Von rosarotem Ale bis Hopfen aus Leutschach: In der Steiermark blüht eine junge, kreative Bierszene. Kleine Brauereien setzen auf Handwerk, Vielfalt und regionale Rohstoffe – und überraschen mit einzigartigen Bierkreationen.
Die Bierszene der Steiermark ist bunt. Vor allem unter den Kleinbrauern und Craftbeerproduzenten tummeln sich Hopfenhelden, Malzbrüder und viel würziges Handwerk.
Rosarotes Bier, Sour Ale, rauschfreies Pale. Gefühlt gibt es für jede Situation ein eigenes Bier. Zumindest im Bierland Österreich und insbesondere in der Steiermark, dem Land der guten Hopfung. Im südsteirischen Leutschach liegt das größte Hopfenanbaugebiet Österreichs. Ideale klimatische Bedingungen nähren hier den exquisiten Bitterstoff, die angebliche Seele des Biers. Auch wenn sich der Hopfenanteil pro Hektoliter Bier im Grammbereich bewegt, verleiht er Bier seine charakteristische Note. Bereits um 1824 wurden erste Hopfenanbauversuche in der Südsteiermark durchgeführt und nach dem Zweiten Weltkrieg war Peter Reininghaus treibende Kraft auf dem Gebiet.
Der Hopfen ist Manfred Poscharniks Leidenschaft – vom Anbau über die Pflege bis hin zur Ernte und Verarbeitung. Seit 1956 gedeiht am Hopfenhof Poscharnik der Rohstoff für flüssiges Brot. „Einst waren wir bis zu 100 Hopfenbauern in der Region“, so der Landwirt. Zu arbeitsintensiv scheint anderen die Kultivierung der bis zu sieben Meter hohen Pflanzen und die Pflege der Anlagen. Ab einem gewissen Stadium wächst der Hopfen gar bis zu 20 Zentimeter pro Tag.
Obergäriges aus dem Eichenfass
„Bei uns dreht sich alles um historische Bierstile, wilde Hefen und Fingerspitzengefühl – das Ergebnis sind im Holzfass gereifte vielschichtige Biere für besondere Momente“, so Jakob Marn. Mit seiner Minibrauerei Noom in Riegersburg verknüpft er Craftbeer mit Mut zur Kreativität und dem Bedürfnis der Selbstverwirklichung. „Welche Hopfensorten verwendet werden, hängt von der jeweiligen Biersorte ab. Wir experimentieren gerne und entscheiden danach, welche Hopfensorte bleiben darf.“ Ein Mix aus den frischen Sorten BioMalling, BioPerle, BioCascade trägt sein leichtes FarmhouseTafelbier, während sein Wild Ale ein Hybrid mit Orange Wine der Rebsorte Muscaris ist und zehn Monate Reifung bzw. Nachgärung im Eichenfass intus hat. „Als mein Bruder und ich 2019 die Brauerei starteten, war unser erstes Bier eine rosarote Berliner Weiße nach der KettleSouringMethode. Ein riskantes Unterfangen, aber unser Mut zahlte sich aus.“ Mit weiteren Kreativbrauereien aus dem Vulkanland – Hermax, Terra Cervisiae, Bevog, Lava Bräu und Walhalla Genusskulisse – pflegt man eine lose, freundschaftliche Vereinigung. Letztere ist Wirkungsstätte von Tamara Holzer und Erik Kühnelt. In Pertlstein bei Fehring braut das Paar IndieBier. Kleine Mengen, regionale Zutaten, Flaschengärung. Das Hausbier, Sterz Ale mit Polenta aus der Gegend, ist ein steirischer Fußabdruck und Kühnelts eintägiger Braukurs ein informatives Erlebnis, bei dem man auch Brot aus Biertreber verkostet. In der Liga der Bierbäuche fühlt sich auch Anita Herzog pudelwohl. Mit ihrem von Hand gebrauten Damenbier – malzsüß, wenig Bitterstoffe, hanfblumig im Abgang – fing in einer Garage einst alles an. Der Motor dafür war ihre eigene Liebe zum Gerstensaft. Mittlerweile kauft sie der hopfenverliebten Männerdomäne die Schneid ab und führt mit ihrer Familie die eigene „Bierbotschaft“ in Wundschuh. „Der Doktor kann hupfen, so viel er will – ich trinke meine drei Glaserln am Tag. Schließlich ist mein Bier gesund“, gibt sich Herzog selbstbewusst und kommt ohne chemische Zusätze in ihrem Hopfengebräu aus. Das umfangreiche Sortiment umschließt Bierklassiker sowie internationale Bierstile und bringt kreative Kreationen wie Erdäpfel- und Maisbier, Sauvignon Ale sowie Kaffee- und Chilibier hervor. „Für Experimentierfreudige habe ich außerdem noch Sorten wie Kirsche, Kastanie, Heidelbeere, Kumquat, Gin und Walnuss im Programm.“ Ein Highlight der Bierbotschaft ist der runde Stammtisch mit eigenem Zapfhahn.
Malz, Hefe, Parfait
Eine neue Liga der alkoholfreien Biere läuten Thomas Winkler und Harald Kristen ein. Die Kapfenberger heben unter dem Label „Tom & Harry“ den Sortenreichtum des Brauhandwerks hervor. Das Kernsortiment sind saisonal wechselnde Biere – im Moment fließt das „Rauschfrei“. Dort, wo reines Wasser aus dem eigenen Brunnen kommt, kann naturgemäß vieles wachsen: ein Familienleben und eine Landwerkstatt samt Genusslabor, in dem Georg Pock seit 2011 Bier braut. „Qualität muss man mit Zeit definieren“, ist der Obmann des Vereins „GlaMur – Genuss am Fluss“ überzeugt. „Meine Kreativbiere vergären in der Flasche einzeln, erkennbar durch das Hefedepot am Boden. So erhält das Bier nur natürlich entstandene Kohlensäure und es bleibt der für den menschlichen Organismus wichtige Vitamin-B-Komplex der Hefe erhalten.“ Seinen Zugang zu Bier tituliert er als „authentisch“: „Kopf und Bauch müssen die Region schmecken.“ In der Kulinarik findet Bier nebst Flasche und Glas weitere Bestimmungen: Im Brauhaus Mariazell, der ältesten Hausbrauerei der Steiermark, braut Hannes Girrer nach uraltem Rezept sein eigenes Mönchsbier – und was nicht getrunken wird, kommt zur Geschmacksverfeinerung in den Topf, etwa zur Mariazeller Bier-Zwiebelsuppe, zu den Kaspressknödeln mit Biersauerkraut und ins süße Bierparfait mit Spagatkrapfen und Dirndlobers. Haubenkoch Richard Rauch veredelt seine Topinamburschaumsuppe mit Malzbier und eine echte, steirische Brotsuppe mit Schmalz und Bier könnte so manchem aus Großmutters Zeiten bestens in Erinnerung geblieben sein.