Politikerinnen und Politiker rückten sich in den sozialen Medien ins beste Licht. Da verschwimmt die Grenze zwischen Inhalt und Eitelkeit. Und auch jene zwischen Recht und Unrecht bei der Frage, wer dafür bezahlt. Macht ja nix: Per Gesetz hebt man die Strafen dafür einfach rückwirkend auf
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Sepp Schellhorn hatte als Wirt auf Instagram eine treue Anhängerschaft. In kurzen Videos erklärte er, neben vielen anderen Dingen, wie man das Schnitzel richtig herausbäckt, wie ein Aperol-Spritz zu sein hat, wie die Palatschinke flaumig wird. Manches war lustig, manches grenzwertig. Aufmerksamkeit war garantiert. Schellhorn wurde eines der bekanntesten Gesichter der NEOS. Nach etwas mehr als 1.700 Posts legte er seinen Auftritt, der knapp 500.000 Follower hatte, Anfang Juni still. Aus dem resch-renitenten Wirt ist ein Regierungspolitiker geworden und für den gelten andere Regeln. Er kann nicht gleichzeitig Staatssekretär und Unternehmer sein. Daher lässt er das Kochen – zumindest auf Instagram.
Dem Account des Politikers Schellhorn folgen bisher etwas mehr als 80.000 Menschen oder Institutionen. Es geht jetzt um Bürokratie, Preise in der Gastronomie, Tipps für Auslandsreisende. Schellhorn könnte in seinen kurzen Filmchen weiter lustig Schnitzel backen. Oder Eintopf auf Teller schöpfen. Seine Parteichefin Beate Meinl-Reisinger macht das auf Instagram schließlich auch. Als Außenministerin – wie bei ihrer jüngsten Nahost-Reise, die ihre Mitarbeiterinnen fleißig dokumentieren. Die NEOS-Chefin gehört zu den umtriebigsten Politikerinnen – vor allem in sozialen Medien.
Doch: Was ist politischer Inhalt und wo beginnt die Selbstdarstellung?
Putzig, präsent, peinlich?
Kommt Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, wenn er im Tiergarten Schönbrunn putzige Ziegen streichelt, seinen politischen Pflichten und der Information über diese nach? Immerhin gehört der Zoo zu seinem Ressort. Sind die Bilder einfach „nett“? Oder fällt das schon unter Eitelkeit? Wo ist die Schwelle zur Peinlichkeit? Was ist Regierungsarbeit, und wann geht es nur darum, der Anhängerschaft der eigenen Partei zu gefallen? Und vor allem: Wer ist im Team der Politikerinnen und Politiker dafür zuständig, Social-Media-Accounts – neben Instagram oft noch Facebook, X, Bluesky, TikTok, LinkedIn – professionell zu befüllen?
Ohne geht es nicht, das ist klar. Klassische Medien verlieren an Reichweite – und stellen Politikern gern unangenehme Fragen. Ein gut gemanagter Social-Media-Auftritt kann Hunderttausende erreichen. Man kann dort unhinterfragt seinen Sermon deponieren. Wie das geht, macht die FPÖ seit Jahren vor. Die anderen Parteien ziehen mehr oder weniger erfolgreich nach.
Kommt der Minister, wenn er im Zoo putzige Ziegen streichelt, politischen Pflichten nach? Oder fällt das schon unter Eitelkeit?
Der Rechnungshof hat schon im Jahr 2022 die Social-Media-Aktivitäten einiger ausgewählter Politiker – Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) – unter die Lupe genommen. Es ging um die Möglichkeit einer „fehlenden Trennung zwischen den Aktivitäten eines Regierungsamts einerseits und den persönlichen oder parteipolitischen Aktivitäten eines Regierungsmitglieds andererseits“, wie es im Bericht dazu heißt.
Bis auf Haimbuchner wurden die Prüfer überall fündig: „Da Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kabinette bzw. der Büros der Regierungsmitglieder diese Social-Media-Accounts großteils mitbetreuten, bestand eine Vermischung von Ressourcen von Staat und politischer Partei. Zudem könnten damit unzulässige Spenden nach dem Parteiengesetz vorliegen.“
Der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat verdonnerte ÖVP, Grüne und NEOS in weiterer Folge diesen Mai zu empfindlichen Geldstrafen. Die ÖVP hätte 50.637 Euro, die Grünen 98.018 Euro, die NEOS 70.956 Euro bezahlen müssen.
Ja – hätte. Alle drei – und in koalitionärer Einigkeit die SPÖ dazu – zeigten nämlich Einsicht. Einsicht der besonderen Art. Sie zeigen auch, dass sie beim Einbringen von Gesetzen flott sein können. Noch bevor die Strafen rechtskräftig zu bezahlen sind, wird das Parteiengesetz geändert. Künftig darf Kabinettspersonal Parteiinhalte verbreiten.
Das könnte man pragmatisch nennen, denn die Abgrenzung zwischen Regierungs- und Parteipolitik mag lästig sein. Für viele Beobachter und Funktionäre ist eh alles eins. Aber: Es ist nicht egal, ob die schönen Bilder aus Bundes- oder Landesbudgets oder aus den Parteikassen bezahlt werden (die in Österreich üppig mit Steuergeld gefüllt werden).
Doch genau hier werden die Parteien dreist: Per Nationalratsbeschluss erlassen sie sich rückwirkend die Strafen. So sieht es der Antrag von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen vor. Anlassgesetzgebung (sonst ein Unding) in eigener Sache. Beschlossen werden soll das im Parlament nächste Woche. Es wäre also noch Zeit nachzudenken. Etwa darüber, dass sich manche, die hier zustimmen, sonst gerne als Kontroll- und Transparenz-Helden geben. Oder darüber, dass man Ärger erwarten kann, wenn man die Bevölkerung das Sparen lehrt, sich selbst aber die Strafe spart.