichten.
Gilt in Ihrem Wertesystem Elektrizität auch als Kraftstoff?
Nein. Elektrizität ist ein Energieverteilungssystem, kein Energieträger. Deshalb müssen wir für mobile Anwendungen den teuren und schweren Weg der Batterien gehen. Für das Speichern von größeren Energiemengen brauchen wir aber Energieträger. Das kann in Zukunft zunehmend grüner Wasserstoff sein, der ja auch für E-Fuels die Basis bildet. Betrachtet man das Gesamtsystem, wird ein großer Anwendungsbereich überbleiben, in dem wir Kraftstoffe brauchen. Damit bleibt die Frage, wie wir flexibel flüssige oder auch gasförmige Kraftstoffe in mechanische Arbeit bei einem systemisch gesehen hohen Wirkungsgrad umsetzen können. Das kann der Verbrennungsmotor.
Wenn Ihnen jemand unterstellt, Sie wollen ja nur den Verbrennungsmotor retten, wie reagieren Sie?
Dann sag ich: "Nein, will ich nicht." Ich spiel den Ball zurück und sage: "Nennen Sie mir für 2035 eine Alternative, die mit dem Energiesystem Kraftstoff umgehen kann." Ganz einfach.
Wie können wir die von Politik, Umweltorganisationen und sogar Autoherstellern postulierten Klimaziele erreichen?
Nur wenn wir uns ehrlich machen und beginnen, ganzheitlich zu denken, die Bemessungsgrundlage zumindest auf Life-Cycle-Analyse zu stellen, und mehrere Technologiepfade zulassen und diese Vielfalt auch fördern. Hinsichtlich der Ziele selbst gibt es übrigens großen Konsens. Aber wir müssen umsetzbare Lösungen finden und mit unseren Aktivitäten und Know-how globale Wirksamkeit erzielen, sonst haben wir nichts gekonnt.
Last but not least: Welcher Pfad wird für E-Fuels der richtige sein?
Wir sollten alles daransetzen, Hersteller darin zu bestärken, schnell und mutig in den dafür geeigneten Regionen der Welt die Produktion klimaneutraler Kraftstoffe hochzufahren. Den Markt wird es geben. Erlauben Sie mir noch einen Nachsatz, der mir sehr wichtig ist. In vielen Diskussionen entsteht der Eindruck, dass E-Fuels als Bedrohung für die Elektromobilität gesehen werden. Nun untersuchen wir in unseren Forschungsarbeiten die gesamte Bandbreite zukünftiger Antriebssysteme, und ich bin persönlich zur Überzeugung gelangt, dass das Gegenteil der Fall ist.
Und zwar aus dem einfachen Grund, weil wir damit diesen politisch vorgegebenen nicht haltbaren Druck aus der Elektromobilität herausnehmen, 100 Prozent des Marktes abzudecken. Das ist Unsinn, und die Gefahr, dass es krachend an die Wand fährt, ist groß. Wenn wir realistisch sagen, es gibt ganz viele ganz tolle Anwendungen, wo man diesen Wirkungsgradvorteil von E-Antrieben nutzen kann, wo das technisch super ist, weil leise und angenehm und sauber, und wir damit 50 Prozent vom Markt erreichen, perfekt. Dann habe ich aber trotzdem mit E-fuels etwas fürs Klima getan. Weil meiner Meinung nach E-Fuels das Beste sind, was wir tun können, um auch die Elektromobilität stabil hochzufahren.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 06/2023 erschienen.