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Hans Peter Doskozil: „Das ist Angsthasenpolitik“

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Hans Peter Doskozil

©Bild: Matt Observe

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zweifelt am Reformeifer der Bundesregierung. Er fordert eine gemeinsame Lkw-Maut für Bund und Länder. Und er warnt: Kommen jetzt keine Reformen, ist in einigen Jahren „eine noch stärkere FPÖ am Ruder“.

Viele Menschen leiden derzeit unter der bedrückenden Stimmung angesichts vieler Weltkrisen. Tut Österreichs Politik genug, um Optimismus zu vermitteln?

Wenn man die Weltlage ausblendet, dann ist derzeit jeder glücklich, dass man von der Bundesregierung sehr wenig hört. Es wird nicht mehr gestritten, es ist eine Ruh’. Das bedeutet aber umgekehrt, dass sich bei wichtigen Fragen nichts tut: Bei Budget, Pflege, Gesundheit sind Hausaufgaben zu machen. Aber ich registriere keine Diskussion und keinen Fortschritt.

Ist diese Ruhe der Tatsache geschuldet, dass man froh ist, Herbert Kickl verhindert zu haben? Und wie lange wird dieser Kitt halten?

Die Frage ist: Wer ist froh? Die Bevölkerung, weil Ruhe eingekehrt ist. Die Regierung ist sicher froh, dass die Situation so ist, wie sie ist, weil da braucht sie die heiklen Themen nicht angreifen. Und auch der Journalismus scheint froh, dass alles ruhig ist.

Die Probleme des Landes gibt es aber. Werden die irgendwann explodieren?

Die Budgetlage ist klar, Gesundheitsversorgung, die Pflege, das Sozialwesen werden teurer. Irgendwer muss das bezahlen. Das wird uns um die Ohren fliegen.

Einerseits gibt sich die Regierung friedlich, andererseits werden in der Teilzeitdebatte die Leute gegeneinander aufgebracht.

Das ist eine Scheindebatte, so wie auch die Pensionsdebatte. Das dient insbesondere der ÖVP dazu, das Sommerloch zu füllen. Das ist ja keine Politik. Solche Politiker haben das Problem, dass sie nicht bereit sind, Themen auf den Tisch zu legen und eine ernsthafte Meinung zu äußern. Weil sie Angst haben, sie

schaffen es nicht, sie dringen nicht durch, sie können es nicht umsetzen. Das ist eine Angsthasenpolitik. Wenn man davon überzeugt ist, dass etwas aus budgetären, inhaltlichen oder gesellschaftspolitischen Gründen richtig ist, aber abwartet, ob man es bei der Bevölkerung überhaupt durchbringt – das ist aus meiner Sicht eine Schwäche der Politik. Starke Politik wäre, die Bevölkerung mitzunehmen, sie zu überzeugen und Dinge umzusetzen, die das Land positiv verändern, auch wenn das am Anfang vielleicht nicht jeder sieht. Das fehlt derzeit.

Wer als Junger viele Überstunden leistet, wer mehr leistet, kann vielleicht früher in Pension gehen

Hans Peter Doskozil
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 © Bild: Matt Observe

Was wäre Ihr Zugang in der Pensionsdebatte?

Im Bereich der Pensionssicherheit und generell im Bereich der Wirtschaft kann man sicher über Leistungsbereitschaft diskutieren. Von da kommt ja auch diese Teilzeitdebatte, die aber aus meiner Sicht nicht richtig geführt wird, her. Natürlich braucht es Leistungsbereitschaft, um das Land wirtschaftlich auf Schiene zu bringen und die Ertragsanteile wieder zu steigern. Über diese Leistungsbereitschaft könnte man auch das Pensionssystem anders gestalten: Wer als Junger viele Überstunden leistet, wer mehr leistet, kann vielleicht früher in Pension gehen. Beim Pensionssystem gibt es aber nur Schwarz-Weiß-Debatten: Pensionsalter erhöhen, Leistungen kürzen, Beiträge erhöhen. Es denkt niemand über neue Modelle nach. Eine Diskussion über die gesetzliche Erhöhung des Pensionsantrittsalters ist der einfachste Weg – das lehne ich ab.

Krankt das Gesundheitssystem nur daran, dass durch die hohe Teilzeitquote weniger Beiträge gezahlt werden? Die Zusammenlegung der Kassen unter Türkis-Blau hat eine Milliarde Euro gekostet.

Wenn aus Sozialversicherungsbeiträgen Dividenden an den französischen Konzern PAI gezahlt werden können, an den die Reha-Kliniken der Vamed verkauft wurden, sind da offensichtlich Leute am Wirken, die das System nicht verstehen. Das Burgenland hat bis 2017 zu den Spitälern außer den Fondsmitteln nichts dazubezahlen müssen. Heute müssen wir in einer Größenordnung von 100 Millionen Euro pro Jahr bezahlen, weil es von Bund und Gebietskrankenkasse keine Anhebung ihrer Zahlungen gibt. Wenn das Land nicht bezahlt, gibt es Rückschritte im Gesundheitssystem. Ähnlich läuft es bei der Pflege, im öffentlichen Verkehr, im Schulwesen – das zahlen alles wir, nicht der Bund.

Jetzt darüber zu diskutieren, dass die Länder sparen sollen, finde ich mutig. Wenn ich auf die Spitäler und die Gesundheitsversorgung schaue – da weiß ich nicht, wofür ich eigentlich das Gesundheitsministerium brauche. Ich hab in den letzten Jahren bei meiner Verantwortung für die Spitäler kein einziges Mal das Ministerium gebraucht. Aber in den Gremien sitzen sie überall drin. Das ist alles aufgebläht, überverwaltet, überdimensioniert.

Bund und Länder wollen in ihrer Reformpartnerschaft Kompetenzen bereinigen.

Die Diskussion wird aber immer vor dem Hintergrund geführt: Wer gewinnt und bekommt Kompetenzen? Und nicht: Wo gehören Kompetenzen hin? Das ist das große Problem dabei. Ich glaube, dass dabei nichts herauskommen wird.

Im Idealfall gewinnen die Steuerzahlerinnen und -zahler und nicht der Landeshauptmann oder die Gesundheitsministerin.

Ich vergleiche das mit dem Schulsystem: Da sind die Kompetenzen auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt. Ich finde: Das ist nicht schlecht. Der Bund gibt Grundsätze und Bildungsziele vor, die Länder bekommen daraus abgeleitet ein Budget. Und wenn ein Land sagt, ihm sind Kleinschulen wichtig oder Kroatisch, wie im Burgenland, oder es will Gratis-Nachhilfe anbieten, dann können die Länder das bezahlen. Das wäre in anderen Bereichen auch der richtige Weg. Der Bund gibt das Grundniveau vor, das es bei Pflege, Gesundheit, Bildung geben sollte. Dafür gibt es eine Basisfinanzierung. Wenn ein Land sagt, Spitäler sind uns wichtiger als andere Bereiche, hat es die Kompetenz, das zu finanzieren.

Müssten dafür die Ertragsanteile für alle Länder gleich sein? Derzeit sind die pro Kopf unterschiedlich hoch.

Diese Ungleichbehandlung gehört beseitigt. Wenn das nicht gelingt, stimmen wir dem nächsten Finanzausgleich nicht mehr zu, sondern lassen den Verfassungsgerichtshof entscheiden. Weil sonst bleibt das wie bisher: ein Gezerre, alles unsachlich. Das ist grenzwertig, was da passiert.

Bund und Länder haben Druck, sich zu einigen. Österreich hat viel zu hohe Staatsschulden.

Ich habe immer schon gesagt: Der Eintritt der SPÖ in diese Koalition war unter diesen Startvoraussetzungen ein Fehler. Jetzt sind wir durch den Finanzminister mitten drin, diese Sparvorgaben zu erfüllen. In Wirklichkeit hat es die ÖVP verbrochen. Speziell die Politik unter Sebastian Kurz hat uns in einer Dimension verschuldet wie kein anderes europäisches Land. Jetzt tingelt der SPÖ-Finanzminister durch das Land und wirbt für den Stabilitätspakt, weil er gar nicht anders kann und seine Rolle ja auch verantwortungsvoll ausübt. Wenn man aber ehrlich ist, wird das nur mit Sparen nicht gehen. Ich habe ihm gesagt: Wenn die Länder sparen sollen, müssen wir Leistungen in der Pflege, der Bildung, den Spitälern zurückfahren. Er soll sagen, wo.

