News Logo
ABO

Feminismus vs. Feminismus: Ein Überblick über die zentralen Begriffe

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
7 min
Feminismus ist nicht gleich Feminismus
©APA, dpa, Elisa Schu
Feminismus ist nicht gleich Feminismus, wie sich im Fall der "gecancelten" Autorin Gertraud Klemm und dem ihr verwehrten Buchbeitrag zu "Das Pen!smuseum" des Leykam Verlages und der Herausgeberinnen Mareike Fallwickl und Eva Reisinger klar zeigt. In der Debatte treten verschiedene Strömungen auf und scheinbar gegeneinander an. Zuschreibungen sind per se problematisch, so die Wiener Rechtsphilosophin Elisabeth Holzleithner. Schon alleine, weil sie kaum Raum für Nuancen lassen.

von

Der "radikale" oder "traditionelle" Feminismus, der mit Alice Schwarzer eine weithin bekannte Proponentin im deutschen Kulturraum hat, kommt aus der frühen Frauenbewegung. Die hier thematisierten geschlechtsspezifischen Benachteiligungen beziehen sich auf die biologische Unterscheidung zwischen "Mann" und "Frau". So werden Probleme, etwa in Bezug auf Lohnarbeit, Fürsorge etc. in Bezug zu jenen gesetzt, die als Frauen geboren wurden, als solche aufgewachsen sind und als "Frau" leben. Mit "Frau" meinen "traditionelle" oder auch "radikale" Feministinnen in der Regel Cis-Frauen, bei denen das biologische Geschlecht mit der Geschlechtsidentität übereinstimmt.

Auch die Einordnung von "Sexarbeit" und Pornografie spielt laut Holzleithner eine wichtige Rolle: Diese werden von traditionellen Feministinnen unter dem Begriff der Prostitution abgelehnt, weil Frauen darin zum Objekt von männlicher Lust degradiert und zur Ware gemacht werden. Andere Strömungen stehen dem als Ausdruck von Selbstermächtigung prinzipiell aufgeschlossen gegenüber, haben aber durchaus auch Phänomene der Ausbeutung und Erniedrigung im Blick.

Die Strömung geht auf die US-amerikanische Rechtswissenschafterin Kimberlé Crenshaw zurück, die 1989 den Begriff "Intersektionalität" prägte und sich mit der Verschränkung von Rassismus und Sexismus in den Diskriminierungserfahrungen Schwarzer Frauen beschäftigte. Heute steht intersektionaler Feminismus dafür, auf die multiplen Ungleichheiten sowie Diskriminierung verschiedenster marginalisierter Gruppen zu verweisen, wie sie etwa von Abstammung, Gender, sexuellen Identitäten, Religion und sozialen Klassen her ausgehen können. Das Geschlecht wird mittlerweile als etwas gesehen, das jede Person nur für sich selbst bestimmen kann - Stichwort "geschlechtliche Selbstbestimmung". Damit sind selbstverständlich auch trans Frauen eingeschlossen. Als Vertreterinnen von intersektionalem Feminismus gelten auch die Autorinnen Fallwickl und Reisinger.

Die in diesem Zusammenhang verwendete und Offenheit demonstrierende Abkürzung "FLINTA" (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, transgeschlechtliche und agender Personen) ordnet Holzleithner dem "dekonstruktiven Feminismus" zu, der maßgeblich von Judith Butler ("Das Unbehagen der Geschlechter", 1990) geprägt wurde. Vor allem jüngere Feministinnen berufen sich auf "FLINTA". Das Akronym steht im Zentrum des von Autorin Klemm verfassten Essays aus dem Jahr 2022 in der Tageszeitung "Standard", in dem sie sich mit dem Verschwinden der Kategorie "Frau" auseinandersetzt und der von ihr in den Raum gestellten Gefahr, dass vom Erweitern des Geschlechterbegriffs und von Konfrontationen verschiedener feministischer Strömungen letztlich nur "das Patriarchat" profitiert.

Die Abkürzung TERF steht für "Trans-exkludierende, radikale Feministin" oder "trans-exclusionary radical feminist". Der TERF-Vorwurf wurde im Zusammenhang mit den wiederholten trans-kritischen Äußerungen der britischen "Harry Potter"-Autorin J. K. Rowling einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Die Zuschreibung wurde in der aktuellen Debatte auch Autorin Klemm zuteil - Personen ordnen sich der Strömung tendenziell nicht selbst zu. Holzleithner unterstreicht, dass "Transfeindlichkeit" für ein sehr breites Spektrum verwendet wird - für jene, die tatsächlich ablehnen, trans Frauen als Frauen anzuerkennen, bis hin zu jenen, die bloß auch auf die Lebensumstände und -erfahrungen verweisen, die typischerweise eine als Frau geborene Person erlebt hat.

Wurden "Transsexuelle" durch die Diagnose einer "Geschlechteridentitätsstörung" in den 1970ern noch pathologisiert und als "psychisch krank" abgestempelt, so habe sich ihre gesellschaftliche Anerkennung immer stärker durchgesetzt - auch durch die zunehmende rechtliche sowie medizinische Anerkennung Betroffener sowie durch mehr öffentliches Bewusstsein für entsprechende Lebensgeschichten. Seit rund zehn Jahren gibt es einen starken Zug in Richtung einer "Entpathologisierung". So spricht die Weltgesundheitsorganisation WHO seit 2018 von "Geschlechts-Inkongruenz" (gender incongruence). Das markiere einen Meilenstein für die Anerkennung von Transpersonen. Im Gegenzug sind dadurch, trotz der "positiven Entwicklung im Sinne der freien Entfaltung der Persönlichkeit in einem liberalen Rechtsstaat", auch Ängste entstanden, etwa in Bezug auf Missbrauch (angeblicher "Gender Fraud"), so Holzleithner.

Auch wenn intersektionaler Feminismus heute oft als "zeitgenössisch" tituliert wird, spricht der historische Blick eher gegen einen Generationenkonflikt, meint Holzleithner: Kimberlé Crenshaws Konzept der Intersektionalität Ende der 1980er wurde Mitte bis Ende der 1990er Jahre von deutschsprachigen, akademischen Feministinnen aufgegriffen. Es gebe heute eine Generation "in ihren späten 50ern bis 70ern", die das Konzept weiter mitentwickelt habe. Auch die auf Judith Butler zurückgehende Geschlechterdekonstruktion prägt Feministinnen schon seit einigen Dekaden. Insofern sei bei den Zuschreibungen "Jung" gegen "Alt" Vorsicht geboten, auch wenn es heute Tendenzen geben könnte, dass jüngere Generationen verstärkt queere und intersektionale Standpunkte vertreten.

Mit Blick auf kulturräumliche Unterschiede verweist Holzleithner etwa auf den "gynozentrischen Feminismus", der die "Weiblichkeit" der Frau stark in den Vordergrund rückt. Oder auch eine starke Tradition eines "säkularen Feminismus", der dem Präsentieren von religiösen Symbolen im öffentlichen Raum sehr kritisch gegenübersteht und damit etwa das Kopftuch oder die Verschleierung im religiösen Kontext ablehnt - eine Position, die wiederum auch die deutsche Frauenrechtlerin Alice Schwarzer immer wieder lautstark und kontroversiell vertritt. Dagegen wenden sich wiederum intersektionale Feministinnen, weil es dadurch zur Diskriminierung von Frauen kommt, die religiöse Kleidungsstücke tragen. Deren Autonomie wird nicht hinreichend ernst genommen.

LEIPZIG - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa/Elisa Schu

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER