Michael Schmidt
Er war früh nervös, sagt Michael Schmidt, Geschäftsführer der 3SI Immogroup, und traf Entscheidungen, die ihn sicher durch die Krise bringen sollten. Ein Gespräch über Vorsicht und Risiko, über die Zukunft des Wohnbaus in Wien und darüber, wieso ausgerechnet das Zinshaus für ihn zum stabilsten Wert geworden ist.
Herr Schmidt, der Immobilienbranche geht es nicht gut. Haben sich viele verzockt?
Ja. Viele haben leider zu teuer eingekauft. Aber die Zinsen waren auch einfach niedrig und der Verkauf ist von selbst gegangen – egal, ob es die einzelne Wohnung war oder das gesamte Projekt. Als Geschäftsmann bist du wahrscheinlich immer einer, der ein gewisses Risiko eingeht. Aber dann ist vieles zusammengekommen: Krieg, Inflation, Anstieg der Baukosten, die KIM-Verordnung*. Mit so viel hat niemand gerechnet. Die Branche nicht, die Politik nicht, die Banken nicht. Ich muss gestehen, ich war sehr früh nervös.
KIM-Verordnung
Die KIM-Verordnung legte von 2022 bis Mitte 2025 fest, unter welchen Bedingungen Banken Wohnkredite vergeben dürfen. Sie schrieb u. a. mehr Eigenkapital vor. Kritiker bemängelten, dass dadurch vor allem junge Käufer schwerer zu Eigentum kamen. Seit 30. Juni 2025 ist die Regelung ausgelaufen.
Sie haben sich abgesichert …
Wir haben sofort mit viel Geld die Zinsen abgesichert, weil sonst hätte ich nicht ruhig schlafen können. Und dann haben wir so viel gebaut wie noch nie. Viele andere haben gesagt, jetzt bauen wir erst mal nichts. Viele warteten einfach ab und leider wurde die Liquidität bei den meisten immer nur weniger. Aber diese Krise ist nicht nur hart, sie hat auch für viele zu lange gedauert.
Hätte man als Unternehmer nicht sehen müssen, dass die Niedrigzinsen kein Dauerzustand sein können?
Ich kenne Geschäftspartner, die gesagt haben, sie werden nie wieder positive Zinsen sehen. Und auf einmal waren die mit Aufschlag auf sechs Prozent. Ja, man hätte mehr Reserve schaffen müssen. Aber 2020, 2021* wusste keiner – wir und die Privaten – wohin mit dem Geld. Auf dem Sparbuch hatte man negative Zinsen. Es gab auch Sprüche von Konkurrenten, die gesagt haben, Geld ist eh nichts mehr wert. Ein bisschen hat das vielleicht so gestimmt.
2020/21
Der Run auf Immobilien wurde durch extrem niedrige Zinsen, hohe Inflationsangst und begrenzte Anlagealternativen getrieben. Das führte zu starken Preisanstiegen
Aber warum haben sie gesagt, ich nehme lieber mal Geld in die Hand und sichere mir die Zinsen ab?
Weil ich das schon 2008 erlebt habe. Und 2001 bis 2008 sind die Zinsen auch nur gestiegen. Ich habe mit 21 Jahren angefangen. Auch damals hat man über steigende Zinsen gejammert. Aus dieser Zeit habe ich gelernt – und jetzt darauf reagiert. Mit Zinsabsicherungen in Millionenhöhe. Jede Krise ist eine Chance. Auch diese Krise ist meine Chance zu wachsen.
Ich war immer ein vorsichtigerer Geschäftsmann, aber auch Optimist. Das Weiterbauen und Weiterverkaufen bringt mich aus der Krise. Wir haben momentan mit fast 800 Wohnungen die meisten fertigen Wohnungen am Markt. Heuer haben wir schon über 260 Wohnungen verkauft. Käufer wollen nicht mehr zwei, drei Jahre auf eine Fertigstellung der Immobilie warten. Und sie wollen sehen, was sie kaufen.