Also: neue Einnahmen?

Es geht nicht nur übers Sparen, man muss über neue Modelle nachdenken. Im Burgenland werden wir eine Lkw-Maut für Landesstraßen einführen. Noch besser wäre ein gesamtösterreichisches Modell, mit einer Lkw-Maut für Bundes- und Landesstraßen, bei dem die Länder ihren Anteil an den Einnahmen bekommen. Das würde die Länder massiv entlasten und beim Stabilitätspakt helfen. Das Budget für die Straßen würde vollkommen über die Vignette laufen und wir hätten Mittel frei für andere Dinge.

Neue Einnahmen nehmen den Druck, auch die Strukturen zu reformieren.

Wie gesagt, ich weiß nicht, welchen Sinn das Gesundheitsministerium hat.

Wie viele Ministerien und Staatssekretäre haben wir? 21. In Wirklichkeit kann man den Staat Österreich mit zehn Ressorts führen

Hans Peter Doskozil

Nicht Länder abschaffen, wie es manche fordern, sondern Ministerien?

Wie viele Ministerien und Staatssekretäre haben wir? 21. In Wirklichkeit kann man den Staat Österreich mit zehn Ressorts führen. Außerdem: Warum macht der Staat nicht über die ÖBAG eine aktive Wirtschaftspolitik, um mehr Dividenden zu bekommen? Ist es schlecht, wenn der Staat wirtschaftet? Nein. Aber es ist in der Vergangenheit alles verkauft worden und jetzt haben wir nichts mehr davon. Im Gegenteil, wir zahlen Dividenden an Konzerne, die unsere Spitäler betreiben. Wenn wir uns das leisten können, dürfte es uns offensichtlich sehr gut gehen.

Sie sagen, es war ein Fehler, dass die SPÖ in die Regierung gegangen ist. Hat sie bisher keine Duftmarken gesetzt, die Sie umstimmen?

Vielleicht war es das Zutun der SPÖ, dass die Pensionsdebatte beendet wurde. Ich hoffe, dass das der Fall war. Dann würde ich sagen, okay, das war gut.

Die Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik hat erhoben, dass sich die SPÖ am wenigsten mit ihren Wahlversprechen im Regierungsprogramm wiederfindet.

Im Ernst: Niemand weiß, welche Partei welches Versprechen im Wahlkampf gegeben hat. Ich weiß weder, was die NEOS noch was die ÖVP gepredigt haben.

Und die SPÖ?

(Denkt nach) Soziale Gerechtigkeit.

Ihre eigenen Versprechen wissen Sie?

Mindestlohn, Pflegestützpunkte, Spitalsgarantie, Energieautarkie. Passiert alles. 2030 sind wir energieautark.

Es gibt viele, die die FPÖ nicht in der Regierung wollten. Ist es das nicht wert, dass man Kompromisse macht?

Wir sind durch die Budgetlage in einer Situation, wo wir mit Zweihundert gegen die Wand fahren. Nur froh zu sein, dass die FPÖ nicht regiert – das wird nicht reichen. Hätten wir Wirtschaftswachstum und man könnte Stabilität signalisieren, wäre die Stimmung gut, würde ich sofort zustimmen. Wenn Bund und Länder es nicht schaffen, das Ruder herumzureißen, was ich befürchte, wird am Ende die FPÖ davon profitieren. Was ist besser? Die FPÖ jetzt mit 29 Pro­zent in einer Koalition zu demaskieren – weil die bringen ja auch nicht mehr zusammen –, oder in ein paar Jahren eine noch stärkere FPÖ ans Ruder zu lassen? Diese Gefahr ist riesengroß.

Könnte es die Regierung schaffen

Wenn sie das Parteipolitische weglässt und wirklich versucht, Dinge neu zu denken, dann schon. Aber ich glaube, dazu ist man nicht bereit.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 33+34/25 erschienen.

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