So gefährlich sind
Paleo, Veganismus & Co.

Diäten haben immer Saison. Doch was steckt eigentlich hinter diesen ganzen Methoden? Halten Paleo, die ketogene Diät und Clean Eating auch tatsächlich, was sie versprechen? Wir befragten die Ernährungsexpertin Angelika Kirchmaier.

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Diäten - So gefährlich sind
Paleo, Veganismus & Co.
Angelika Kirchmaier, eine der bekanntesten Ernährungsexpertinnen Österreichs, ist mehrfache Bestsellerautorin und Preisträgerin des internationalen Gourmand World Cookbook Awards. Kirchmaier ist u.a. als klinische Ernährungsmedizinerin, Diaetologin und Gesundheitswissenschafterin tätig. Sie betreibt eine ernährungstherapeutische Praxis im Bezirk Kitzbühel/Tirol und hält Vorträge u.a. an Fachhochschulen und in Unternehmen.
Angelika Kirchmaier
© Foto Trinkl

Paleo

Wir leben nicht mehr in der Steinzeit. Folglich sollten wir uns auch nicht so ernähren. "Der Mensch hat sich im Laufe der Jahrtausende verändert - und damit auch seine Ernährungsweise", erklärt Kirchmaier. Und dennoch gibt es den einen oder anderen Anhänger der Steinzeit-Diät, auf dessen Teller lediglich jene Lebensmittel landen, von denen man annimmt, dass sie schon in grauer Vorzeit gegessen wurden - wie Gemüse, Nüsse, Meeresfrüchte, Schalentiere, Eier, Kräuter, Pilze - und jede Menge Fleisch.

»Die ganz groben Probleme treten aber erst Jahre später auf«

"Man nimmt viel zu viele gesättigte Fettsäuren, Eiweiß und Purine zu sich", warnt die Expertin. Dabei dürfe man nicht vergessen, dass sich die Qualität des Fleisches freilaufender Tiere von der jener unterscheidet, die ein Dasein in der Massentierhaltung fristen. Gleichzeitig kommen die für Energiehaushalt und Nerven so wichtigen Kohlenhydrate zu kurz. "Die ganz groben Probleme treten aber erst Jahre später auf", wie beispielsweise Gicht, Rheuma, Störungen im Fettstoffwechsel und Übergewicht.

Ketogene Diät

Ursprünglich für Patienten mit therapieresistenter Epilepsie und einer großen Anzahl an Anfällen entwickelt, sollte diese Diät der Expertin zufolge nur unter ärztlicher Aufsicht im Krankenhaus und nie im Alleingang zuhause durchgeführt werden. Ziel der ketogenen Diät ist es, auf Kohlenhydrate so weit als möglich zu verzichten. "Auf einen Teil Kohlenhydrate kommen vier Teile Eiweiß und Fett. Es handelt sich also um eine extrem fettreiche Ernährung", weiß Kirchmaier. "Man nimmt dem Gehirn den gewohnten Energielieferanten und gibt ihm stattdessen Fettabbauprodukte, sogenannte Ketonkörper. Das ist so, wie wenn man mit Benzin statt mit Diesel fährt." Weil die ketogene Diät kaum sättigende Ballaststoffe liefert, sind Hungergefühle keine Seltenheit. Außerdem kann es zu Erschöpfung, einem Leistungsabfall ebenso wie Verstopfung, Kopfschmerzen und Erbrechen kommen. Im schlimmsten Fall kann die ketogene Diät - falsch durchgeführt - sogar tödlich enden.

Intervallfasten

Intervallfasten ist "der beste Weg um zuzunehmen", kritisiert Kirchmaier. Bekommt der Körper länger als zwölf Stunden keine Nahrung zugeführt, schraubt er seinen Grundenergieverbrauch hinunter. Isst man dann wieder wie gewohnt, wird die zugeführte Energie erst einmal gespeichert. Der Grund: Der Organismus braucht eine Weile, um auf das normale Verbrauchslevel zurückzuschalten. Dabei lässt der Jojo-Effekt grüßen: Allzu schnell saust das Gewicht nach Diätende wieder in die Höhe.

