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Obwohl die Familienmodelle bunter werden und die Anforderung der Selbstoptimierung an Frauen in der Gesellschaft - samt Selbstverwirklichung am Arbeitsmarkt und finanzieller Unabhängigkeit - gestiegen sind, haben sich die sozialen Normen rund um das Ideal einer "guten Mutter" in Österreich kaum verändert. "Frauen bleiben als potenzielle 'Übermenschen' und 'Wunderwuzzis' unter Druck", erklärte Eva-Maria Schmidt vom Institut für Familienforschung an der Universität Wien bei einem Online-Pressegespräch von "Diskurs. Das Wissenschaftsnetz". Die Soziologin hat die normativen Erwartungen an Mütter in Gruppendiskussionen und Interviews mit Müttern und anderen Personen in ganz Österreich quer durch die Gesellschaft untersucht.
Dabei zeigt sich, dass sich eine "gute Mutter" in der verbreiteten Idealvorstellung nach der Geburt des Kindes und während seiner gesamten Kindheit so viel und so lange wie möglich um ihr Kind kümmern sollte. Dabei wird die Zeit der Anwesenheit und Erreichbarkeit für das Kind mit dem "Muttersein" gleichgesetzt. Zudem soll die Konzentration auf das Kind bei den Müttern Freude und Zufriedenheit hervorrufen. Um die sozial erwartete glückliche, positive und entspannte Mutter zu sein, werden negative Gefühle unterdrückt, nicht gezeigt oder umzuändern versucht. Sowohl den Müttern selbst als auch ihrem Umfeld sei dabei durchaus bewusst, dass die Erwartungen unrealistisch sind, so Schmidt. Dennoch sei ein schlechtes Gewissen der ständige Begleiter von Müttern, Schuldgefühle werden oft sogar erwartet.
Das sei durchaus ein österreichisches Spezifikum, meinte die Soziologin. Das vorherrschende Ideal der Wahlfreiheit bringe Mütter zwangsläufig in ein starkes Dilemma, ihre Entscheidung müssten sie selbst legitimieren. In Ländern wie Dänemark oder Frankreich, wo die frühe institutionelle Kinderbetreuung stark verankert sei, gebe es dagegen kein schlechtes Gewissen. Interessanterweise ziehen sich die sozialen Normen in Österreich durch alle Gesellschaftsschichten. Unterschiede gab es bei Geschlecht, Bildung und Einkommen nur dabei, wie explizit Frauen, die dem Bild der "guten Mutter" nicht entsprachen, kritisiert wurden.
Folge des sozialen Drucks auf Frauen ist neben der geringen Fertilität auch der im internationalen Vergleich hohe Teilzeitanteil. Bei Müttern von Kindern im Volksschulalter liegt er bei 73 Prozent, bei den Vätern bei nur acht Prozent. Grund dafür ist die große Kluft zwischen dem verbreiteten Wunsch nach einer raschen Rückkehr auf den Arbeitsmarkt und der traditionellen Zuschreibung von Verantwortlichkeiten zwischen Müttern und Vätern, erklärt die Soziologin Bettina Stadler von der Universität Graz.
Vertreten werden diese von den Eltern selbst, aber vor allem auch von ihrem Umfeld und vielen Arbeitgebern. Erschwert werde der Wiedereinstieg zudem durch weiterhin bestehende Lücken im Kinderbetreuungsangebot. Wünschenswert seien daher flexiblere Arbeitszeitmodelle, bei denen die Arbeitszeit temporär erhöht bzw. reduziert werden kann, sowie flexiblere Öffnungszeiten bei den Kinderbetreuungseinrichtungen, die mit flexibler werdenden Arbeitszeiten kompatibel sind, so Stadler.