Opulente Büros, große Gesten – das war lange Zeit das Markenzeichen der Immobilienbranche. René Benko hat das auf die Spitze getrieben. Wir sitzen gerade auch in einem sehr beeindruckenden Büro in bester Innenstadtlage …
Bei allem, was wir zeigen und machen, sind wir trotzdem eine sparsame Firma. Wir sind ein Familienunternehmen. Mein Vater hat klein angefangen. Er ist ein sparsamer Mensch. Das prägt mich. Natürlich sitzen wir in einem schönen Büro. Aber das haben wir günstig hergerichtet. Keine Designermöbel. Der Boden ist schön, aber nicht das Teuerste. Wir machen gehobenes Wohnen, da braucht es ein schönes Büro. Angefangen haben wir in einem Hinterhofbüro in der Favoritenstraße. Der Showroom auf der Kärntner Straße ist auch ein Statement. Wir wollten zeigen, dass es uns nicht schlecht geht in dieser Krise und dass man auch in dieser Zeit vorwärtsgehen muss.
Was sagt die Signa-Pleite über die Immobilienbranche aus? Über die Art, in Österreich Geschäft zu machen?
Ich habe keine Einsicht in dieses Unternehmen. Wir sind nicht vergleichbar. Die Signa war um Vieles größer und nicht unbedingt im Wohnbereich tätig. Warum er gescheitert ist, kann ich nicht sagen, aber wahrscheinlich war ein Grund, dass er zu schnell gewachsen ist und natürlich waren die Zinsen ein Brandbeschleuniger.
Signa-Pleite
Ende 2023 schlitterte die Signa-Gruppe in Insolvenz. Europaweit meldeten die Gläubiger bisher mehr als 40 Milliarden Euro an Forderungen an.
Wie hat man auf so jemanden wie René Benko geblickt?
Natürlich schaut man immer. Ich würde nicht Vorbild sagen, aber jeder Mensch hat jemanden, auf den man aufschaut. Neid habe ich nie gespürt. Aber der Ehrgeiz, etwas Großes aufzubauen, der war immer da. Ich wollte immer Bauträger sein, habe mit fast nichts angefangen und ich habe lange dafür gebraucht mein Unternehmen als Bauträger zu positionieren.


Lässt die Branche die Krise gerade hinter sich oder steckt sie noch mittendrin?
Wir sind dabei, rauszukommen. Es wird besser, die Zinsen gehen runter. Die Kaufpreise von Wohnungen gehen wieder rauf. Auch die Mieten sind raufgegangen. Es entwickelt sich in die richtige Richtung. Für viele Bauträger ist es halt zu spät. 2023 haben wir in einem halben Jahr 30 Wohnungen verkauft, jetzt stehen wir schon bei über 260. Und womit verdient man als Bauträger Geld? Wenn man ein fertiges Produkt hat, das man verkaufen kann.
In den Boomjahren gab es rund 200 Bauträger in Wien. Wie viele sind es jetzt?
Es sind noch immer viele da, aber sie bauen nicht. Entweder warten sie ab oder sie kriegen keinen Kredit. Das ist für Bauträger schlecht und für die Stadt. Das ist auch für jeden Bewohner schlecht. Wir brauchen eine Wohnbau-Offensive. Ich freue mich über Konkurrenz, weil es viel zu wenig Wohnungen gibt. Ich freue mich auch über jeden, der sagt, dass es ihm besser geht.
Ihr Unternehmen in Zahlen gefasst?
Wir haben ungefähr 50 Mitarbeiter und 150.000 Quadratmeter im Bestand. Da sind die Neubauprojekte noch gar nicht mitgerechnet. Über tausend Wohnungen in Wien haben wir vermietet.
Wer bestimmt das Ende der Krise? Die Politik? Die Banken? Sie?
Ich glaube, wir sind noch am Anfang. 2025 war ein Umkehrjahr. 2026 ist das Jahr, wo einige rauskommen. 2027 wird sicher wieder ein gutes Jahr für die Branche. Die privaten Bauträger brauchen nicht unbedingt die Politik. Aber wir brauchen schnellere Baugenehmigungen. Gesetze, die sich dauernd ändern oder Zwischenrufe, die einen Angst machen, wenn man was baut und vermietet – die brauchen wir nicht. Die Banken müssen bei Krediten wieder lockerer werden. Aber ich sehe Licht am Ende des Tunnels.
Mit ein paar schicken Zinshäusern, die sie im Portfolio haben, wird die Wohnungsmisere auch nicht gelöst …
Wir brauchen in Wien alles: leistbares Wohnen, Gemeindewohnung, Genossenschaftswohnung, Luxusprojekte. Jede Wohnung ist wichtig. Ich habe Starterwohnungen ab 150.000 Euro bis zu Drei-Millionen-Euro-Wohnungen. 85 Prozent sind im Altbau, 15 Prozent Neubau. Aber alleine kann ich die Verknappung am Wohnungsmarkt auch nicht beenden.
Warum setzen Sie auf Zinshäuser?
Das ist meine Liebe zur Arbeit. Zinshäuser* haben es mir angetan. Der Neubau ist kalkulierbarer und bringt mehr, aber gerade in der Krise waren Zinshäuser nicht schlecht. Ich bringe einen Altbau binnen sechs Monaten in den Verkauf. Beim Neubau warte ich zwei Jahre auf die Baubewilligung und zwei Jahre auf die Fertigstellung. Eine Wohnungssanierung kann ich mit einer Bauanzeige machen statt mit einer Baugenehmigung. Ich brauche auch weniger Kapital, um Wohnungen zu sanieren und das Haus zu managen. Das Zinshaus ist momentan für mich besser als das leere Grundstück.
Zinshäuser
Ein Zinshaus ist ein typisches Altbau-Mehrfamilienhaus aus der Gründerzeit (ca. 1850 bis 1914), das überwiegend vermietet ist und als Investmentobjekt dient. In Wien stehen heute noch rund 13.820 dieser klassischen Zinshäuser.
Aber es gibt nicht unendlich viele Zinshäuser in Wien.
Einerseits ja. Mit dem wirbt man ja viel, dass das ein nicht vermehrbares Gut ist. Altbauwohnungen sind Mangelware im Vergleich zum Neubau. Der Neubau ist auch immer ein Anlagethema gewesen. Bauträger haben viel für Anleger gebaut. Mit dem Zinsanstieg ist ein ganzes Segment, nämlich die Anlagewohnung, weggebrochen. Da ist viel da in den Großbezirken. Das müssen sie erst mal loswerden. Das Problem haben wir nicht, wir haben fast immer für den Endverbraucher gebaut. Wir haben auch keine Umwidmungsliegenschaften, wo wir auf Umwidmungen warten.
Das Zinshaus ist für viele die große Unbekannte. Erzählen Sie mal.
Ich habe über 200 Zinshäuser- bzw. Zinshausanteile in Wien. Viele Häuser gehören noch älteren Menschen, die vermieten, aber nie Geld, wirklich Geld damit verdienen. Dann kommt der Erbe, der verkauft, weil niedrige Mieten sich nicht rechnen – erst recht, wenn man sanieren muss.
Was muss man für ein Zinshaus hinlegen?
Das kleinste Zinshaus in Wien fängt bei knapp unter einer Million an und dann gibt es Zinshäuser, die kosten auch 20 Millionen, 40 Millionen Euro. Es ist auch ein Liebhaberobjekt. Insbesondere vor der Krise gab es viele Käufer, die in was Schönes investieren wollten. Die sagen wollten: Schau, mir gehört so ein Zinshaus. Wenn du das richtige Zinshaus in der richtigen Lage hast, ist es wahrscheinlich der beste Wertspeicher, den du haben kannst.
Liebhaberobjekt


„Das Zinshaus ist momentan für mich besser als das leere Grundstück“, sagt Michael Schmidt. Das Zinshaus in „klein“, also die maßstabsgetreue Darstellung für einen Schaukasten, lässt er sich bis zu 14.000 Euro kosten
Aber dann dürfte ja auch niemand mehr verkaufen, also auch die Erben nicht?
Es braucht Liquidität. Das Zinshaus ist eigentlich ein Millionen-Jackpot, aber wenn man es nicht bewirtschaften kann, ist man leider gezwungen zu verkaufen. Ein Altmieter geht raus, es muss saniert werden. Steigleitungen zum Beispiel. Da reden wir schnell von Hunderttausenden Euro. Aus den Mieten bekommt man das nicht raus. Ein Zinshaus ist alt. Und ein bisschen auch eine Spardose. Dafür ist es nicht mehr vermehrbar. Ein Altbau bleibt immer alt, aber wird immer wertvoller.
