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2nd Opinion: Kurz, Kern und die Gulaschkanonen

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Michael Fleischhacker

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Die Wiederkehr der Gewesenen in der österreichischen Politik steht ständig kurz bevor, obwohl der Wiener weiß, dass aufgewärmt nur ein Gulasch schmeckt. Über Kurz, Kern, Merz und Churchill, und über die Schwierigkeiten der Gulasch-Existenz in der Politik.

Aufg’wärmt, sagt der Wiener, schmeckt nur „a Gulasch“. Was der Wiener damit sagen will, ist, dass sich eine Wiederaufnahme früherer Beziehungen, Liebesbeziehungen zumal, nicht empfiehlt. Man wird einander ja nicht zufällig verlassen haben, warum also sollte es beim zweiten Mal funktionieren. Ich kenne das sozialempirische Material zum Thema nicht und kann daher schwer einschätzen, wie nah der Volksmund an der Faktenlage entlangspricht: Funktionieren wiederaufgenommene Liebesbeziehungen tatsächlich in der Regel nicht?

Oder ist in Wahrheit das Gegenteil der Fall, weil Paare, die früher schon einmal Paare waren, aus ihren Fehlern gelernt haben und in der Zeit, in der sie kein Paar waren, durch den Vergleich sicher geworden sind, dass der jeweils andere das Beste ist, das einem passieren oder das man erreichen kann? Der Volksmund sagt ja auch: „Es kommt nichts Besseres nach“, weswegen sich so viele mit dem Schlechten zufriedengeben.

Der Austropop sagte zum Gulasch immer schon ja: Peter Cornelius’ zwischen Bodensee und Neusiedlersee weltberühmter Song „Du entschuldige, i kenn Di“ feiert das Wiedersehen mit der, „die er schon als Bua gern g’habt hat“. Was den vielleicht entscheidenden Hinweis liefert, dass erfolgreiche Wiederaufnahmen vor allem den Liebesgeschichten vorbehalten bleiben, die wir uns beim ersten Mal nur eingebildet haben.

Paartherapie

Ohne zu sehr ins paartherapeutische Detail gehen zu wollen, muss man vielleicht darauf hinweisen, dass der Impuls, sich einem früheren Partner zuzuwenden, in der Regel davon ausgelöst wird, dass man mit dem gegenwärtigen Partner ernste Probleme hat. Man denkt sich dann: „Da hätt’ ich aber auch gleich beim Poldi bleiben können.“ Das ist ungefähr der Hintergrund, vor dem man die gegenwärtigen Gerüchte über eine Rückkehr von Christian Kern und Sebastian Kurz an die Spitze ihrer jeweiligen Parteien einordnen muss (dass sie vor allem von einem dicken Medienmogul verbreitet werden, der schon immer wie ein Heiratsschwindler ausgesehen und agiert hat, passt vielleicht nicht zufällig ins Bild).

An dieser Stelle kann man nicht auf die Erwähnung von Winston Churchill verzichten, die großartigste Gulasch-Existenz des 20. Jahrhunderts. Nicht nur überlebte der Held der britischen Selbstbehauptung politische Katastrophenniederlagen wie während des Ersten Weltkriegs die Schlacht von Gallipoli, wo er 1915 als Erster Lord der Admiralität für den Verlust Zehntausender Soldaten verantwortlich war. Er schaffte es auch, 1951 von den britischen Wählern wieder zum Premierminister gewählt zu werden, nachdem sie ihn mit Kriegsende abgewählt hatten. Sein Nachfolger und späterer Vorgänger Clement Attlee (Churchill nannte ihn einmal ein „Schaf im Schafspelz“) übernahm das Amt, während Churchill noch mit Stalin und Truman bei der Potsdamer Konferenz saß.

Der Österreicher blickt ja mit besonders großer Zuversicht in die Vergangenheit

Und dann also Christian Kern und Sebastian Kurz. Nicht, dass man nicht verstehen könnte, dass dem gemeinen Sozialdemokraten sogar der elaborierte Vielleichtsozialdemokrat Christian Kern lieber wäre als die Verlustgarantie aus Traiskirchen. Und man kann auch nachvollziehen, dass viele verdiente Schabracken in der Döblinger Kavallerie sich den Leutnant Bastl als Anführer der christdemokratischen Regimenter besser vorstellen können als den habituellen Zeugwart aus Wiener Neustadt.

Aber erstens scheint mir erwiesen zu sein, dass beide nicht ganz über die politische Statur von Winston Churchill verfügen (es sei denn, sie erhalten einstens gemeinsam den Literaturnobelpreis für eine von der KI angefertigte Doppelautobiografie „Wir über uns im Selbstverlag“). Und zweitens würde ich an dieser Stelle sagen, dass der Wiener vollkommen recht hat mit dem, was er über das Gulasch sagt.

Die Gerüchte werden sich dennoch weiter halten, denn die mitunter verzweifelte Hoffnung darauf, dass es doch wieder werden möge, wie es ohnehin nie gewesen ist, stirbt zuletzt, jedenfalls lange, nachdem der Staatshaushalt vermodert ist. Das kommt natürlich daher, dass Österreich das Land ist, dessen Bewohner mit besonders großer Zuversicht in die Vergangenheit schauen.

Ein heilsamer Blick nach Deutschland

Vielleicht wäre es für die besonders Kurz- und Kern-Süchtigen in der ÖVP und in der SPÖ keine schlechte Idee, sich anzusehen, was in Deutschland gerade passiert. Da ist Friedrich Merz zurückgekehrt, einst einer der potenziellen Nachfolger von Angela Merkel, später dann aber von Mutti totgebissen wie so viele andere potenzielle Nachfolger.

Wie Sebastian Kurz und Christian Kern hat sich Friedrich Merz nach seinem unfreiwilligen Abschied von der Politik in erster Linie ums Geldverdienen gekümmert und dann die allerletzte Chance ergriffen, eine völlig desorientierte CDU zu übernehmen und als Kanzler jene Reste von Deutschland, die von der Ampel noch nicht geschrottet wurden.

Jetzt ist Merz dabei, unter sozialdemokratischer Anleitung die deutschen Reste abzuwickeln. Er neigt zu knackigen Ansagen, hat aber praktisch nichts von dem umgesetzt, was er angekündigt hat, und vor allem scheint ihm alles reichlich egal zu sein: Er hat allen gezeigt, dass er doch noch Kanzler werden kann. Mehr wollte er nicht, mehr kann er nicht. Und das reicht eben nicht.

Österreich würde es mit Kurz und Kern nicht anders gehen.

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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 48/2025 erschienen.

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