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Feminismus-Debatte: "Starke Gereiztheit" zwischen den Polen

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Das Kampffeld der Debatte: "Das Pen!smuseum" des Leykam Verlages
©APA, Leykam Verlag
Es ist ein Pulverfass: Am Rauswurf der feministischen Autorin Gertraud Klemm aus der für September geplanten Anthologie "Das Pen!smuseum" des Leykam Verlages zeigt sich für die Wiener Rechtsphilosophin Elisabeth Holzleithner eine "starke Gereiztheit in den feministischen Debatten". Wie schon andere populäre Stimmen, spricht sie sich für den Dialog unter Feministinnen aus, um der Sache an sich zu dienen.

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"Momentan ist die Debatte stark polarisiert. Man sollte sich doch darauf einigen können, dass es im Feminismus darum geht, das Leid zu verringern, das durch die hetero-patriarchale Geschlechterordnung verursacht wird", meint die Rechtsphilosophin und Expertin für Legal Gender Studies der Universität Wien gegenüber der APA. Statt "aufeinander loszugehen", Strömungen des Feminismus gegeneinander auszuspielen oder abwertende Zuschreibungen vorzunehmen, "wäre es so wichtig, Koalitionen zu bilden - über unterschiedliche Positionen des Feminismus hinweg".

Der anlassgebende Fall gilt in der medialen Öffentlichkeit als "Cancel Culture" par excellence. So führten angeblich transfeindliche frühere Aussagen Klemms, die via Social Media in Zusammenhang mit einem nicht zeitgemäßen Feminismusverständnis gebracht wurden, zur Absage des Buchbeitrags der Wiener Schriftstellerin durch die Herausgeberinnen des Sammelbandes, Mareike Fallwickl und Eva Reisinger, sowie den Grazer Verlag. In der Causa prallen vermeintlich "traditioneller Feminismus" und "intersektionaler Feminismus" aufeinander, oder auch "Alt-Feministinnen" und "Jung-Feministinnen".

Bezieht sich der "traditionelle Feminismus", in Kurzfassung, auf das biologische Geschlecht und damit die "Frau" und die mit biologischen und kulturellen Zuschreibungen verbundenen Benachteiligungen, beruft sich der "intersektionale Feminismus" auf ein erweitertes Verständnis von Geschlechtsidentität - auch im Sinne eines "Queer-Diskurses", der für einen offenen Geschlechterbegriff plädiert. Hier werden verschiedenste Aspekte sozialer Kategorien wie Geschlecht, ethnische Herkunft, Alter, Klasse und Behinderung marginalisierter Personen oder Gruppen in Betracht gezogen, wie es etwa bei der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung heißt.

Doch sind die Zugänge tatsächlich so ausschließlich, wie derzeit empfunden? Auch Vertreterinnen eines intersektionalen, queerfeministischen Ansatzes könnten durchaus einigen Argumentationspunkten von traditionellen Feministinnen etwas abgewinnen, unterstreicht Holzleithner, auch mit Blick auf eigene Erfahrungen. Und in die andere Richtung wäre ein offenerer Dialog ebenso konstruktiv. Denn der manchmal "großflächige Vorwurf" an den "queeren intersektionalen Feminismus", "dass die Probleme rund um Familie, Kindererziehung, Care-Arbeit etc. mit diesem Konzept nicht mehr gesehen werden, ist auch nicht fair". Es reiche heute nicht aus, nur das "heterosexuelle Paar mit seinen Kindern in den Blick zu nehmen. Man muss den Blick auch auf die Care-Dienstleisterinnen richten, die oft prekär leben, sehr viel Leistung um wenig Geld erbringen und deren Lebenssituation nicht nur aufgrund traditioneller Geschlechterstereotype sozial und ökonomisch prekär ist. Auch ihre Anliegen müssen von feministischen Kämpfen mitumfasst sein. Das heißt also, ein guter intersektionaler Feminismus öffnet den Blick auf weiterreichende Benachteiligungen", so die Sprecherin der Forschungsplattform "GAIN" der Uni Wien ("Gender: Ambivalent In_Visibilities").

Die aktuelle Polarisierung sieht die Expertin als großes Problem. Zuschreibungen, wie sie etwa auch Klemm mit dem Akronym "TERF" (Trans-exkludierende, radikale Feministin) erfuhr, seien nicht unproblematisch: "Vertreterinnen des traditionellen Feminismus verweisen darauf, dass mit dem weiblichen biologischen Geschlecht auch ein Rucksack an Zuschreibungen einhergeht, der sich von jenem von Transpersonen unterscheidet. Das muss überhaupt nicht transfeindlich sein - ein Standpunkt, der aber in den Sozialen Medien bisweilen sehr schnell vertreten wird."

In der aktuellen Debatte wird die jeweilige Gegenseite öfter durch Zuschreibung von Extrempositionen diskreditiert: "Im Moment tritt diese Polarisierung stark zutage. Das ist ja eigentlich auch das Traurige, das tut der Debatte an sich gar nicht gut", so die Rechtsphilosophin. Auch andere, wie etwa die Klagenfurter Autorin Angela Lehner in einem Gastbeitrag in der Wochenzeitung "Zeit", haben sich gegen das Vorgehen des Verlags in der Causa "Das Pen!smuseum" ausgesprochen - sowie für das Besinnen auf Gemeinsamkeiten. Auch Holzleithner plädiert für mehr Offenheit im Diskurs: Wir müssten es schaffen, "uns respektvoll über Positionen auszutauschen, die im gesellschaftlichen Diskurs vertreten werden und mit denen wir auch nicht übereinstimmen. Dabei ist es wichtig, achtsam zu kommunizieren - es kann aber auch nicht sein, dass man vor lauter Angst, das Falsche zu sagen, verstummt."

Im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit lässt die Universitätsprofessorin ihre Studierenden gerne in den Dialog treten und über Rollenspiele die verschiedenen Positionen diskutieren: "Wir versuchen herauszuarbeiten, was genau diese Positionen sind und was man ihnen auch entgegenhalten kann." Aus dem Blickwinkel der Rechtsprofessorin gesprochen meint sie, auch in Richtung derer, die gegen die sogenannte "Genderideologie" auftreten: "Wir reden heute nicht mehr von einer Pathologie, wenn es um Trans-Identität geht. Wir reden heute nicht mehr von einer Pathologie, wenn es um Intergeschlechtlichkeit geht. Wir sehen Variationen. Wir sehen Lebensmöglichkeiten. Und ein liberaler Staat soll die eröffnen."

(Das Gespräch führte Lena Yadlapalli/APA)

GRAZ - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/Leykam Verlag

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