Die ÖVP kann sich zu viel leisten: Die Partei steht trotz herber Verluste weiter im Zentrum der Macht – und genau das könnte ihr größtes Problem sein. Ohne echten Druck zur Erneuerung ignoriert die Volkspartei Skandale wie die Causa Wöginger und riskiert, sich selbst und das politische Gleichgewicht Österreichs zu beschädigen.
Analyse der Woche
Was soll der ÖVP schon passieren? Bei der Nationalratswahl 2024 hat sie groß verloren und trotzdem das Kanzleramt gehalten. Und wenn sie bei einem Urnengang derzeit noch übler abschneiden würde, müsste sie nicht befürchten, in Opposition zu landen: Herbert Kickl (FPÖ) bräuchte ihre Unterstützung, um Regierungschef zu werden, sie selbst könnte aber auch mithilfe von Sozialdemokraten, NEOS und/oder Grünen weiterhin den Kanzler stellen.
Schlecht für sie selbst und für alle
Es ist im Grunde genommen schon seit vielen Jahren so: Die Partei, die heute von Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) geführt wird, ist bei Regierungsbildungen entscheidend.
Das macht etwas mit ihr. Nicht nur Gutes. Es ist vielmehr auch schlecht für sie selbst. Vergleichbar mit einer Firma, die aus irgendeinem Grund nicht so schnell pleitegehen kann und sich daher gehen lässt: Die ÖVP nimmt zu wenig Druck wahr, um sich zu erneuern oder zum Beispiel aus der Causa Wöginger Konsequenzen zu ziehen. Sie tut, als wäre der Postenschacher um die Leitung eines Finanzamts in Oberösterreich, an dem sich ihr Klubobmann August Wöginger beteiligt hat, lässlich. Sie nimmt in Kauf, damit weiter an Wählerzuspruch zu verlieren – riskiert aber, irgendwann so klein zu werden, dass sie nicht einmal mehr für Regierungsbildungen gebraucht wird.
Und nebenbei setzt sie auch ihren Koalitionspartnern zu. Derzeit besonders den NEOS. Für diese ist ihr Umgang mit Postenschacher unentschuldbar. Umso mehr Unmut gibt es in ihren Reihen, dass sich ihre Chefin, Außenministerin Beate Meinl-Reisinger, bisher gar so zurückgehalten hat. Das ist für Pinke geradezu verstörend.
Verhängnisvolle Wurstigkeit
Das Ganze ist letztlich auch ein Problem für die politischen Verhältnisse in Österreich: Gerade weil Demokratie aufgrund der Mehrheitsverhältnisse hierzulande nur begrenzt Wechsel an der Spitze heißt, und gerade weil Macht dazu angetan ist, zu korrumpieren, wäre es wichtig, dass die ÖVP höhere Maßstäbe bei sich selbst anlegt; ist es verhängnisvoll, dass ihr so viel egal ist.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 42/2025 erschienen.