News Logo
ABO

Labordiamanten: Schöner Schein

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
7 min
Artikelbild

©Shutterstock

Natürliche Diamanten gelten als Inbegriff von Luxus und Eleganz und ziehen Menschen durch ihr Funkeln magisch an. Doch sie bekommen Konkurrenz: Labordiamanten sind am besten Weg, die Schmuckbranche zu revolutionieren. Was die „Haute Joaillerie“ von der künstlichen Alternative hält und wie man Unterschiede erkennt.

Trotz ihrer unvergleichlichen Schönheit haftet Diamanten ein ambivalenter Ruf an. Immer wieder stehen sie im Verdacht, zur Finanzierung bewaffneter Konflikte beizutragen. Auch die häufig ausbeuterischen und menschenunwürdigen Bedingungen im traditionellen Bergbau haben den Druck auf die Branche erhöht. Der Ruf nach mehr Transparenz und ethischer Verantwortung wurde lauter – auch aus dem Kreis zahlungskräftiger Kunden.

Als vermeintlich saubere Alternative gelten seither „lab grown diamonds“, im Labor gezüchtete Steine, deren Herstellung ohne Minenarbeit auskommt. Doch auch sie sind nicht per se unbedenklich: Der hohe Energieaufwand warf neue Fragen auf: Was konfliktfrei erscheint, ist nicht automatisch nachhaltig.

Labordiamanten sind chemisch und physikalisch ident zu Naturdiamanten

Maria Zelenko
Bild

 © Michael Dürr

Hightech statt Tiefbau

Maria Zelenko betreibt mit Attrē das erste Schmucklabel im DACH-Raum, das rückverfolgbare Diamanten verarbeitet. Labordiamanten verarbeitet die zertifizierte Diamantgutachterin allerdings nicht: „Ich verwende für meine Designs ausschließlich Naturdiamanten in hoher Qualität. Kundenanfragen zu Stücken mit Labordiamanten lehne ich höflich ab. Es entspricht schlichtweg nicht meiner Philosophie. Ich habe eine immense Wertschätzung für Diamanten sowie Gold als rare Naturgüter.“

Unterschiede zwischen einem natürlichen und einem Labordiamanten sind, insbesondere für Laien, nicht erkennbar: „Labordiamanten sind chemisch und physikalisch ident zu Naturdiamanten. Letztere wurden von der Natur vor Milliarden Jahren erschaffen, Synthesen entstehen innerhalb kürzester Zeit in einem Gerät.“ Labordiamanten entstehen mithilfe verschiedener technischer Verfahren, etwa HPHT oder CVD. „Natürliche Diamanten können entweder tief unter der Erde gewonnen werden oder auch alluvial, also aus Flussbetten oder Küstengebieten“, erklärt Zelenko.

Der neue Zirkonia

Gravierende und vor allem deutlich erkennbare Unterschiede ergeben sich aber beim Preis. Labordiamanten sind im Durchschnitt 70 bis 80 Prozent günstiger als natürliche. Brancheninsider prognostizieren künstlich hergestellten Steinen aufgrund der Masse zudem einen weiteren Preisverfall, nachdem diese 2018 einen echten Boom erlebten.

In der Haute Joaillerie spielten Labordiamanten jedoch bislang kaum eine Rolle. Modeschmucklabels wie Pandora werben weiter damit. Zelenko erklärt: „Aufgrund der massiv fallenden Großhandelspreise für Labordiamanten in den vergangenen Jahren werden diese über kurz oder lang zum Modeprodukt werden – und viele in der Branche sind sich sicher, dass sie den Zirkonia als ebensolches ersetzen werden.“

Diamanten sind Zelenko zufolge nicht einfach nur Kohlenstoff. „Die Emotion ist für mich persönlich der entscheidende Faktor beim Schmuckkauf und auch einer der Gründe, warum ich ausschließlich mit natürlichen Diamanten arbeite: Die Tatsache, dass man etwas, das vor unzähligen Jahren dank Naturgewalten entstand, am Finger oder um den Hals trägt, fasziniert mich als Diamantgutachterin nach wie vor jeden Tag aufs Neue. Etwas im Labor entstandenes hat für mich keinerlei Emotion.“

Unterschiedliche Märkte

Dennoch spricht Zelenko synthetischen Diamanten nicht grundsätzlich ihre Existenzberechtigung ab. Sie warnt jedoch vor einer zunehmenden Vermischung beider Welten, vor allem durch irreführendes Marketing. Ihrer Meinung nach handelt es sich um „zwei unterschiedliche Produkte für zwei sehr unterschiedliche Kundengruppen“. Es brauche transparente Informationen, damit Konsumenten eine fundierte Entscheidung treffen können, so die Expertin. „Beide Varianten haben ihre Berechtigung am Markt.“

Sie warnt außerdem davor, Schmuckstücke mit Labordiamanten als Investment zu kaufen. Die Wertentwicklung ist der Gutachterin zufolge schlichtweg eine andere: „Sollte das Schmuckstück jemals verkauft werden, spielt im Grunde nur der Goldwert eine Rolle – für den ankaufenden Juwelier gibt es beim synthetischen Stein keinen Wiederverkaufswert.“

Das sieht die Zertifizierungsstelle GIA wohl ähnlich. Als wichtigstes Institut in der Branche hat diese kürzlich bekannt gegeben, Labordiamanten künftig nicht mehr nach den klassischen vier Cs („Color“, „Cut“, „Clarity“, „Carat“) zu bewerten, sondern nur noch als „standard“ oder „premium“ zu klassifizieren. „So soll der Kundschaft die Unterscheidung natürlicher von synthetischen Steine erleichtert werden“, präzisiert Zelenko.

Nachhaltig ist nicht gleich nachhaltig

Labordiamanten pauschal als umweltfreundlicher zu klassifizieren, greift der Gutachterin zufolge ebenfalls zu kurz: „Bei Labordiamanten hängt die Umweltbilanz maßgeblich von den Produktionsbedingungen ab. Der Stromverbrauch für die Herstellung von Synthesen ist enorm, da muss man zwischen Herstellern, die auf erneuerbare Energien setzen und jenen, die es nicht tun, unterscheiden. Einfach davon auszugehen, dass jeder Labordiamant umweltfreundlicher produziert wurde, ist leider ein Trugschluss.“

Die Diamantbranche gilt als traditionell verschlossen, Veränderungen werden nur zögerlich umgesetzt. Dennoch gibt es Bemühungen, Diamantgewinnung und -handel nachhaltiger zu gestalten. Zelenkos Unternehmen ist ein Schritt in diese Richtung: Die Partnerschaft mit dem Diamanttechnologieunternehmen Sarine ermöglicht es, rückverfolgbare Diamanten sukzessive in die Kollektion zu implementieren. „Die Zertifikate unserer ‚Demi Round Necklace‘ zeigen, wo der Stein herkommt, welches Unternehmen ihn gefunden hat und sogar, wie der Rohdiamant vor dem Schleifen aussah. Ich sage immer, dass dieses besondere Zertifikat das Herz und die Seele eines Diamanten erfasst. Dieser einzigartige Einblick in seine Geschichte ist dank eines Blockchain-Verfahrens möglich und ich bin gespannt, wie sich die technischen Möglichkeiten in den kommenden Jahren weiterentwickeln werden.“

Zwischen Nachhaltigkeitsanspruch, Preisbewusstsein und Luxusversprechen müssen sich Konsumenten künftig bewusster denn je entscheiden. Der Diamant bleibt dabei mehr als nur ein Stein: Er wird zum Spiegel gesellschaftlicher Werte.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 25/25 erschienen.

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER