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130 Jahre österreichische Grabung in Ephesos

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Eine imposante Tempelanlage in der Stadt
©APA, ÖAW-ÖAI, Gail, Wurzer, NIKI GAIL, JUDITH WURZER
Das antike Ruinenfeld zeugt von einer 9.000 Jahre zurückgehenden Besiedlungsgeschichte: Ephesos gilt als ein Juwel unter den archäologischen Grabungsstätten weltweit - vor allem auch, weil es nie überbaut wurde. Erforscht wird es seit 130 Jahren unter österreichischer Leitung.

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"Wetter klar und gut, windstill. 87 Arbeiter treten an", notierte Otto Benndorf am 20. Mai 1895 in seinem Grabungstagebuch, als er erstmals den Spaten ansetzte. Das Datum markiert den Startpunkt für Österreichs langzeitliche Forschungsunternehmung in Ephesos. Die Stadt besaß mit dem Tempel der Artemis eines der Sieben Weltwunder der Antike. Die Arbeiten erfolgen unter Leitung des 1898 gegründeten Österreichischen Archäologischen Institutes (ÖAI), das heute zur Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gehört. Im lykischen Limyra hat das ÖAI die Verantwortung für eine zweite Grabungsstätte in der Türkei.

Ephesos, beim heutigen Selcuk in der Westtürkei gelegen, war vom Neolithikum bis in das Mittelalter durchgehend besiedelt: Spuren erster Siedlungen gehen bis 6800 Jahre v. Chr. zurück. Ihre erste Blütezeit hatte die Stadt, damals noch am Meer gelegen, unter den Griechen. Mit der Eingliederung Kleinasiens in das römische Reich (133 v. Chr.) und der späteren Ernennung von Ephesos zur Hauptstadt der "Provinz Asia" (etwa 60 v. Chr.) kam der Aufstieg zur antiken Metropole. Wirtschaftskrise, ein großes Erdbeben und der Einfall der Goten schwächten die Stadt.

Unter byzantinischer Herrschaft (5. bis 15. Jahrhundert) war Ephesos noch relativ wichtig. Als Missionsort des Apostels Paulus, als der geglaubte Aufenthalts- und Sterbeort von Apostel Johannes sowie der Legende nach Sterbeort Marias war Ephesos eine der frühen Stätten des Christentums und ein bedeutendes Pilgerzentrum. Schließlich wurde die Stadt im Osmanischen Reich bedeutungslos.

Unter den Römern wurde Ephesos zu einer der größten Städte des Kaiserreiches. Grundlage und Lebensader für die Stadt waren ihr Hafen, einer anhaltenden Verlandung - auch beeinflusst durch die Rodung von Waldflächen und Landwirtschaft durch den Menschen - wollte man mit einem Kanal trotzen. Am Beginn des 8. Jahrhunderts versiegte aber die Meeres-Verbindung. Heute liegt Ephesos sieben Kilometer vom ägäischen Meer entfernt.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen zunächst von British Museum finanzierte Grabungen in Ephesos: John Turtle Wood widmete sich im Jahr 1863 der Suche nach dem der "Sonder-Göttin" Artemis Ephesia gewidmeten Artemision. Er fand es, aber die ausgehobenen Funde entsprachen nicht den Erwartungen. So ergab sich eine Chance für die Österreichisch-Ungarische Monarchie - damals auf der Suche nach einer repräsentativen antiken Grabung.

Der Ordinarius für Klassische Archäologie an der Universität Wien, Otto Benndorf, stellte 1893 dem Cultus-Ministerium ein fünfjähriges Grabungsprojekt für Ephesos vor. Mit der Genehmigung und einer Spende des Privatmanns Karl Mautner Ritter von Markhof in Höhe von 10.000 Gulden im Gepäck startete er 1895 die österreichischen archäologischen Grabungen.

Zu den jüngsten sensationellen Funden zählen für Ephesos-Grabungsleiter Martin Steskal etwa die frühbyzantinische Freilegung des Geschäfts- und Lokalviertels am Domitiansplatz, die unter Steskals langjähriger Vorgängerin Sabine Ladstätter erfolgte. Auch gelang jüngst die wissenschaftliche Entkräftung, dass der 1929 in Ephesos gefundene Schädel nicht jener von Kleopatras Schwester Arsinoë IV ist. DNA-Analysen belegten die Abstammung von einem nicht aus Ägypten stammenden Buben. Man habe sich zudem zuletzt viel mit Friedhöfen befasst: "In einem Grab ist man dem Menschen besonders nah", so Steskal. Hier gebe es die Möglichkeit, zu früheren Ernährungsgewohnheiten, Lebenserwartungen und anderen Fragen zu forschen.

Einige Funde, wie z.B. der 1903 ausgehobene Parther-Fries als das bedeutendste Relief römischer Zeit in Kleinasien, das zur Feier des römischen Sieges über ein Barbarenheer errichtet worden war, wurden - im Zuge der damals gesetzlich verankerten "Fundteilung" - nach Wien, ins heutige Ephesos-Museum am KHM Wien, gebracht. Seit 1906 verbleiben alle Funde in der Türkei.

Mit der Freilegung der großen Straßen, etwa der Kuretenstraße, zog Ephesos ab den 1950er Jahren vermehrt Touristen an. Damals erfolgte auch die erste Wiedererrichtung: der sogenannte Hadrianstempel an der Kuretenstraße. Auch die berühmten Artemisstatuen erblickten damals zum zweiten Mal das Licht der Welt. Die als "Hanghäuser" bekannt gewordenen römischen Luxus-Wohnbauten wurden ab den 1960er-Jahren ausgegraben. Mit Hilfe einer modernen, im Jahr 2000 fertiggestellten Dachkonstruktion geschützt, konnten sie für Besucher wieder zugänglich gemacht werden. In den 1970er Jahren wurde die Fassade der Celsusbibliothek wieder errichtet. Diese Anastylose (Einweihung 1978) gilt als ein Meilenstein in der Geschichte der österreichischen Forschungen in Ephesos. Die UN-Kulturorganisation UNESCO hatte die Ausgrabungsstätte 2015 in die Welterbeliste aufgenommen.

Alljährlich sind rund 250 Wissenschafter aus knapp 20 Ländern an den Grabungen, der Aufarbeitung der Funde sowie Restaurierung und Konservierung beteiligt. Die zentralen Grabungsmonate sind Mai bis Ende Oktober, um die Genehmigung für Grabungsarbeiten müssen die Österreicher alljährlich - bei bestehender Grabungslizenz - in der Türkei ansuchen.

Über die 130 Jahre mussten die Arbeiten immer wieder einmal wegen politischer Krisen eingestellt werden, erstmalig 1908 anlässlich der Bosnischen Annexionskrise. Eine längere Unterbrechung von 1936 bis 1954 ging mit dem Zweiten Weltkrieg einher. Im September 2016 musste man bis 2018 stoppen, nachdem es zur Verstimmung zwischen Österreich und der Türkei gekommen war. Hintergrund war die ultimative Forderung Österreichs, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen. Auch die Corona-Pandemie sorgte für eine Unterbrechung.

EPHESOS - TÜRKEI: FOTO: APA/APA/ÖAW-ÖAI/Gail, Wurzer/NIKI GAIL,JUDITH WURZER

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