Über „Ältere" wird hierzulande intensiv diskutiert - über ihre Chancen, ihre Rolle, ihre Rechte. Und die Jungen? Kommen in diesen Debatten kaum vor. Doch was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn sie die nachrückenden Generationen dauerhaft übersieht?
Es gab einmal eine Zeit, da war man mit 50 nicht mehr relevant. Zumindest nicht für Werbekampagnen, Konsumstatistiken oder TV-Sender. Die sogenannte „werberelevante Zielgruppe“ endete bei 49 – alles darüber galt als unbeeinflussbar, konsumunfreudig und wirtschaftlich uninteressant. Diese Sicht hat sich geändert. Zumindest in der Werbung. Heute sind die „Best Ager“ zwischen 50 und 69 gefragt. Die Werbewelt hat den Imagewandel der Älteren längst vollzogen. Am Arbeitsmarkt ist diese Erkenntnis noch nicht angekommen.
Spätestens wenn eine Fünf die Lebenszahl anführt, wird es für nicht wenige eng. Sie werden systematisch aussortiert. Weil es geht. Weil es die Rahmenbedingungen (bisher) zugelassen haben. Weil das Senioritätsprinzip ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders teuer macht. Laut Agenda Austria gibt es in der EU nur drei Länder, in denen Ältere noch höhere Lohnkosten verursachen. „Alt“. Mit Mitte, Ende 50. Und teuer. Beides muss man sich leisten können.
Über die Ungeheuerlichkeit, dass Menschen jenseits der 50 als berufliche Last empfunden werden, wird nur mit angezogener Handbremse diskutiert
Die Sozialministerin schlägt daher dieser Tage eine Quote für über 60-Jährige vor – oder einen Einstellungstausender als Bonus für zögerliche Unternehmen. Weil nur darum zu bitten, sie zu behalten oder einzustellen, wird zu wenig sein, sagt Korinna Schumann. Laut ÖGB haben 30 Prozent der Betriebe mit über 20 Beschäftigten niemanden über 60 angestellt. Jetzt soll es also eine Quote richten. Über die Ungeheuerlichkeit, dass Menschen jenseits der 50 durchaus als berufliche Last empfunden werden, wird freilich weiter nur mit angezogener Handbremse diskutiert. Die einen können nicht, andere wollen nicht oder es interessiert sie nicht. Auch diese Einstellung muss man sich leisten können. Als Gesellschaft. Als Staat.
Was ist mit den Jungen?
Ganz davon abgesehen: Was ist mit den Jungen? Während man mit und über Ältere diskutiert, bleibt eine andere Gruppe konsequent außen vor: junge Menschen. Sie haben keine Lobby. Es gibt zwar eine Jugendministerin, die ist allerdings auch für Familie, Integration und EU zuständig. Die Prioritätensetzung ergibt sich von selbst. Wer heute in die Arbeitswelt einsteigen will, braucht mehr als gute Noten. Beziehungen helfen. Glück auch. Ein Beispiel: das hier und da verpflichtende Schulpraktikum. Unternehmen klagen gern über Fachkräftemangel, beantworten aber nicht einmal die Anfragen junger Bewerber. Keine Absage, kein Feedback. Willkommen in der Realität der Unsichtbaren. Warum also nicht ein Bonus-Malus-System für Betriebe? Für jede unbeantwortete Bewerbung eines Jugendlichen: ein Minuspunkt. Für jede gelungene Begleitung ins Berufsleben: ein Bonus. Warum keine Ausbildungsquote? Oder wenigstens ein „Recht auf Antwort“?
Ein fairer Generationenvertrag braucht beides: Inklusion am Ende des Erwerbslebens und echte Perspektiven am Anfang. Doch dieser Generationenvertrag existiert längst nur noch in Sonntagsreden. Im Regierungsprogramm „Jetzt das Richtige tun“ kommen Kinder und Jugendliche zwar vor – aber meist als Wunschliste: gesunde Jause, Ganztagsschule, bessere Betreuung. Eine übergreifende Strategie, wie Lasten, Chancen und Zukunftsrisiken – Stichwort Klima-Folgen und Staatsverschuldung – fair verteilt werden, fehlt.
Verantwortung vertagt
Stattdessen: viel Misstrauen gegenüber der jungen Generation. Sie wolle mehr Life als Work, heißt es oft. Dabei sind es genau diese Jungen, die ab jetzt ins Pensionssystem einzahlen – und später selbstverständlich deutlich länger arbeiten werden müssen. Man könnte das – Stichwort späteres Pensionsantrittsalter – offen diskutieren. Jetzt, wo das Budget kracht. Tut man aber nicht. Der Status quo bleibt bequem. Die Verantwortung: vertagt. Der Anteil der Älteren wächst, der politische Anreiz, Entscheidungen zu treffen, die nicht in ihrem Interesse liegen, schrumpft. Obendrein wird so getan, als könne der Staat alles richten. Das ist illusorisch. Heute – und morgen sowieso.
Wir diskutieren über Ältere – und das zu Recht. Aber wir vergessen die Jungen
Die Jungen wissen das längst. Sie sind nicht naiv. Warum also im beruflichen Hamsterrad rennen, wenn die Richtung ohnehin unklar ist? Worauf sollen sie eigentlich hinarbeiten? Noch dazu in einer Welt, in der niemand sagen kann, wie ihre Jobs in zehn Jahren aussehen. Oder ob es sie überhaupt noch gibt. Was tun, wenn es die erste Generation von Schulabsolventinnen und -absolventen gibt, die niemals einen Job finden, fragt der Ethiker Peter G. Kirchschläger in unserer aktuellen Coverstory ab Seite 14. Es ist keine absurde Frage, wenn man die Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz ernsthaft beobachtet.
Wir diskutieren über Ältere – und das zu Recht. Aber wir vergessen die Jungen. Das ist gefährlich. Denn was passiert, wenn wir einer Generation die Perspektive auf Arbeit, stabile Sozialsysteme und eine gestaltbare Zukunft entziehen? Sie verliert das Vertrauen in einen Staat, der für alle da zu sein hat und stattdessen immer öfter nur noch für jene funktioniert, die zahlreich genug wählen. Das ist ein Problem. Für die Zukunftsfähigkeit des Landes ein riesiges Problem.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 39/25 erschienen.