Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer über das Sparprogramm der Bundesregierung und drohende Denkzettel der Wählerinnen und Wähler bei der Landtagswahl in seinem Bundesland.
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Dieses und nächstes Jahr stehen keine großen Wahlen in Österreich an. Die erste, die folgt, wird 2027 die Landtagswahl in Oberösterreich sein. In derzeitigen Umfragen zeichnet sich auch hier ein Kopf-anKopf-Rennen zwischen ÖVP und FPÖ ab. Was muss passieren, damit nicht, wie zuletzt in der Steiermark, die FPÖ vorne ist?
Wir setzen alles dran, dass wir auch in zwei Jahren den Hauptauftrag für die Regierung bekommen. Es gibt bis dahin noch genug zu tun. Wir müssen Tag für Tag den Landsleuten zeigen, dass wir unsere Verantwortung wahrnehmen, dann können wir erfolgreich sein. In den letzten Jahren war es immer so, dass die Ergebnisse von Bundes- und Landeswahlen in Oberösterreich auseinandergedriftet sind. Lange war bei uns bei Bundeswahlen die SPÖ vorne, im Land die ÖVP. Wir haben immer rund zehn Prozentpunkte besser abgeschnitten als die Bundes-ÖVP.
Die FPÖ kann in Oberösterreich als Regierungspartei nicht die Protestwelle reiten. Dennoch holt sie auf.
Naturgemäß beschäftige ich mich nicht so sehr mit anderen Parteien. Erfreulich ist, dass wir trotz aller Schwierigkeiten, die die Bundes-ÖVP in den letzten Jahren hatte, noch immer die Nummer eins in Oberösterreich sind.
Ich weiß schon, dass es, wenn die Einsparungen greifbar werden, nicht nur Freude auslöst
Im Bund werden große Sparpakete geschnürt. Den Denkzettel dafür könnten Sie 2027 bekommen.
Ich bin jetzt einmal grundsätzlich froh, dass es eine stabile Regierung gibt. Der Bundeskanzler, Christian Stocker, zeigt in dem, was er tut und wie er entscheidet, Verlässlichkeit. Ich glaube, es gibt ein breites Verständnis in der Bevölkerung, dass man als öffentliche Hand nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben kann. Wir haben in Oberösterreich die Tradition, dass wir auf unseren Haushalt schauen. Wir sind ja auch das einzige Bundesland, das die Maastricht-Kriterien einhalten konnte. Aber ich bin kein Illusionist. Ich weiß schon, dass es, wenn die Einsparungen greifbar werden, nicht nur Freude auslöst. Dennoch glaube ich, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um zu sparen, damit man auch wieder Spielraum für Impulse gewinnt, die die Wirtschaft braucht.
Wird es bis 2027 überhaupt etwas zu verteilen geben? Ursprünglich wollte die Regierung dann die Lohnnebenkosten senken. Sieht nicht danach aus, oder?
Unser ganzes Bestreben ist, alles zu tun, dass wir eine Konjunkturbelebung für den Standort Oberösterreich zustande bringen. Neben dem Sparen und den Reformen braucht es dafür solche Impulse. Im Land sparen wir, haben aber auch ein 1,5-Milliarden-Paket, um ganz gezielt in den Regionen zu investieren, dazu noch ein eigenes Paket, um die Gemeinden zu unterstützen.
Die Politik begründet das hohe Defizit damit, dass die Wirtschaftsprognosen der letzten Jahre zu optimistisch waren. Man hätte aber auch bei guten Prognosen vorsichtiger budgetieren können. War man in Bund und Ländern unvorsichtig?
Natürlich kann man das mit dem heutigen Wissen sagen. Es stimmt, die Prognosen waren anders, aber letztlich entscheidet immer die Politik. Es ist halt sehr viel zusammengekommen. Förderungen, die zu lange und zu breit ausbezahlt wurden. Die Wirtschaft ist zu lange nicht in Schwung gekommen. Dazu die Abschaffung der kalten Progression, die zusätzlich die öffentlichen Einnahmen gesenkt hat. Das alles zusammen überfordert den öffentlichen Haushalt.
Die Abschaffung der kalten Progression war Wunsch der ÖVP.
Es ist von unserer Wertehaltung her auch richtig. Aber es ist einfach zu viel auf einmal gewesen. Jetzt einen Schuldigen zu suchen, ist aber müßig. Man muss die Situation managen und da wieder rauskommen.


Die Bundesregierung hat bei Klimasubventionen radikal gekürzt, klimaschädliche Förderungen aber nicht angetastet. Sind die als nächstes fällig?
Man sollte sich wieder darauf besinnen, wozu es Förderungen gibt: für Bevölkerungsgruppen, die in schwierigen Situationen sind, und für Entwicklungen, die noch nicht marktreif sind. Das alles auf einen Zeitraum angelegt, dann muss das Ding auf eigenen Beinen stehen oder die Leute sollen sich wieder selbst helfen können. Diese Grundsätze wurden nicht eingehalten. Stichwort Klimapolitik: Da haben wir uns zu viel zu schnell vorgenommen, zu viel verboten. Dabei wurde ausgeblendet, dass wir auch international wettbewerbsfähig bleiben müssen. Nicht zu Unrecht hat die EU-Kommission in manchen Dingen zurückgeschaltet. Wir haben nichts von ehrgeizigen Zielen, die wir auf der Welt nicht durchsetzen und die uns schaden.
