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Fressfeind-Gefahr verkürzt bei Guppys Schwänze und Penisse

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Kleine Schwänze machen die Tiere wendiger
©APA, dpa, Sebastian Kahnert
Der Körperbau und die Familienplanung von Tieren ändern sich rasch, wenn Fressfeinde viele von ihnen erwischen, berichtet der österreichische Biologe Alexander Kotrschal. Schon nach drei Generationen gebaren Guppy-Fisch-Weibchen dann jung viele große Nachkommen, und den Männchen wuchsen kürzere Schwänze und Fortpflanzungsorgane. Diese sind bei der Flucht wohl weniger störend, erklärte er der APA. Die Studie ist im Fachjournal "Science Advances" erschienen.

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Alexander Kotrschal forscht an der Universität Wageningen in den Niederlanden. Dort setzte er mit Kollegen 180 Guppys (Poecilia reticulata) nach dem Geschlecht getrennt in große Becken. Diese waren dem ursprünglichen Lebensraum nachempfunden, nämlich Flussgewässern auf der Karibikinsel Trinidad. Wie im wirklichen Leben gab es einen Fressfeind in jedem Guppyteich. Diese Rolle spielten sogenannte Hechtbuntbarsche (Crenicichla alta).

Nach rund eineinhalb Monaten hatte der Raubfisch die Guppys auf jeweils ein Fünftel dezimiert. Dann entließen die Forscherinnen und Forscher die überlebenden Weibchen und Männchen in raubfischfreie Bassins. Dort zeugten diese Nachkommen. Bei der dritten Guppy-Generation, die unter solchen Bedingungen herangewachsen war, wurde dokumentiert, wann die Weibchen wie viele Jungfische gebaren (Guppys legen keine Eier, sondern sind lebendgebärende Fische) und den Körperbau der Nachkommen vermessen. Als Vergleich dienten Guppys, die im selben Becken hinter einer durchsichtigen Wand lebten. Sie konnten also den Raubfisch sehen, aber nicht von ihm gefressen werden.

Die Guppyweibchen aus dem Raubfischbecken beeilten sich mit dem Kinderkriegen. Sie setzten insgesamt nicht mehr Nachwuchs ins Gewässer, hatten aber jung mehr davon, und ihre Kinder waren größer. "Bei hohem Raubdruck ist es vorteilhaft, möglichst viel in die frühe Fortpflanzung zu investieren, weil die Wahrscheinlichkeit, dass man sich mehrmals reproduzieren kann, nicht sehr hoch ist", erklärte Kotrschal: "Als kleiner Jungfisch kann man wiederum von allen anderen gefressen werden." Jeder zusätzliche Millimeter reduziert die Zahl der Fressfeinde, in deren Maul man passt. "Wenn man etwas größer auf die Welt kommt, ist das also ein Startvorteil", so der Biologe.

Die Guppymännchen hatten wiederum nach drei Generationen stark dezimierender Raubfischpräsenz kürzere Schwänze und Geschlechtsorgane. Das machte sie vielleicht wendiger und vereinfachte ihre Flucht, meint Kotrschal. Ihr Geschlechtsorgan wird von Fachmännern- und -Frauen "Gonopodium" genannt und ist eine umgewandelte Afterflosse. "Sie funktioniert wie ein Penis", so der Biologe.

Die raubfischgeplagten Weibchen waren außerdem insgesamt kleiner und hatten weniger Körpergewicht. "Wir haben bei Versuchen in einem Schwimmtunnel herausgefunden, dass sie schneller waren als die Kontrolllinien (Das sind jene Fische, die nicht den Räubern ausgesetzt waren, Anm.)", berichtete Kotrschal: "Geschwindigkeit spielt also sicher eine Rolle, um dem Buntbarsch zu entkommen." Außerdem reduziert die geringere Körpergröße vielleicht auch die Jagdlust des Räubers, weil ihm der Verzehr eines größeren Weibchens schlicht mehr Kalorien Energie bringt.

Auf kräftige Färbung verzichteten die Guppymännchen zur Verwunderung der Forscher bei Hechtbuntbarschpräsenz aber nicht. Sie bringt ihnen einen Vorteil beim anderen Geschlecht: "Weibchen wählen typischerweise buntere Männchen", so der Biologe. Vielleicht konnte der Raubfisch in dem Becken trotz möglichst natürlicher Beleuchtung selbst die etwas dezenter geschuppten Männchen bestens sehen, oder es waren so viele Männchen im Becken, dass er sie nicht "suchen" musste, meint Kotrschal: "Aus solchen Gründen sollte nicht zu stark gewichtet werden, dass wir bei der Färbung keinen Effekt gefunden haben."

Service: https://dx.doi.org/10.1126/sciadv.adt4063

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