Verkaufen sie auch Zinshäuser komplett?
Wir haben Zinshäuser im ersten Bezirk, die wollen wir behalten. Aber bei uns ist alles auch eine Handelsware. Wenn der Preis stimmt, würde ich verkaufen. Ansonsten wird jede Wohnung, die frei wird, saniert und abverkauft bzw. der Dachboden hochwertig ausgebaut. Freiflächen sind wichtig. Klimaanlage wird wichtiger. Das Thema Nachhaltigkeit – Wärmepumpe, Fernwärme – ist im Zinshaus nicht leicht. Aber wir machen alles neu.
Haben Sie kein schlechtes Gewissen, wenn Sie einen hundert Jahre alten Parkettboden rausreißen?
Wir haben auch ein Gewährleistungsthema. Wir verkaufen ganz selten Wohnungen so, wie sie sind – mit Parkett, alten Flügeltüren, Stuck. Aber sonst ist alles neu. Wir bauen aber viel nach. Ersetzen Stuck, die Fassade. Den Eingangsbereich mit Fliesen und Marmor, mit Luster, mit Spiegel auf der Seite – es ist eben nicht Hunderte Jahre alt, aber es sieht dann trotzdem stilgerecht aus.
Das Zinshaus ist eigentlich ein Millionen-Jackpot, aber wenn man es nicht bewirtschaften kann, ist man leider gezwungen zu verkaufen.

Stichwort teuer, wie muss man sich derzeit die Marktpreise vorstellen?
Fast alle Bezirke steigen im Eigentum. Wir kommen in eine Wohnungsknappheit rein. Die Preise werden weiter steigen. Die Menschen können sich wegen den niedrigeren Zinsen und den Lohnanstiegen wieder mehr leisten. Das merken wir auch.
Und es gibt eine Erbengeneration. Wir haben sehr viele, die gar keinen Kredit brauchen, um sich eine Wohnung zu kaufen. Ab 4.000 Euro pro Quadratmeter bekommt man bei uns eine Starterwohnung, ab 7.000 eine im gehobenen Segment, über 10.000 in Top-Bezirken. Für das Geld gibt es schon was ganz Besonderes. Dafür hat es immer und wird es immer einen Markt geben.
Ich nehme an, Sie raten, jetzt zu kaufen?
Ja. Jetzt kann man sich noch eine Immobilie aussuchen. In guten Lagen merkt man die Wohnungsknappheit ja schon. Wir haben gerade in Wien eine zu geringe Eigentumsquote. Eine Immobilie gehört zum Portfolio dazu.
Die Rechnung hört man ja oft, bevor ich Miete zahle, lieber die Kreditrate zahlen. Aber wenn es so einfach wäre, wäre ja die Eigentumsquote in Wien nicht bei 20 Prozent?
Jein. Wir haben in Wien viel Gemeindebau und Genossenschaft. Es hat Gründe, warum Eigentum nicht höher ist. Man hat viele in die Miete gedrängt oder dieses Segment mehr unterstützt. Der Vorteil der Miete ist die Flexibilität. Reden wir mal anders: Welches Potenzial hätten wir als Bauträger, wenn wir jeden Tag jemanden überzeugen, dass er eine Wohnung kauft? Ein riesiges!
Worauf hoffen Sie mehr: auf weiter fallende Zinsen oder steigende Zuversicht?
Fallende Zinsen, weil damit die Zuversicht wieder zurückkommt.

Steckbrief
Michael Schmidt
Michael Schmidt ist geschäftsführender Gesellschafter der 3SI Immogroup, einem Wiener Familienunternehmen mit Fokus auf Zinshaus-Revitalisierung und Neubau. Er stammt aus einer seit Generationen im Bau- und Immobilienbereich tätigen Familie. 2001 gründete er gemeinsam mit seinem Vater Harald die 3SI („3 Schmidts Immobilien“); später kam sein Bruder Claus dazu. Heute zählt die Gruppe zu den größten privaten Zinshaus- und Bestandsentwicklern in Wien
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 48/2025 erschienen.







