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Yusup M., der sich seit 2015 in Österreich aufhält und bis zu seiner Festnahme am 25. Juli 2024 eigenen Angaben zufolge als Lieferant gearbeitet hatte, soll sich seit 2018 zunächst als Einzelperson als eifriger Spenden-Sammler für den IS betätigt haben. 2022 schloss er sich dann einer Gruppierung namens "Jamaat" an, der neben ihm tschetschenisch stämmige Männer in Belgien, Deutschland und der Türkei angehörten. Unter dem Pseudonym Abu Ashab soll der 33-Jährige in führender Funktion mit zuletzt hochprofessionellen Online-Auftritten "horrende Summen" zusammengetragen haben, heißt es wörtlich in der Anklageschrift.
Es gab mehrere Spendenkanäle, wobei über einen einzigen insgesamt 73,5 Mio. US-Dollar (62,77 Mio. Euro) in die Kassa gespült wurden. Über einen zweiten seien mehrere 100.000 US-Dollar zusammengekommen. Der Angeklagte selbst habe allein weitere zwei bis drei Millionen aufgebracht, meinte der Staatsanwalt eingangs der Verhandlung. Er bezeichnete den Angeklagten als Finanzchef der Gruppierung, deren System "perfekt funktioniert hat, wie man leider sagen muss. Wir haben hier immense Dimensionen, die man sonst europaweit nicht findet."
"Wir reden von einer ganz, ganz hohen Gefahr für Europa", betonte der Staatsanwalt eindringlich. Die Länder übergreifend agierende Gruppierung habe "gezielte IS-Unterstützung" betrieben und etwa um zehntausende Euro Waffen für so genannte Foreign Fighters - in Syrien kämpfende Tschetschenen - finanziert. Im "Nahebereich" von "Jamaat" habe man außerdem "Sprengstoffe gefunden", führte der Staatsanwalt weiters aus.
Der Angeklagte stellte in Abrede, sich innerhalb der IS-Spendensammelstelle führend betätigt zu haben und betonte die angeblich humanitäre Ausrichtung der Gruppierung: "Wir waren ein Wohltätigkeitsfonds." Ihm sei es nicht um den IS, sondern primär um für in Lagern in Syrien und im Irak internierte Frauen von IS-Kämpfern und deren Kinder gegangen. Daneben habe es "zwei, drei andere Geschichten in zwei bis drei Jahren" gegeben.
Sehr stark eingesetzt haben soll sich Yusup M. etwa für den in Syrien kämpfenden Magomed I. alias Abu Ali, der es bis zum IS-Kommandanten brachte. Er wurde für derart gefährlich gehalten, dass sogar amerikanische und britische Spezialkräfte aktiv nach ihm fahndeten und dabei Drohnen einsetzten. Auf Hinweise zu seiner Ergreifung war sogar ein Kopfgeld ausgelobt worden. "Im Sommer 2024 wurde er wahrscheinlich liquidiert", führte der Staatsanwalt zu Abu Ali aus.
Yusup M. sei mit Abu Ali "supervernetzt" und "bestens vertraut" gewesen, hielt der Staatsanwalt fest: "Das zementiert die hohe Stellung des Angeklagten." Der 33-Jährige habe Abu Ali für den Fall dessen Ablebens die finanzielle Versorgung seiner Familie zugesichert und ihm noch im Vorjahr 2024 finanzielle Mittel in Höhe von insgesamt zumindest 60.000 US-Dollar (51.300) Euro zur Verfügung gestellt.
"Er hat mich angeschrieben und gemeint, seine Familie ist in der Türkei und benötigt Hilfe für die Wohnung", meinte der Angeklagte dazu. Abu Ali sei "der einzige Tschetschene vor Ort" (gemeint: in Syrien, Anm.) gewesen: "Er war ein einfacher Kämpfer des IS. Er hat geahnt, dass er bald ums Leben kommen wird und er hat mich gebeten, dass ich ihm helfe."
Auch weiteren IS-Kämpfern tschetschenischer Abstammung griff der 33-Jährige laut Anklage unter die Arme. "Schick ihnen Moneten für circa 3 Gewehre/Waffen", lautete etwa eine knappe Anweisung des 33-Jährigen. Ein Gesprächspartner hatte zuvor per Chat schwadroniert, bald würden "schwarze Fahnen (gemeint: jene des IS, Anm.) über Istanbul wehen".
"Ursprünglich wollte er Geld für Essen haben", meinte der Angeklagte, als ihm besagter Chat vorgelegt wurde. Es habe sich um ein "Missverständnis" gehandelt.
Eines der von "Jamaat" betriebenen so genannten Projekte war der Freikauf einer jungen Wienerin, die 2014 als 19-Jährige über Istanbul nach Syrien gereist war, sich dort dem IS angeschlossen hatte und nach der militärischen Niederlage des IS im Lager al-Haul (al-Hol) interniert war. Um sie im Sommer 2022 freizukaufen, wurden 7.000 US-Dollar (5.985 Euro) aufgebracht.
Verteidiger Florian Kreiner unterstrich mehrfach, dem Angeklagten sei es um humanitäre Hilfe für in den syrisch-kurdischen IS-Gefangenencamps al-Haul und Roj inhaftierte Frauen und deren Kinder gegangen. In den Zeltstädten hätten "katastrophale Zustände" und "grässliche Bedingungen" geherrscht. "Er wollte die bestenfalls freikaufen und, wo das nicht möglich war, unterstützen", sagte Kreiner. Das gesammelte Geld sei für den Ankauf von Schafen und Medikamenten zur Versorgung der Häftlinge sowie zu deren medizinischer Behandlung verwendet worden.
Dabei habe sich sein Mandant "nicht entsprechend gegenüber der Zielsetzung des IS abgegrenzt", räumte Kreiner ein. Insofern habe er sich der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation schuldig gemacht. Yusup M. sei aber "kein Anführer, kein Entscheidungsträger" gewesen: "Er hat Anweisungen erhalten. Er hat Bitten aus Lagern bekommen, was benötigt wird. Er hat diese Bitten weitergeleitet und bei der Finanzierung mitgemacht." Dass dabei indirekt IS-Zwecke unterstützt wurden, sei wohl eine logische Folge gewesen, "aber ideologisch gesehen ist er weit davon entfernt", betonte Kreiner.
Der Staatsanwalt sah das anders. Der 33-Jährige übte aus seiner Sicht weitreichende Anordnungsbefugnisse gegenüber den anderen "Jamaat"-Mitgliedern aus und war alleinverantwortlich für die Finanzverwaltung sowie die Gebarung der Gemeinschaftskasse zuständig. Hatte sich die Gruppierung auf ein konkretes Projekt geeinigt - etwa den Freikauf eines inhaftierten IS-Kämpfers -, wurde die dafür benötigte Summe anfangs noch regelmäßig mittels Bargeld-Transports über die Türkei nach Syrien oder in den Irak geschafft. Später bediente man sich Krypto-Währungen und wickelte die Zahlungsflüsse über Krypto-Wallets ab.