»Intervallfasten ist der beste Weg, um zuzunehmen«

Während es bis vor kurzem noch populär war, jeden zweiten Tag zu fasten - die Rede ist vom 10in2-Konzept -, werden jetzt die 16:8- und die 20:4-Methode angepriesen. Das heißt auf 16 beziehungsweise 20 Stunden Fasten folgt ein Zeitfenster von acht beziehungsweise vier Stunden, in dem man essen darf. "Einmal in der Woche 16 Stunden lang nichts essen ist okay", entwarnt Kirchmaier. Öfter sollte man dies aber nicht tun.

Clean Eating

"Auf den Tisch kommen ausschließlich naturbelassene, idealerweise regionale Lebensmittel", erklärt die Ernährungsexpertin. Zusatzstoffe wie Konservierungsmittel und Aromastoffe haben hier nichts verloren. Nach dem Motto: "Ich backe mir mein Brot selber" werden eigens zubereitete Speisen bevorzugt. Abgesehen davon darf aber alles gegessen werden. Meiden sollte man ohnehin nur, was man erwiesenermaßen nicht verträgt. "Wenn man ein Nahrungsmittel im Glauben, sich etwas Gutes zu tun, kategorisch ausschließt, verlernt der Körper, mit ihm umzugehen." Womit der Schuss quasi nach hinten losgeht. "Clean Eating dagegen ist gesunde Ernährung", so Kirchmaier, "bei der man darauf achtet, wo die Lebensmittel herkommen." Klingt gut, aber zeitaufwendig. Dazu die Expertin: "Wenn man es erst einmal beherrscht, dann nimmt es nicht mehr Zeit in Anspruch als die Zubereitung von Fertigprodukten."

Veganismus

Veganismus ist oft mehr Lebenseinstellung denn Diät. Nichts desto trotz birgt auch diese Ernährungsform Gefahren, die man nicht unterschätzen darf. "Wer vegan lebt, sollte mindestens einmal jährlich zum Arzt gehen", betont die Expertin. Hier gilt es, mögliche Veränderungen im Blutbild rechtzeitig zu erkennen und mit entsprechenden Präparaten gegenzusteuern. So kann vegane Ernährung zu Mängeln vor allem im Vitamin-B12-, aber auch im Eisen- oder Eiweiß-Haushalt führen.

»Wenn man einen Vitamin-B12-Mangel bemerkt, ist es fast schon zu spät«

"Einen Vitamin-B12-Mangel merkt man jahrelang nicht. Wenn man ihn dann bemerkt, ist es fast schon zu spät", warnt Kirchmaier. Ein mögliches Symptom ist permanente Müdigkeit. Ist der Körper aufgrund des Mangels schließlich nicht mehr in der Lage, die Flüssigkeit in den Zellen zu halten, kommt es zu angeschwollenen Fingern und Beinen. "Man fühlt sich wie ein alter Mensch", schildert die Expertin. Die Folgen eines Vitamin-B12-Mangels können gravierend, mitunter auch irreparabel sein.

Fazit

Diät hin oder her - was auf keinen Fall vergessen werden darf, ist Bewegung. "Bei allen Diäten kommt meiner Ansicht nach der Sport zu kurz", mahnt Kirchmaier. "Diät ohne Sport bedingt zwangsläufig einen Muskelabbau, der wiederum über kurz oder lang zu einem Fettaufbau führt." Die Regel lautet daher: Gesunde, ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung. Wer es sich dennoch nicht nehmen lassen will, seiner Ernährung einen Diätstempel aufzudrücken, sollte dem Konzept des Clean Eating folgen, da es nicht nur der Figur, sondern dem gesamten Organismus gut tut.