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Tödliche Influenza entsteht nach "Kipppunkt" in der Lunge

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US-Studie an Mäusen zeigt mögliche Behandlungsstrategie
©APA, dpa, Friso Gentsch
Influenza-Erkrankungen mit schwerem bis lebensgefährlichem Krankheitsverlauf beruhen offenbar nicht nur auf der Virusvermehrung und der Entzündungsreaktion. Ab einem "Kipppunkt" könnte die Wiederherstellung der Regenerationsfähigkeit von Lungengewebe für eine Genesung entscheidend sein. Das haben jetzt US-Wissenschafter in Versuchen an Mäusen bewiesen.

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Hiroshi Ichise vom Labor für die Biologie des Immunsystems der nationalen US-Gesundheitsinstitute (NIH) und seine Co-Autoren haben ihre Ergebnisse vor kurzem in "Science" veröffentlicht (DOI: 10.1126/science.adr4635). Nach Erfahrungen aus der Covid-19-Pandemie ging es ihnen um das Aufzeigen von Möglichkeiten verbesserter Behandlungsergebnisse bei schweren Atemwegserkrankungen.

"Schwere Lungeninfektionen können aufgrund der ausgedehnten Gewebeschädigung, welche die Organfunktion beeinträchtigt, tödlich verlaufen. Betroffene suchen in der Regel erst einige Tage nach der Infektion ärztliche Hilfe, doch oft ist es dann bereits zu spät für eine wirksame Therapie", hieß es dazu in einer Zusammenfassung des US-Wissenschaftsmagazins.

Die Experten benutzten ein Mausmodell auf der Basis von Influenza. Die Tiere wurden mit einer Dosis an A(H1N1)-Viren infiziert, an der sie ohne Behandlung binnen acht bis zehn Tagen sterben. Laut den Befunden wurde bereits nach der Hälfte dieser Beobachtungszeit eine Art "Kipppunkt" erreicht, ab dem es keine Hilfe mehr gab.

Auf der anderen Seite zeigten die Wissenschafter, dass innerhalb von zwei Tagen nach der Infektion eine Behandlung mit dem Anti-Influenza-Wirkstoff Oseltamivir alle Tiere überleben ließ. Eine Therapie nach drei Tagen erhöhte die Überlebenswahrscheinlichkeit noch um rund die Hälfte.

Doch bei Verstreichen zusätzlicher Zeit ab der Infektion kamen eine gegen die Virusvermehrung oder die dadurch hervorgerufene Entzündungsreaktion gerichtete Behandlung zu spät. "Science" in der Zusammenfassung: "Sobald frühe virale und entzündliche Schäden einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, kann die alleinige Kontrolle der Entzündung die Gewebefunktion nicht wiederherstellen. Sie (die Wissenschafter; Anm.) argumentieren, dass die Genesung im späteren Verlauf einer viralen Pneumonie und möglicherweise auch anderer akuter Atemwegserkrankungen eher von der Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Gewebeschädigung und -reparatur abhängt als von der Unterdrückung der Entzündung oder der Virusreplikation."

Ichise und seine Co-Autoren untersuchten deshalb auch Strategien zur Modulierung des Immunsystems der Labormäuse, um die Regenerationsfähigkeit der Lunge nach den sonst tödlichen Influenza-Infektionen zu verhindern. Dabei stießen sie vor allem auf zwei Möglichkeiten: Die Blockade bestimmter Immunbotenstoffe (Typ-1-Interferone; z.B. Interferon alpha und Interferon beta) und die Ausschaltung von sogenannten CD8-positiven T-Zellen. Die Interferone treiben eine im Rahmen von schweren Verlaufsformen auftretende überschießende Immunreaktion an, welche das Lungengewebe erst recht schädigt. Die CD8-positiven T-Zellen killen massenhaft infizierte Zellen in der Lunge, was die Gewebeschäden verstärkt.

Erst mit der Kombination von antiviraler Strategie (Oseltamivir) und der Beeinflussung der Immunreaktion gelang es den Wissenschaftern, im Tiermodell auch schwere Influenza-Verlaufsformen im Spätstadium zu beeinflussen. Die Schlussfolgerung: "Patienten mit schwerer Erkrankung im späten Stadium des Infektionszyklus haben wahrscheinlich bereits den Punkt überschritten, an dem die durch angeborene Immunzellen verursachten Schäden nicht mehr ausreichend gestoppt werden können, um den Verlust essenzieller Lungenfunktionen zu verhindern. Entscheidend ist in diesem Stadium vielmehr das Versagen der Gewebereparatur oder die zusätzliche schädigende Wirkung der adaptiven, T-Zell-vermittelten Immunität."

Diese Beobachtung decke sich mit der oft langen Beatmungsdauer, die für die Genesung von Patienten mit schwerer Erkrankung und niedriger Sauerstoffsättigung im Blut (nach virusbedingter Lungenentzündung, Anm.) erforderlich ist. Die Wissenschafter: "Unsere Ergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass antivirale Medikamente auch nach Symptombeginn noch wirksam sein können, wenn sie mit Behandlungen kombiniert werden, welche die Reparatur von Lungengewebe direkt fördern oder nachfolgende Schäden durch die adaptive Immunantwort abmildern."

ARCHIV - 24.11.2017, ----, ---: ILLUSTRATION - Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin einer tierexperimentellen Forschungseinrichtung hat eine Maus in der Hand. In Japan haben Forscher überlebensfähige Mäuse mit zwei biologischen Vätern erzeugt. (Illustration zu dpa "Ohne Erbgut einer Mutter: Mäuse-Babys mit zwei Vätern geboren") Foto: Friso Gentsch/dpa +++ dpa-Bildfunk +++.

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