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Büroboom trotz Leerstand: Neue Arbeitswelten formen den Immobilienmarkt

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©Getty Images

In deutschen Großstädten ist die Zahl leer stehender Büroflächen so hoch wie seit über zehn Jahren nicht. Und doch sprechen Fachleute von einer Rückkehr der Bürokultur. Konzepte wie „New Work“ und „Homeoffice“ haben den Immobilienmarkt zwar kräftig durchgeschüttelt, gleichzeitig aber auch neue Maßstäbe gesetzt. Welche Anforderungen künftig an Bürogebäude gestellt werden, was sie bieten müssen - und welche Rolle KI dabei spielt.

Die Beschreibung liest sich beinahe wie die eines All-Inclusive-Hotels: Fitnessstudio, ein Health & Wellness Center, eine Food Hall mit verschiedenen Restaurants, ein English Pub, Ruhezonen. Doch das, was hier nach Urlaub klingt, ist in Wahrheit die neue globale Firmenzentrale der US-Bank J.P. Morgan Chase in der 270 Park Avenue, ein Projekt, das ein neues Kapitel moderner Bürokultur aufschlägt.

Nachhaltig und hochmodern

Anfang Oktober wurde das neue Headquarter feierlich eröffnet. Mit den stickigen, lauten und schlecht belüfteten Großraumbüros vergangener Jahrzehnte hat der Neubau nichts mehr gemein. Stattdessen setzen Architekturbüros wie Foster + Partners auf ein Design, das sich am Menschen orientiert und auf Gesundheit, Wohlbefinden und Motivation abzielt.

Ziel ist es, dass Mitarbeitende gerne – und möglichst lange – im Büro bleiben. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz spielen außerdem eine zentrale Rolle. Das ist längst nicht nur eine ideologische Frage, sondern auch eine ökonomische: Steigende Energiekosten machen smarte Gebäudekonzepte zur Notwendigkeit. Dass kluges Design nicht nur gute Dämmwerte aufweist, sondern sich auch positiv auf die menschliche Psyche auswirkt, ist ein angenehmer Nebeneffekt.

Begriffe wie „biophiles Design“, die hierzulande noch erklärungsbedürftig klingen, gehören in den USA bereits zum Standard: Dabei handelt es sich um eine Entwurfsmethodik, bei der Innenraum und Natur gewissermaßen verschmelzen. Der Ansatz setzt auf natürliche Materialien wie Holz, Stein und Pflanzen und maximiert den Anteil natürlichen Tageslichts. In der 270 Park Avenue sollen die Fenster etwa 30 Prozent mehr Tageslicht in die Büros lassen. Ergänzt wird das Konzept durch eine „zirkadiane Beleuchtung“, die sich am biologischen Rhythmus des Menschen orientiert.

Der Turm gilt als das erste vollelektrische Hochhaus New Yorks, betrieben mit erneuerbaren Energien und ausgerichtet auf „netto null Betriebsemissionen“. Künstliche Intelligenz darf natürlich auch nicht fehlen: Die soll den Energiebedarf vorhersagen und entsprechend darauf reagieren können.

Zwischen Symbol und System

Bis Ende des Jahres werden mehr als 10.000 Mitarbeiter in dem Drei-Milliarden-Dollar-Projekt ihren Arbeitsplatz finden. Für J.P. Morgan Chase markiert das Gebäude nicht nur einen technologischen, sondern auch einen kulturellen Wendepunkt: Dass hohe Gehälter allein nicht die einzige Motivation für Mitarbeiter sind, ist der US-Finanzbranche längst klar. Dennoch bleibt der Wolkenkratzer auch ein Symbol der Disziplin: Wo das Gebäude rund um die Uhr in Betrieb ist, wird auch von den Menschen ständige Präsenz erwartet.

Work-Life-Balance

In Europa liegt der Fokus hingegen stärker auf Work-Life-Balance und Flexibilität. Die deutsche OPES Immobilien GmbH plant und realisiert Gewerbeimmobilien aus Holz und vertritt die Meinung, dass moderne Architektur vor allem auf die zentralen Anforderungen von New Work – nämlich Flexibilität, Sinnhaftigkeit und Selbstbestimmung – Antworten finden muss. Gegen den 60-stöckigen Koloss in New York wirken die filigranen „Woods“-Projekte in Oberhaching und München fast bescheiden, aber sie repräsentieren einen klaren Gegenentwurf: weniger Gigantismus, mehr Mensch.

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Woods am Olympiapark in München: Geplant für das Areal am Münchner Olympiapark: Das „Woods“-Projekt der OPES Immobilien GmbH vereint nachhaltige Holzarchitektur mit den Prinzipien von „New Work“

 © Opes Immobilien GmbH

Auch die 2024 erweiterte Zentrale der Windkraft Simonsfeld AG im niederösterreichischen Ernstbrunn zeigt, wie sich Architektur an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden orientieren kann: Tageslichtdurchflutete Büros, offene Räume für Austausch und Teamarbeit sowie ein Restaurant mit gesunder Küche standen im Zentrum der Planung. Das Ergebnis: eine 10-Millionen-Euro-Holzkonstruktion, die Bestandsund Neubau harmonisch verbindet – und dafür mit dem „Fiabci Prix d’Excellence Austria 2025“ ausgezeichnet wurde.

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 © Juri Troy / Patrick Johannsen Fotografie
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 © Juri Troy / Patrick Johannsen Fotografie

Büros der Zukunft müssen mehr sein als bloße Arbeitsorte. Gerade weil Berufliches und Privates zunehmend ineinandergreifen und Themen wie Care-Arbeit oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer mehr Menschen betreffen, wächst der Anspruch an die Gestaltung moderner Arbeitswelten. Ob gläserner Wolkenkratzer in Manhattan oder Holzbau in Niederösterreich – beide Projekte stehen für denselben Trend: Die Rückkehr ins Büro ist längst im Gang. Die eigentliche Herausforderung liegt jedoch nicht darin, Menschen wieder dorthin zu bringen, sondern Räume zu schaffen, in die sie wirklich zurückkehren wollen – und können.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 46/2025 erschienen.

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