E-Fuels: Wie nachhaltig synthetische Kraftstoffe sind [Experten-Interview]

Der Maschinenbauingenieur Christian Beidl ist zwar Steirer, lehrt aber an der TU Darmstadt, wo er Wirkung und Umweltverträglichkeit von allen Antrieben, besonders von synthetischen Kraftstoffen, untersucht. E-Fuels gelten als Alternative zu fossilen Brennstoffen und auch zu E-Antrieben.

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Symbolbild: Synthethischer Kraftstoff wird im Labor hergestellt. © Bild: iStockphoto.com/FabrikaCr

Inhaltsverzeichnis

Was versteht man unter E-Fuel?

E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe. Für deren Gewinnung braucht man nur Strom, Wasser und aus der Luft entnommenes Kohlendioxid (CO2), das im Motor wieder verbrannt wird. Allerdings wird bei der Verbrennung nur jenes CO2 freigesetzt, das vorher der Atmosphäre entnommen wurde.

E-Fuels haben unter Autofahrern einen wahren Glaubenskrieg ausgelöst. Die einen halten sie für die rettende Alternative zur Elektromobilität, Klimaschützer für eine Mogelpackung. Der TU-Professor stellt im News-Gespräch nachdrücklich fest, "dass sich E-Fuels nicht gegen batterieelektrische Antriebe stellen. Es sind zwei sich ergänzende Technologiepfade."

Sind E-Fuels eine Alternative zur E-Mobilität?

Ich vermeide den Begriff Alternative, denn der wird oft missinterpretiert. Ich stelle mich entschieden gegen die Polarisierung zwischen E-Mobilität und Alternativen, weil sie den Weg zur Klimaneutralität behindert. Also verwende ich lieber den Begriff: Es ist ein zwingend notwendiger, ergänzender Technologiepfad. Es wird nicht möglich und auch nicht sinnvoll möglich sein, alles mit batterieelektrischen Antrieben abzudecken.

Können wir mit dem Elektro-Auto & Co. die Klimaziele erreichen?

Die derzeitigen europäischen Rahmenbedingungen setzen voll auf E-Mobilität. Das bedeutet aber nicht, dass wir deshalb schneller unsere Klimaziele erreichen. Das ist damit überhaupt nicht gesagt, im Gegenteil. Wir haben es hier mit einer Technologie zu tun, in der sich die Systemgrenzen verschieben. Das wird oft übersehen. Wenn man von Verkehrswende oder Antriebswende spricht, dann setzt sich in den Köpfen der Menschen fest, dass wir jetzt den Verbrennungsmotor durch den E-Motor ersetzen. Aber darum geht es nicht.

Das System, in dem ein Fahrzeug mit einem überall verfügbaren Kraftstoff mit hoher Energiedichte betrieben werden kann, bietet eine hoch verfügbare, selbstbestimmte Mobilität, weitgehend unabhängig von anderen Energiesystemen, autonom und resilient. Wenn wir Mobilität in das Energiesystem Strom verschieben, ändert sich das grundlegend, da Strom schlecht gespeichert werden kann. Das heißt, wir verlagern die Komplexität in die Infrastruktur, schaffen neue Systemgrenzen und Abhängigkeiten und belasten zusätzlich das elektrische Netz.

CO2-Emissionen senken mit E-Fuels?

Emissionen haben mit Klimawirksamkeit nichts zu tun, sondern da geht es um Bilanzen. Und nur weil ein E-Fahrzeug lokal emissionsfrei unterwegs ist, bedeutet das ja nicht, dass es klimaneutral ist. Langer Rede kurzer Sinn: Es geht bei der Frage, was uns in Zukunft antreibt, nicht um die Motoren, sondern es geht um das Energiesystem. Das ist eine Schlüsselaussage.

Warum geht es nicht ohne E-Fuels?

Elektrische Fahrzeuge sind unschlagbar, wenn ich an Ort und Stelle, also dort, wo ich es brauche, die geeignete und jederzeit verfügbare Stromversorgung habe. Idealweise noch regenerativ, davon sind wir zwar heute noch weit weg, aber betrachten wir es als Zielsetzung. Damit ist der Pfad ja gesetzt und macht für viele Anwendungen Sinn. Jetzt bleibt die Frage, wie viele Anwendungen in einem freien Volumenmarkt nicht diese Voraussetzungen haben und mit dem Energiesystem Kraftstoff einfach besser bedient sind. Und genau dafür brauchen wir die E-Fuels.

Warum reicht Elektromobilität alleine nicht aus?

Es gibt eine Vielzahl von Anwendungen, wo es einfach keinen Sinn macht, nur elektrisch zu fahren. Und genau deshalb liegt in unterschiedlichen Energiesystemen ein großer Mehrwert.

Wir hören immer wieder: Wir müssen schnell etwas fürs Klima tun und deswegen schneller mit der Elektromobilität hochfahren, aber das ist ein Denkfehler. Interessanterweise sind sich alle wissenschaftlichen Studien einig. Wenn wir zu schnell hochfahren, dann ist das schlecht für das Klima, weil wir derzeit noch keine Life-Cycle-Randbedingungen haben, die günstige Rahmenbedingungen für Elektromobilität schaffen. Wir haben hoch energieintensive kohlestrombetriebene Batteriefertigung in China. Wir haben einen Strommix, der alles andere als regenerativ ist. Wir müssen viel in Strominfrastruktur investieren usw. Das heißt, wenn wir heute zu schnell hochfahren, dann ist das eine zusätzliche Belastung für das CO2-Budget. Hätten wir hingegen mehr E-Fuels, wäre das in der bestehenden Flotte sofort wirksam.

