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Leitartikel: Warum Österreichs Politiker nicht liefern

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Es gibt in der Politik den Willen zur Macht. Aber gibt es auch den Willen zur Gestaltung? Bei den Themen Klimapolitik und Budget sieht man: In Österreich fehlen Politiker, die etwas wollen – außer der eigenen Partei zu gefallen. Das Gegenteil scheint erfolgreicher. Siehe Niederlande oder New York City.

Rege Reiseaktivitäten Richtung Brasilien kann man dieser Tage beobachten. Am Montag hat die 30. Weltklimakonferenz (COP30) in Belém im Amazonasgebiet begonnen. Schon Tage zuvor flogen Staats- und Regierungschefs für einen Kurzbesuch ein (für Österreich vertrat Außenministerin Beate Meinl-Reisinger den rekonvaleszenten Bundeskanzler). Es folgten die Delegierten von Staaten, Vertreter von NGOs und andere Lobbyisten. Gegen Ende des alljährlichen Treffens, das heuer bis 21. November dauern soll, setzen sich die Umwelt- und Klimaministerinnen und -minister in Bewegung, um Beschlüsse abzunicken. Viel Aufwand für immer weniger guten Willen.

„Die bittere Wahrheit ist, dass wir es nicht geschafft haben, unter 1,5 Grad zu bleiben“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres vor Beginn der COP30. Das 1,5-Grad-Ziel – um nicht mehr soll sich das globale Klima gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmen – war der gefeierte Erfolg der COP in Paris 2015. Nach anfänglichem Elan wollen immer mehr Politiker auf die Bremse steigen. Ein Verwässern der Klimaziele wie zuletzt auf EU-Ebene wird, unter anderem vom österreichischen Umweltminister, als Erfolg gefeiert. Die Meldung, dass die Staatengemeinschaft an ihren Zielen gescheitert ist, wird mit bemerkenswerter Wurschtigkeit hingenommen.

Laut einer aktuellen Erhebung von Marketagent (1.000 Befragte) halten 68 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher die Klimakrise für die größte Herausforderung unserer Zeit. Die Verantwortung für Klimaschutz wird bei Politik (88 Prozent) und Wirtschaft (87) gesehen. Drei Viertel der Befragten glauben, dass die nötigen Maßnahmen für sie Veränderungen bringen werden. Die Entscheidung, was zu tun ist, darf nicht dem oder der Einzelnen aufgebürdet werden. Es ist die Aufgabe der Politik, eine mutige Strategie konsequent zu verfolgen. Dazu bräuchte man halt Politiker, die etwas wollen.

Gesprächsverweigerung

Eher keine Reiseaktivitäten konnte man dieser Tage aus den Bundesländern Richtung Wien beobachten. Ein Treffen der Länder mit Finanzminister Markus Marterbauer und Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl wurde abgesagt. Terminprobleme seitens der Landeshauptleute, hieß es. Worum es hier geht, mag verglichen mit dem Weltklima klein wirken.

Wenn nichts passiert, werden das aber ebenfalls alle Menschen in Österreich spüren: die Staatsverschuldung. Österreich hat die von der EU vorgegebenen Maastricht-Kriterien krachend verfehlt. Ein Defizitverfahren läuft, regelmäßig müssen Fortschritte bei der Budgetsanierung nach Brüssel gemeldet werden. Neben Sparpaketen drohen Strafzahlungen, sollte die Politik an dieser Aufgabe scheitern. Dazu kommen schlechtere Bewertungen der Ratingagenturen und höhere Zinsen auf Staatsschulden.

Bund und Länder liegen weit auseinander. Also redet man gar nicht erst miteinander?

Bund, Länder und Gemeinden müssen sich vor diesem Hintergrund auf einen neuen Stabilitätspakt einigen. Dieser legt fest, wer welchen Anteil am Defizit haben darf. Derzeit hält der Bund bei 80 Prozent, Länder und Gemeinden bei 20. Der Vorschlag des Bundes sieht ein Verhältnis 90 zu 10 vor, jener der Länder, deren Defizite derzeit eher steigen als sinken, eines von 68 zu 32. Man liegt weit auseinander. Also redet man gar nicht erst miteinander? Nötig wäre, die Staatsaufgaben zu durchleuchten und mit einem Preis zu versehen. Die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern muss neu aufgesetzt, die Steuereinnahmen entsprechend verteilt werden.

Den Menschen im Land ist egal, wer wofür zuständig ist. Der Staat muss funktionieren, die Kosten für den Einzelnen dürfen nicht explodieren. Aber dazu bräuchte es Politiker, die etwas wollen. Und wollen heißt nicht, nur für das eigene Klientel etwas zu wollen, wie zuletzt in den Fällen von August Wöginger und Harald Mahrer (beide ÖVP). Das durchschauen die Leute und sie wenden sich von der Politik ab.

Die neuen Wilden

Politiker, die etwas wollen – im Sinne von Zielen, die sie vorgeben –, können Wahlen gewinnen. Das sah man zuletzt an Rob Jetten in den Niederlanden und Zohran Mamdani in New York City, auf den allerdings ein Schatten des Antisemitismus fällt. Man sah es auch bei Javier Milei in Argentinien, auch wenn den außerhalb des eigenen Landes nicht alle politischen Beobachter toll finden. Was diese drei sehr unterschiedlichen Typen verbindet, ist, dass sie den Wählerinnen und Wählern das Gefühl gaben, das Richtige für sie zu wollen und auch erreichen zu können. Der Reality-Check wird folgen.

Eine Beschreibung, die wohl auch auf den Sebastian Kurz von früher zugetroffen hat, der heute in Interviews allerdings vor allem den vergangenen Zeiten – aus seiner Sicht mit ihm viel besseren – nachtrauert.

Charismatische, unverbrauchte Motivationskünstler für die Politik lassen sich nicht aus dem Hut zaubern. Aber die nächste Wahl ist plangemäß erst 2029. Ob FPÖ-Frontmann Herbert Kickl bis dahin sein Niveau hält, lässt sich schwer vorhersagen. Aber eines lässt sich prognostizieren: Wer Wahlen gewinnen will, muss auf so vielen Ebenen mehr wollen, als nur die Blauen zu verhindern und an der Macht zu bleiben.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 46/2025 erschienen.

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