Als Umweltminister ist er gegen Verbote. Doch als Landwirtschaftsminister hat er damit kein Problem. Norbert Totschnig fordert mit anderen EU-Agrarministern ein Verbot von fleischlichen Begriffen, wenn kein Tier im Produkt ist. Ist das schon Doppelmoral oder einfach Politik für die eigene Zielgruppe?
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Man muss es nicht mögen, aber das Angebot an veganem oder vegetarischem Fleischersatz nimmt im Supermarktregal immer mehr Raum ein. Zu Recht, denn Menschen, die auf Fleisch verzichten, tun das meist nicht deshalb, weil es ihnen nicht schmeckt, sondern weil sie ethische Bedenken haben oder den Beitrag der Viehzucht zur Klimakrise ernst nehmen. Sie legen aber gerne Veggie-Burger oder vegane Würstel auf den Grill, die so schmecken als ob. Sogar Fleischesser tun das hin und wieder. Versehentlich zum falschen Burger greift wohl niemand, auch wenn irgendetwas wie „vegan“ und „crispy chicken“ auf der Verpackung steht.
Agrarminister Norbert Totschnig schmeckt das nicht. Und mit ihm 17 anderen Agrarministern in der EU. Darum fordert er mit diesen ein EU-weites Verbot von chicken, bacon und etlichen anderen nach Tier klingenden Bezeichnungen bei Produkten, wenn kein Tier drin ist. Irreführend seien solche nämlich. In Leberkäse ist übrigens weder Leber noch Käse drin. Glaubt wahrscheinlich auch keiner, der gerade in seine Leberkässemmel beißt.
Irgendwie ans Klimaziel
Der gleiche Norbert Totschnig ist übrigens auch Umweltminister. Als solcher sieht er Verbote viel kritischer. Geht es um das schwierige Erreichen von Klimazielen, die sich Österreich und die Europäische Union gesetzt haben, predigt er die freie Entscheidung. Verbote gehen gar nicht, meint er. Strengere Regelungen im Agrar- oder Verkehrsbereich, um die Treibhausgasemissionen zu beschränken, auch nicht. Verbindliche Klimaziele für einzelne Sektoren im Klimagesetz, das im Herbst – nach jahrelangem Bremsen durch die ÖVP in der türkis-grünen Regierung – tatsächlich ins Parlament kommen soll? Lieber nicht. Wenn die Klimaziele nicht erreicht werden, reicht erst mal Reden in einer interministeriellen Steuerungsgruppe, meint er. Und überhaupt: Klimaneutralität sei ja bloß die „Kür“ und nicht Pflicht.
Verbote sind schlecht. Aber wenn sie den eigenen Lobbys dienen, sind sie doch wieder gut
Die ÖVP, jene Partei, der Totschnig angehört, hat es sich übrigens auf die Fahnen geheftet, gegen die ihrer Ansicht nach überbordende Bürokratie der EU, die aus Brüssel in die Mitgliedstaaten schwappt, anzukämpfen. Viel zu viele Verbote und Regelungen gebe es da. Weg damit, forderte zuletzt auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner im News-Sommergespräch.
Merke: Verbote sind schlecht. Aber wenn sie den eigenen Lobbys dienen, sind sie doch wieder gut. In diesem Fall den Fleisch produzierenden Bauern und der Fleisch verarbeitenden Industrie. Veggie-Burger und Würstel werden übrigens oft aus Soja- oder Erbsenprotein hergestellt. Aber die 246.000 Tonnen Soja, die in Österreich 2023 geerntet wurden, und die 8.600 Tonnen Grünerbsen sind Peanuts gegenüber den 831.000 Tonnen Fleisch, die laut Statistik Austria 2024 produziert wurden.
Keine Sorge: Niemandem soll hier das Fleischessen ausgeredet werden. Vielmehr geht es um die Doppelmoral, die hier sichtbar wird.
Schwarzes Gesetz der Serie
Mit Antritt dieser schwarz-rot-pinken Bundesregierung ist das Umweltministerium wieder in die Hände der ÖVP gelangt. Nicht, dass sie sich offen darauf versteift hätte, so wie auf das Innenministerium, um das die Schwarzen auch bei den Verhandlungen mit der FPÖ mit Zähnen und Klauen gekämpft hatten, aber es gibt ein tiefes Interesse an diesem Ressort. Sowohl Landwirtschaft als auch Wirtschaft und Industrie haben es lieber, wenn dort nicht zu viel gewollt wird. Andererseits: Auch SPÖ und NEOS zeigen in Klimafragen nicht die größten Ambitionen. Gemeinsam hat man den notwendigen Sparstift daher auch bei den hohen Klimaförderungen der Vorgängerregierung angesetzt.
Und die ÖVP setzt ihr Gesetz der Serie fort: Vor Totschnig waren Elisabeth Köstinger, Andrä Rupprechter, Nikolaus Berlakovich, Josef Pröll und Wilhelm Molterer Landwirtschafts- und Umweltminister in Personalunion. Alle kamen aus dem ÖVP-Bauernbund, standen unter dem Druck der Funktionäre dort und agierten entsprechend. Die Klimaökonomin Sigrid Stagl, 2024 Österreichs Wissenschafterin des Jahres, sah das Land zuletzt in einem ZiB2-Interview „schlecht unterwegs“, wenn es um das Erreichen der Klimaziele geht. Österreich habe seine Treibhausgasemissionen bisher nur um 14 Tonnen gegenüber 1990 reduziert – den Großteil davon in den schwarz-grünen Jahren –, der EUSchnitt liegt bei 36 Prozent. Erreichen wir das Ziel nicht, drohen Milliarden an Strafzahlungen mit allen Auswirkungen auf Budget und Wirtschaftsstandort, die jetzt als Argumente fürs Bremsen ins Treffen geführt werden.
Dabei hat Herr Totschnig in einem Punkt ja auch recht. Klimapolitik besteht nicht darin, dass man dem oder der Einzelnen die Verantwortungen dafür aufbürdet und jeden Einkauf zur moralischen Gratwanderung macht. Die Politik muss das lösen. Aber dazu bräuchte es halt auch Politiker, die ernsthaft etwas fürs Klima wollen.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 30+31/25 erschienen.