Wer kennt nicht, die achteckigen Gläser mit den Nestroy-Motiven und dem guten süßen oder pikanten Inhalt? Wir haben "Marmeladenkaiser" Hans Staud in Ottakring besucht und erfahren, wie es gelingt, sich mit Staud's über Jahrzehnte gegen Großkonzerne zu behaupten.
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"Marmeladenkaiser" Hans Staud
Die Konkurrenz durch Diskontläden ist hart, und der Wunsch nach Qualität im Lebensmittelhandel groß. Wiener Klein-und Mittelbetriebe, die diese liefern wollen, haben es im Preiskampf besonders schwer, sich über Wasser zu halten. Einer, der seit den 70er-Jahren ganz vorne mitspielt, ist Hans Staud, der gerne als "Marmeladenkaiser von Wien" bezeichnet wird.
Das Interessante: Ihm gelingt es, eine alte Tradition mit immer wieder frischen, innovativen Ideen zu verknüpfen und so stetig auf der Erfolgswelle weiterzuschwimmen. "Mir ist die Natürlichkeit unserer Produkte wichtig. Man soll sie durch Jahrzehnte mitnehmen können, ohne dass sie an Attraktivität verlieren. Das gelingt uns bisher sehr gut", sagt Hans Staud, der sich stets erfolgreich gegen Großkonzerne behaupten konnte. Geschäftsführer Stefan Schauer ergänzt: "Wir versuchen, unsere Rohstoffe vorwiegend aus Österreich zu beziehen. Oder aus Ländern, wo diese am besten gedeihen. Zum Beispiel Preiselbeeren aus Skandinavien oder Orangen aus Spanien. Dabei pflegen wir langfristige Partnerschaften mit Landwirten und kaufen nicht bei Billiganbietern. Wir besuchen sie öfter, kontrollieren und zittern mit ihnen um eine gute Ernte."
Die Anfänge des Delikatessenbetriebs waren bescheiden. Im Jahr 1883 begann Familie Staud mit einem Obstund Gemüsehandel am Yppenplatz in Ottakring. Noch heute befindet sich hier ein Delikatessengeschäft, der "Staud's Pavillon". Hans, der Urenkel der Gründer, studierte Welthandel und entschloss sich 1971, noch vor Abschluss seines Studiums, zur Gründung seiner eigenen Gemüse-und Obst-Produktionsfirma. Was zunächst mit Marillenkompott und Gurken begann, etablierte sich zu einer Erfolgsgeschichte mit über 220 Sorten an süßen und sauren Delikatessen - von fruchtigen Konfitüren und Kompotten über Weingelees und Chutneys bis hin zu Sauergemüse.
Familiäres Betriebsklima
Früchte und Gemüse werden mittels modernster Technik und Handarbeit zu unterschiedlichsten Kompositionen zusammengefügt. 1971 errichtete Hans Staud seine Produktion in der Hubergasse in Ottakring. In Hernals wurde vor einigen Jahren eine Dependance dazugebaut. 40 Mitarbeiter sind in Wien beschäftigt, im burgenländischen Betrieb in Stegersbach wird Gemüse von weiteren 25 Facharbeitern zu feinsauren Delikatessen verarbeitet. Zu jedem gibt es einen persönlichen Bezug.
"Ein familiäres Betriebsklima ist uns enorm wichtig. Damit steht und fällt alles. Viele sind schon seit Jahrzehnten bei uns angestellt", erklärt Hans Staud, der schon zwei Jahre nach der Gründung die erste naturreine Konfitüre Österreichs auf den Markt brachte. Ideen gingen ihm nie aus, ständig war er interessiert daran, sein Unternehmen weiterzuentwickeln. Dabei behielt er die höchste Güteklasse seiner Produkte stets im Auge und konzentrierte sich auf Marmeladen mit besonders hohem Fruchtanteil oder den Start einer "Limited Edition" im Jahr 1995. Diese Serie dokumentiert das Anbaugebiet und den Jahrgang der Ernte.
Charakteristisch für alle Erzeugnisse sind die achteckigen Gläser mit meist schwarzem Verschluss. Seit dem Jubiläumsjahr 2001 schmücken Darstellungen aus Nestroys Stücken und seine Zitate die Deckel mehrere Konfitüre-Sorten. Der Start für weitere Kooperationen mit Wiener Traditionshäusern und Kulturstätten der Stadt. "Ich bin ein großer Nestroy-Fan. Mein Deutschlehrer und zugleich Musikprofessor ist daran schuld. So konnte ich noch mehr meine persönliche Note einbringen", erklärt Staud die außergewöhnliche Marketinglinie seiner Produkte.
Gläserne Fabrik
Rund ein Drittel des Umsatzes macht Staud im Ausland. An erster Stelle steht Deutschland vor der Schweiz und Italien. "Wir liefern auch nach Dubai, China und Japan. Man liebt vor allem unsere süßen Produkte", sagt Staud. "Die Kanadier wiederum fahren auf die veredelten, feinsauren Gemüsesorten ab. 2013 haben wir mit der Lieferung von ein, zwei Containern begonnen, im Jahr darauf waren es schon zwölf", erklärt der für das saure Sortiment zuständige Geschäftsführer Jürgen Hagenauer. In einen Container passen immerhin 18 Tonnen Ware. Abnehmer ist der Costco Konzern, nach Walmart und Carrefour die drittgrößte Handelskette der Welt.
Die Wiener Stadtpolitik hat der "Marmeladenkaiser" schon vor drei Jahren wachgerüttelt. Denn Staud überlegte laut, die Produktion künftig nach Niederösterreich zu verlegen. Dort hätte er, sagt er, weniger Probleme mit den Behörden und der Parkplatzsituation, und vor allem könnte er dort weitaus günstiger bauen als im 16. Bezirk.
Bis zu zehn Millionen Euro will er investieren, das ist mehr als sein Jahresumsatz von zuletzt 8,5 Millionen Euro. "Es geht mir dabei weniger um die Steigerung der Produktion. Ich möchte vielmehr unser Unternehmen für Besucher öffnen, so wie es zum Beispiel auch der Schokoproduzent Zotter macht", sagt Staud. Es kommen immer mehr Besuchsanfragen von Schulen, Kindergärten oder Vereinen.
"Wegen Hygiene-und Sicherheitsvorschriften müssen wir ihnen in unserem derzeitigen Betrieb leider absagen", bedauert Staud. Hinter Glaswänden sollen Besucher dann zusehen, wie die Produktion vom Stapel läuft. "Wir wollen zeigen, wie die Marille ins Glas hüpft. Es ist auch sehr spannend, Kindern, Jugendlichen und allen Interessierten zu erklären, wie ein Produkt entsteht", sagt Stefan Schauer. Jetzt hat man sich eine Deadline mit 2018 gesetzt, dann soll endgültig entschieden werden, ob Staud in Wien bleibt oder abwandert.
Seine Nachfolge hat der 69-jährige "Marmeladenkaiser" auch schon geregelt: "Es wird eine Stiftung geben, bei der ich Mitarbeiter und Landwirte einbinde." Ein Unternehmer, der stets in die Zukunft plant.