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"One Battle After Another" wirbelt das Action-Genre durch

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Aktualisiert
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4 min
Bekiffter, paranoider Leonardo DiCaprio mitten auf der Straße
©APA, Warner Bros.
Paranoia, rassistische Politik, brutales Vorgehen gegen Migranten, tödlicher Widerstand: "One Battle After Another" verpackt Zutaten aus der US-Gegenwart in einen turbulenten, kraftvollen, verrückten Actionfilm mit ernsten Tönen, Humor und Thrill. Regisseur Paul Thomas Anderson sollte damit eingefleischte Cineasten und das Mainstreampublikum gleichermaßen erreichen. Und die Ensembleleistung, allen voran Leonardo DiCaprio und Sean Penn, ist eine Wucht. Ab Donnerstag im Kino.

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Vor rund zehn Jahren hatte Anderson Thomas Pynchons "Natürliche Mängel" verfilmt. Für "One Battle After Another" ließ er sich erneut von einem Roman des Schriftstellers inspirieren: Während die Vorlage "Vineland" zur Zeit Ronald Reagans und des Krieges gegen die Drogen spielt, ist die lose Adaption in der Gegenwart und vor dem Hintergrund des von den Republikanern forcierten Kampfes gegen illegale Migration angesiedelt (ohne Donald Trump oder die MAGA-Bewegung beim Namen zu nennen). Stilistisch schwer einzuordnen, bewegt sich der Streifen erfrischend originell zwischen Drama, Satire, Sozialkritik, Tragödie und Exploitation.

Von gewaltloser Gegenkultur keine Spur: Bob Ferguson (DiCaprio) und seine Freundin mit dem klingenden Namen Perfidia Beverly Hills (Sängerin Teyana Taylor) sind Mitglieder der Widerstandsgruppe "French 75". Diese überfällt ein Gefängnis der US-Einwanderungsbehörde ICE und befreit dort inhaftierte Immigranten, festgehalten unter dem Kommando von Colonel Steven J. Lockjaw (Penn). Dabei wird Lockjaw von Perfidia gedemütigt, was ihn sexuell erregt - und Folgen haben soll.

Zeitsprung: 16 Jahre später lebt Ferguson, meist von Alkohol und Marihuana benebelt, mit Perfidias jugendlicher Tochter Willa (mit der richtigen Mischung aus Verletzlichkeit und Selbstbewusstsein verkörpert von der talentierten Newcomerin Chase Infiniti) unter falschen Identitäten. Die Mutter hat die Zelle einst verraten und ist aus dem Zeugenschutzprogramm spurlos verschwunden, Ferguson und Kind sind untergetaucht. Lockjaw, auf dem Weg Mitglied der rassistischen und einflussreichen Vereinigung "Christian Adventurer Club" zu werden (Parallelen zur Realität sind offensichtlich), will noch eine Rechnung begleichen. Willa schwebt in Gefahr.

Wie Pynchon in seinem Roman wartet "One Battle After Another" mit einem Kaleidoskop an schrägen Figuren auf. DiCaprio gibt das wunderbare Bild eines zerzausten, von Drogenmissbrauch gezeichneten Altrevoluzzers ab, der sich um seine Tochter sorgt und auf der Flucht (im Morgenmantel) vor Lockjaws Männern in ziemlich schräge Situationen stolpert. Ein cooler Kampfsportlehrer (Benicio Del Toro), der Migranten versteckt, hilft ihm dabei. Penn ist als besessener, gruseliger, perverser, cartoonhafter Colonel - das Kinn vorgerückt, ein Gang wie mit einem Stock im Allerwertesten - einfach nur fantastisch.

Anderson bietet ausreichend rasante Action, gekleidet in tolle, detailreiche Bilder (mit seinem Co-Kameramann Michael Bauman nutzt er das fast vergessene VistaVision-Format). Wenn die Verfolgungsjagd über eine Straße mit vielen Hügeln geht, wird einem beim Zusehen (am besten im IMAX) schwindelig. Wenn die Kamera lange auf den Gesichtern der Schauspieler ausharrt, kann man die Gedanken der Figuren fast hören; folgt sie einem Polizisten durch Gänge mit Käfigen, in denen Migranten eingesperrt sind, wird das Elend greifbar. Die Musik unterstreicht die rundum gelungene Inszenierung: mal untermalen flotte Popsongs die Handlung, mal reibt der Score von Jonny Greenwood Nerven auf.

"One Battle After Another" fesselt emotional, reißt mit, lässt schmunzeln und den Atem anhalten, ist letztendlich bei aller Gewaltszenen eine berührende Vater-Tochter-Geschichte, die auch über rund drei Stunden keine Längen hat. Und Penns geniale Darstellung von Lockjaw wird wohl ebenso in die Kinogeschichte eingehen wie eine unglaublich starke Szene, in der eine hochschwangere Perfidia mit einem Sturmgewehr ohrenbetäubende Schusssalven abgibt. Das ist Sinnbild für die Absurdität von Gewalt, egal von welcher Seite.

(Von Wolfgang Hauptmann/APA)

(S E R V I C E - www.warnerbros.de/de-at/filme/one-battle-after-another)

HOLLYWOOD: FOTO: APA/APA/Warner Bros.

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