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Außerdem hänge der Veröffentlichungs-Rhythmus auch davon ab, wie gut ein Album ankommt. "Ist es erfolgreich, wird eine Tournee oftmals verlängert." Und Michael Patrick Kellys Alben kommen gut an: Jedes seiner bisherigen vier Solo-Werke eroberte einen Spitzenplatz in den deutschen Charts. Seine letzten beiden erreichten jeweils den zweiten Rang, Doppel-Platin- beziehungsweise Doppel-Gold-Auszeichnung inklusive. Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten, um auch seinem neuen Album "Traces" beste Hit-Chancen einzuräumen. Schließlich gelingt dem 47-jährigen Wahl-Münchner erneut eine gelungene Mixtur aus einschmeichelnden Pop-Melodien, dynamischem Rock und Brit-Pop sowie Elementen aus Indie-Rock, Urban und Worldmusic.
Egal, ob er – wie im Opener "The One" – von seinem Eheglück singt, in "Glorious" in Robbie Williams-Manier den Geist des Brit-Pop beschwört oder im hymnischen "Crossfire" ein opulentes Pop-Feuerwerk zündet – textlich gibt sich Michael Patrick Kelly nie mit banalen Inhalten zufrieden. Im Gegenteil: Tiefgang und Ehrlichkeit genießen Priorität. "Ich sehe mich da wie ein kleiner Jünger von Bruce Springsteen und Bob Dylan", bekennt er und erwähnt den legendären Nashville-Songwriters Harlan Howard, dessen Losung "Drei Akkorde und die Wahrheit" auch für seine Songwriting-Philosophie Pate stehe.
Bei "Traces" womöglich mehr denn je. Bei diesem in London und Berlin aufgenommenen Longplayer, erinnert sich Kelly seiner Einflüsse. An Erlebnisse und Menschen, die Spuren in seiner Persönlichkeit hinterlassen haben. Sein 2002 verstorbener Vater Daniel darf da nicht fehlen: Mit "The Day My Daddy Died" setzt er ihm ein akustisches Denkmal. Ein emotionaler, in keltische Pop-Melodien verpackter Nachruf, bei dem seine Geschwister den Chorgesang beisteuern. "Sie waren sofort dabei, weil allen klar war, dass es kein Marketing-Coup ist, sondern eine Ehrung unseres Vaters. So entstand nach langer Zeit wieder ein Moment echter musikalischer Begegnung zwischen uns", sagt er.
Spuren in der Vita des Singer-Songwriters haben auch seine vielen Reisen hinterlassen. Eine führte ihn Anfang der 2000er-Jahre in die indische Millionen-Metropole Kalkutta. Die Reminiszenz an diesen Trip – "Calcutta Angel" – zeigt vielleicht am besten, wie wenig Michael Patrick Kelly mit den üblichen Gepflogenheiten der glamourösen Popwelt in Einklang zu bringen ist.
"Ich war Anfang, Mitte 20", erinnert er sich, "und ich hatte zu dem Zeitpunkt Geld und Ruhm im Überfluss. Trotzdem war ich unglücklich und innerlich leer. Ich habe nach Dingen gesucht, die man nicht bei Amazon bestellen kann." Er fand sie in einem Kloster in Burgund, wo er von 2004 bis 2010 als Bruder John lebte und Philosophie studierte. Und er wurde in den verarmten Slums von Kalkutta fündig, wo er spartanisch gelebt und in einem kirchlichen Sterbe-Hospiz gearbeitet hat.
"Das hat mich verändert", meint er. Er habe inmitten dieser Armut einen anderen Blick auf das Leben bekommen – und durch ein Erlebnis auch wieder zur Musik gefunden: "Ich hatte immer meine Gitarre dabei. Eines Tages bat mich die Ordensschwester, etwas für die Todkranken im Saal zu singen." Das habe er gemacht. In einem großen Saal, vollgepfercht mit Liegen und Pritschen, auf denen Schwerstkranke lagen. "Schon nach wenigen Takten habe ich bemerkt, wie sich viele von ihnen aufgerichtet und manche sogar gelächelt und geklatscht haben. In diesen Ort des Todes war plötzlich wieder Leben eingekehrt." Da sei ihm klar geworden, was Musik bewirken kann, wenn sie aus dem Herzen komme.
Aus tiefstem Herzen kommt sicherlich auch der letzte Song des Albums – die mehr als fünfeinhalbminütige "Symphony Of Peace" - ein Crossover aus Pop, Klassik und Rock. Natürlich sei ihm bewusst, dass ein Song keinen Krieg beenden kann – aber ganz ohne Wirkung blieben Noten und Rhythmen auch nicht: Bob Marleys "One Love Peace Concert" sei dafür ein Beispiel, sagt er.
"Ich bin ein hoffnungsvoller Mensch", so Kelly, der seit September 2024 Botschafter der Vereinten Nationen für "Frieden und Gerechtigkeit" ist. "Ich erlebe Menschen, die ihre ganze Kraft und Lebenszeit hingeben, um anderen zu helfen. Es passiert – auch wenn man davon in den Nachrichten nicht so viel mitbekommt – so viel Gutes auf der Welt. Das macht mir Mut."
Diesen optimistischen Geist hat er für sein Album "Traces" eingefangen: 13 musikalische Mutmacher, die einen etwas zuversichtlicher auf die Welt blicken lassen.
Für 30. April 2026 ist ein Konzert von Michael Patrick Kelly in der Wiener Stadthalle angekündigt. Doch diese ist zu diesem Zeitpunkt schon ganz für die Vorbereitungen zur Austragung des Eurovision Song Contests (ESC) in Anspruch genommen. Der Musiker steht laut "oe24" mit den Veranstaltern in Austausch. "Die sind gerade dabei zu gucken, wie man das jetzt löst. Wer werden alles tun, um einen Ersatztermin zu finden", sagte Kelly gegenüber der Tageszeitung. Fest steht für ihn: "Ich bin auf jeden Fall nächstes Jahr in Österreich auf Tour."
(Von Gunther Matejka/dpa)






