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Der neue Plan der US-Regierung für ein Ende des russischen Angriffskriegs enthält zahlreiche Vorschläge, die für Kiew nur schwer zu akzeptieren sein dürften. Der Entwurf des 28 Punkte umfassenden Abkommens, das einen dauerhaften Waffenstillstand absichern soll, enthält Punkte wie: kein NATO-Beitritt der Ukraine, ein kleineres Heer und dauerhafte Gebietsabtretungen.
Eine Delegation unter Leitung von Daniel Driscoll, einem Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium, hatte die neuesten Vorstellungen der Regierung von Präsident Donald Trump bei Gesprächen in Kiew präsentiert. Nach Angaben seines Büros will der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bald mit Trump telefonieren. Selenskyj soll noch am Freitag mit US-Vizepräsident Vance sprechen, meldete ein Reporter des Nachrichtenportals "Axios" auf der Plattform X.
"Wir arbeiten an dem von der amerikanischen Seite vorbereiteten Dokument. Dies muss ein Plan sein, der einen echten und würdigen Frieden gewährleistet", betonte Selenskyj nach einem Gespräch mit europäischen Amtskollegen am Freitag.
"Wir prüfen sorgfältig alle Vorschläge unserer Partner und erwarten eine ebenso respektvolle Haltung gegenüber der Position der Ukraine", sagte Rustem Umjerow, der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine. Die unveränderlichen Prinzipien für die Regierung in Kiew seien "Souveränität, die Sicherheit der Menschen und ein gerechter Frieden". Die ukrainische Botschafterin in den USA, Olha Stefanischyna, schloss Grenzverschiebungen kategorisch aus. Stefanischyna bezeichnete die 28 Punkte des Plans als "russisch". "Man kann über jeden einzelnen Punkt sprechen, aber wenn man das ernst nimmt, ergibt das nicht viel Sinn."
Laut übereinstimmenden Berichten sieht der Entwurf aus Washington weitreichende Gebietsabtretungen an Russland vor: Die Krim und die ebenfalls besetzten ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk werden als faktisch russisch anerkannt. Dazu muss die Ukraine qua Verfassung auf einen Beitritt zur NATO verzichten, die Größe ihres Heers auf 600.000 Mann beschränken und atomwaffenfrei bleiben. Zwar darf sie - zumindest theoretisch - der EU beitreten, angesichts der komplizierten Gemengelage dürfte es dazu in absehbarer Zukunft aber ohnehin kaum kommen.
Laut dem Entwurf würde sich die ukrainische Armee aus dem von ihr kontrollierten Teil der Region Donezk zurückziehen, der zu einer entmilitarisierten Pufferzone unter russischer Kontrolle werden würde. Die beiden teilweise von Russland kontrollierten Regionen Cherson und Saporischschja im Süden der Ukraine würden dem Plan zufolge entsprechend der aktuellen Frontlinie aufgeteilt.
Zudem sieht der Plan vor, dass das Atomkraftwerk Saporischschja der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA unterstellt und der dort produzierte Strom zu gleichen Teilen zwischen der Ukraine und Russland aufgeteilt wird.
Bereits jetzt ist etwa ein Fünftel der Ukraine von russischen Truppen besetzt. Ein Großteil davon ist nach fast vier Jahren Krieg weitgehend zerstört.
Im Gegenzug werden der Ukraine "zuverlässige Sicherheitsgarantien" der USA in Aussicht gestellt. Einem Medienbericht zufolge geht es um eine an den NATO-Artikel 5 angelehnte Klausel. Ein "bedeutender, vorsätzlicher und anhaltender bewaffneter Angriff" Russlands über die Waffenstillstandslinie hinweg würde demnach als Angriff gewertet, der den transatlantischen Frieden bedroht, wie aus dem von Axios veröffentlichten Text hervorgeht. Die NATO-Mitglieder würden sich verpflichten, bei einer solchen Verletzung gemeinsam mit den USA zu handeln. Das Abkommen soll nach Unterzeichnung zehn Jahre lang gültig sein.
Die NATO ihrerseits soll sich außerdem verpflichten, keine Truppen in die Ukraine zu entsenden. In Polen sollen "europäische Kampfflugzeuge" stationiert werden. Russland und die USA würden laut dem US-Plan wieder über nukleare Rüstungskontrolle sprechen.
Die Souveränität der Ukraine sollte bestätigt - und Russland, die Ukraine und Europa die Konflikte der vergangenen 30 Jahre für beendet erklären. Russland, das den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg im Februar 2022 begann, soll auf weitere Gebietsansprüche verzichten und sich per Gesetz dazu verpflichten, Aggressionen gegenüber Europa und der Ukraine abzuschwören. Beschlagnahmtes russisches Staatsvermögen in Milliardenhöhe soll dazu genutzt werden, Wiederaufbau und Investitionen in der Ukraine zu fördern - eine Bedingung, die für Moskau nicht leicht zu akzeptieren sein dürfte.
Für ihre nicht näher definierten Sicherheitsgarantien würden die USA gemäß dem Friedensplan entlohnt. So sollen sie von diversen Wirtschaftsprojekten profitieren, etwa im Energiesektor und bei der Ausbeutung seltener Erden. Russland wiederum würde nach all den Sanktionen der vergangenen Jahre wieder in die Weltwirtschaft integriert und eingeladen, der Gruppe führender Industrienationen nach seinem zeitweisen Ausschluss erneut beizutreten. Aus den G7 würden damit wieder die G8.
Der US-Plan sieht weiters vor, dass Gefangene und Tote nach dem Prinzip "Alle gegen alle" ausgetauscht werden. Zivilisten müssten freigelassen, Familien zusammengeführt werden - und für alle am Krieg Beteiligten sollte es eine umfassende Amnestie geben.
Eine amerikanisch-russische Arbeitsgruppe zu Sicherheitsfragen soll darüber wachen, dass die Abmachungen eingehalten werden - und ein "Friedensrat" die Einhaltung des Abkommens garantieren. Trump selbst würde dem "Friedensrat" vorstehen, der den Waffenstillstand überwachen soll - angelehnt an den Nahost-Friedensplan und die darauf basierende Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel. Wenn alle Seiten dem Friedensplan zugestimmt haben und der militärische Rückzug auf vereinbarte Positionen abgeschlossen ist, beginnt - so das Ziel - der Waffenstillstand. Zudem sollen 100 Tage nach Abschluss des Abkommens Wahlen in der Ukraine abgehalten werden.
Die US-Regierung hatte am Donnerstag Bedenken wegen einer Begünstigung Moskaus zurückgewiesen. Es sei ein "guter Plan, sowohl für Russland als auch für die Ukraine", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt. "Und wir glauben, dass er für beide Seiten akzeptabel sein sollte."
Der Friedensplan wurde nach Darstellung des russischen Präsidialamts nicht mit Moskau erörtert, obwohl er in vielen Punkten russischen Forderungen ähnelt. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte am Freitag, sein Land sei offen für weitere Verhandlungen. Die Fortsetzung militärischer Gewalt begründete er damit, so Selenskyj "zu überzeugen, dass es besser ist, zu verhandeln, und zwar jetzt - besser jetzt als später." Der Handlungsspielraum der Ukraine werde nur noch kleiner werden, da durch die Offensive der russischen Armee Gebiete verloren gehen, warnte Peskow.
Russland führt seit mehr als dreieinhalb Jahren Krieg in der Ukraine. Moskau hat dabei unter anderem die Abtretung der ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson neben der schon 2014 annektierten Halbinsel Krim als Forderung formuliert.