Soll man bei Pendlerpauschale, Dieselprivileg etc. etwas tun?
Wir müssen jetzt die Wirtschaft in Schwung bringen. Ein Flächenbundesland wie Oberösterreich wird immer Mobilität brauchen. Daher muss man die Leute unterstützen und schauen, dass sie zum Arbeitsplatz kommen.
Brauchen Menschen mit hohem Einkommen diese Unterstützung?
In Oberösterreich haben wir eine Fernpendlerbeihilfe, die an gewisse Kriterien geknüpft ist. Ich bin sowieso dafür, dass es bei Förderungen klare Bedingungen gibt und klar ist, wer es braucht und wer nicht.
Oberösterreich ist das einzige Bundesland, das die Maastricht-Kriterien erfüllt, kassiert aber besonders hohe Umlagen von Gemeinden. Die Mehrheit von denen ist verschuldet. Ist das lauterer Wettbewerb?
Das ist ja der Grund, warum wir österreichweit dringend über die Zuteilung der Aufgaben und das Geld, das zur Erledigung dieser Aufgaben folgt, reden müssen. Wenn man genau schaut, ist in Oberösterreich sehr ausgewogen, was Land und Gemeinden zahlen. Viele Investitionen sind ja in diese Vergleiche nicht einberechnet. Das Land unterstützt in den Gemeinden Sportvereine, Musikschulen oder Kulturveranstaltungen. Die einzige Frage ist: Dient es der Lebensqualität der Bürger? Denen ist die Finanzstruktur dahinter eher egal.
Der Bund hat zuletzt die Gehälter im öffentlichen Dienst für zwei Jahre verhandelt. Mit deutlichen Steigerungen. Das schlägt sich auch in Landesund Gemeindebudgets nieder. Soll im Herbst nachverhandelt werden?
Ich höre, dass es solche Gespräche geben könnte. Wir haben uns im Land im Personalbereich jedenfalls vorgenommen, gut zehn Millionen Euro einzusparen. Wie das gemacht wird, muss der jeweilige Bereich für sich entscheiden, etwa durch Nichtnachbesetzungen und Umstrukturierungen.
Oberösterreich steckt tiefer in der Rezession als Gesamt-Österreich. Warum?
Als Industriestandort kommen zwei Drittel der Wertschöpfung aus dem Export. Da spüren wir jetzt auch noch zusätzlich die Zollpolitik der USA, die unser zweitwichtigster Handelspartner sind. Wir versuchen gegenzusteuern. Wir unterstützen massiv Studium und Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz, wollen das jetzt mit der Anwendung in der Industrie verknüpfen. Wir setzen stark auf Quantentechnologie. Und wir wollen das große Investitionspaket in Deutschland mitnützen – etwa bei Schieneninfrastruktur und Sicherheitsinvestitionen – und so hoffentlich Wachstum erzeugen.
Wenn Amerika ein immer unverlässlicherer Partner wird, muss man sich neu orientieren
Dazu muss man erst die internationalen Ausschreibungen gewinnen.
Vollkommen klar. Aber da will ich unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Im Bereich der Schienenerzeugung haben wir in Oberösterreich Weltmarktführer und daher gute Chancen.
Die Bundesregierung hat eine Industriestrategie bis Ende des Jahres angekündigt. Was erwarten Sie von dieser – und wieso dauert das so lang, wenn der Hut schon brennt?
Es gibt Sofortnahmen, wie den Stromausgleich, für den ich mich sehr eingesetzt habe. Neben den Lohnnebenkosten hat es die Industrie auch wegen der Energiekosten schwer. Ganz Europa hat einen Strompreisausgleich, wir nicht. Dass sich Österreich eine Industriestrategie überlegt, ist wichtig, weil sich die Weltmärkte neu ordnen und wir schauen müssen, welche Forschung, welche Kooperationen und welche Unterstützung es braucht. Wenn Amerika ein immer unverlässlicherer Partner wird, muss man sich neu orientieren. Das kann man aber nicht aus dem Ärmel schütteln.
Oberösterreich hat mit Wolfgang Hattmannsdorfer im Wirtschaftsministerium jemand in einer Schlüsselposition. Der gilt als ehrgeizig. Wo sehen Sie ihn in fünf Jahren? Hier im Landeshauptmannbüro oder im Bundeskanzleramt?
Ich sehe ihn auf jeden Fall als Aktivposten. Und finde es auch gut, dass er das aktiv anlegt, denn gerade von jüngeren Regierungsmitgliedern erwarten die Leute das auch.
Thomas Stelzer, 58
Der gebürtige Linzer stieg nach seinem Jus-Studium rasch in die Politik ein. Er war Landesobmann der Jungen ÖVP, Klubobmann im oberösterreichischen Landtag und später in der Landesregierung Stellvertreter von Landeshauptmann Josef Pühringer.
Diesem folgte er 2017 im Amt des Landeshauptmanns nach. Er regiert in einer Koalition mit der FPÖ. Durch das Proporzsystem sind auch SPÖ und Grüne in der Landesregierung vertreten.
Dieser Beitrag ist in der News-Printausgabe Nr. 30+31/25