Die Politik hat dieses Narrativ aufgebaut, dass sie eine Lösung für das Klimaproblem hat: Wir steigen um auf E-Mobilität. Was hören die Kinder heute in der Schule? Also, wenn du was fürs Klima tun möchtest: nicht mit dem Auto fahren. Dazu kommt, dass wir mit Begriffen wie "Dekarbonisierung" und "emissionsfrei" das eigentliche Ziel, den Klimaschutz, aus den Augen verlieren. Denn es geht um Ausstieg aus fossilen Energien - Defossilisierung - und geschlossene CO2-Kreisläufe.

Welche Rolle werden E-Fuels künftig spielen?

Was wir derzeit noch nicht haben, sind große Mengen an E-Fuels. Das liegt auch daran, dass man die letzten Jahre nichts in diese Richtung unternommen hat, um es einfach auf den Punkt zu bringen. Hier ist jedoch enorm viel Bewegung drinnen.

Wie viel kostet 1 Liter E-Fuel?

Bei einem Preis etwa von 4,50 Euro pro 1 Liter E-Fuel handelt es sich um Kosten, die aus Studien kommen, in denen man rückblickend Literatur wälzt. Das ist nicht zielführend, denn die haben nichts mit den Kosten zu tun, die eine Firma ansetzen würde, die in großem Maßstab produziert. Aramco zum Beispiel hat angekündigt, um 80 Cent produzieren zu können. Kostenmäßig gibt es kein Kontraargument. Auch mittel- und langfristig nicht.

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Funktioniert ein mit E-Fuels betriebener Verbrennungsmotor gleich effizient wie ein mit herkömmlichem Treibstoff betriebener?

Ja. 100 Prozent gleich. Zusätzlich gibt es Potenzial für eine Wirkungsgradsteigerung. Einen Leistungsverlust gibt es nicht, weil wir sprechen jetzt von E-Fuels, die normkompatibel sind.

Kann man jedes Auto mit E-Fuel betanken?

Ja. Porsche hat viel Entwicklungsarbeit hineingesteckt, um zu erforschen: Wie müssen die Kraftstoffe spezifiziert sein, dass sie nicht nur die Norm erfüllen, sondern auch einen 30 Jahre alten Porsche betreiben lassen? Das ist abgesichert und da kann man davon ausgehen.

Ab wann kann man E-Fuel tanken?

Wenn Sie mir die Frage vor einem Jahr gestellt hätten, hätte ich gesagt, auf zehn Jahre hinaus nicht nennenswert. Wenn Sie mir die Frage heute stellen, sage ich, in fünf Jahren werden wir da ordentlich etwas sehen. Und zwar deshalb, weil sich zwei Dinge verschoben haben. Wir haben in den letzten Monaten ein völlig anderes Verständnis von unserem Energiesystem entwickelt. Auch in der Politik, auch beim Bürger. Und wir haben ein völlig anderes Preisgefüge. In vielen Ländern Europas kann man heute schon reststoffbasierte, praktisch klimaneutrale Kraftstoffe tanken, das ist ein erster Schritt.

Was spricht gegen E-Fuels?

Ganz sicher nicht die Klimawirksamkeit, die ist gesetzt. Ich fürchte, es ist eine ideologische Diskussion, vielleicht ein Festklammern am schönen, aber trügerischen Narrativ der rein elektrischen Zukunft. Wenn wir das Thema Klima ernst nehmen, können wir es uns nicht leisten, auf diesen wichtigen Baustein im Energiesystem zu verzichten.

» E-Fuels sind das Beste, um auch die Elektromobilität hochzufahren«

Sind E-Fuels eine Bedrohung für das Elektro-Auto & Co.?

In vielen Diskussionen entsteht der Eindruck, dass E-Fuels als Bedrohung für die Elektromobilität gesehen werden. Nun untersuchen wir in unseren Forschungsarbeiten die gesamte Bandbreite zukünftiger Antriebssysteme, und ich bin persönlich zur Überzeugung gelangt, dass das Gegenteil der Fall ist.

Und zwar aus dem einfachen Grund, weil wir damit diesen politisch vorgegebenen nicht haltbaren Druck aus der Elektromobilität herausnehmen, 100 Prozent des Marktes abzudecken. Das ist Unsinn, und die Gefahr, dass es krachend an die Wand fährt, ist groß. Wenn wir realistisch sagen, es gibt ganz viele ganz tolle Anwendungen, wo man diesen Wirkungsgradvorteil von E-Antrieben nutzen kann, wo das technisch super ist, weil leise und angenehm und sauber, und wir damit 50 Prozent vom Markt erreichen, perfekt. Dann habe ich aber trotzdem mit E-Fuels etwas fürs Klima getan. Weil meiner Meinung nach E-Fuels das Beste sind, was wir tun können, um auch die Elektromobilität stabil hochzufahren.

Zur Person

Christian Beidl beschäftigt sich mit allen Antrieben von Elektro bis E-Fuels.
© Julian Russart Christian Beidl beschäftigt sich mit allen Antrieben von Elektro bis E-Fuels

Christian Beidl wurde am 10. Oktober 1961 in Graz geboren und studierte nach seiner Schulausbildung in Steyr an der TU Graz Maschinenbau. Er arbeitete dort am Institut für Verbrennungsmaschinen, promovierte 1992 zum Thema Motorakustik. Von 1993 bis 2008 war er bei AVL List GmbH zunächst als Produktmanager, dann als Leiter Motorenmesstechnik. Seit 2008 ist er an der TU Darmstadt Inhaber des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen und Leiter des gleichnamigen Instituts.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 06/2023 erschienen.