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Wissenschafter der deutschen Universitätsklinik, des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) und der Helmholtz-Gesellschaft waren an der Untersuchung beteiligt. Erst vor kurzem hatte eine wissenschaftliche Studie mit der Auswertung von 6,4 Millionen Nüchtern-Blutzuckertests in Österreich ergeben, dass etwa jeder fünfte Erwachsene in Österreich an Prädiabetes leidet. Nüchtern-Blutzuckerwerte (auch: Blutglukose) von mehr als 97 Milligramm pro Deziliter gelten als Hinweis. Als Prädiabetes wird aber auch ein mittelfristiger Blutzuckerwert (HbA1c) zwischen 5,7 Prozent und 6,4 Prozent verstanden. Zwei Messungen mit HbA1c-Werten von mehr als 6,5 Prozent gelten als Hinweis für eine Zuckerkrankheit. Mit dem HbA1c-Pegel im Blut wird die Zuckerbelastung der roten Blutkörperchen gemessen bzw. angegeben.
"Millionen Menschen (...) leben mit erhöhten Blutglukosewerten, ohne es zu wissen. Sie gelten damit als 'prädiabetisch' - ein Frühstadium, das bisher ohne klar definiertes Therapieziel blieb. Menschen mit Prädiabetes erhalten in der Regel die Empfehlung, Gewicht zu verlieren, sich mehr zu bewegen und sich gesünder zu ernähren. (...) Doch eine entscheidende Frage blieb bisher offen: Schützen sie das Herz auch langfristig? Bisher konnte kein Lebensstilprogramm für Menschen mit Prädiabetes überzeugend zeigen, dass es Herzinfarkte, Herzschwäche oder kardiovaskuläre Todesfälle über Jahrzehnte hinweg nachhaltig reduziert", hieß es von der Tübinger Universitätsklinik in einer Aussendung.
Die neue Studie dürfte wesentliche Antworten geben. Es handelt sich um die gemeinsame Auswertung von zwei der weltweit größten Diabetespräventionsstudien - aus den USA und China. Zusammen mit den Co-Autoren aus den beiden Ländern konnten die deutschen Wissenschafter zeigen: Entscheidend ist offenbar nicht die Lebensstiländerung an sich, sondern, ob es Menschen mit Prädiabetes gelingt, dadurch ihre Blutzuckerwerte wieder in den Normalbereich zu bringen. Das entspräche einer Remission einer Vorstufe der Zuckerkrankheit.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchung wurden die Langzeitdaten von mehr als 2.400 Menschen mit Prädiabetes analysiert. Das Ergebnis: Menschen, denen es gelingt, ihren Blutglukosewert zu normalisieren, haben ein deutlich geringeres Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben oder wegen Herzschwäche ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, als diejenigen, deren Glukosewerte erhöht bleiben - selbst dann, wenn beide Gruppen in ähnlichem Ausmaß an Gewicht verlieren.
"In beiden Studien war für die Teilnehmenden das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle um rund 50 Prozent geringer, auch die Sterblichkeit insgesamt (alle Ursachen; Anm.) sank signifikant. Die amerikanische Studie beobachtete ihre Probanden über einen Zeitraum von 20 Jahren, ihr chinesisches Pendant sogar über 30 Jahre", stellten die an der Untersuchung beteiligten deutschen Wissenschafter fest. Sie hatten die Datensätze aus der chinesischen und der US-Studie harmonisiert und erneut ausgewertet, um Raten von kardiovaskulärem Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz bei Personen mit und ohne Prädiabetes-Remission zu vergleichen.
Bisher stützte sich die Herz-Kreislauf-Prävention vor allem auf drei Säulen: Blutdruckkontrolle, Senkung des LDL-Cholesterins und Rauchstopp. Mit den neuen Erkenntnissen könnte demnach ein vierter Pfeiler hinzukommen: die nachhaltige Normalisierung des Blutzuckers bei Prädiabetes.
"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Remission des Prädiabetes nicht nur - wie bereits bekannt - den Ausbruch eines Typ-2-Diabetes verzögert oder verhindert, sondern Menschen auch langfristig vor schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützt - und zwar über Jahrzehnte hinweg", sagte dazu Andreas Birkenfeld, Vorstandsmitglied des deutschen Diabetes-Forschungszentrums (DZD) und Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik IV an der Universitätsklinik Tübingen.
Es muss nicht einmal der HbA1c-Wert sein, der gemessen wird. Ein Nüchternblutzuckerwert von höchsten 97 Milligramm pro Deziliter erwies sich als einfacher Marker für ein dauerhaft geringeres Herzrisiko - unabhängig von Alter, Gewicht oder ethnischer Herkunft. Diese Schwelle könnte weltweit in der jeder Hausarztpraxis bzw. Primärversorgungseinheit Anwendung finden und so die Prävention greifbarer machen, wie die Wissenschafter betonten.






