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Als Autor, "der seine Bildung und Belesenheit nicht verschämt versteckt", würdigte Laudator Klaus Nüchtern 2013 bei der Verleihung des Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur den Iren, der sich als glühenden Europäer bezeichnet und mit Nachdichtungen von Stücken von Heinrich von Kleist einen besonderen Bezug zur deutschen Sprache erkennen ließ. Er wurde außerdem u.a. mit dem Man Booker Preis (2005), dem Irish Book Award (2006), dem Franz-Kafka-Literaturpreis (2011) und dem Prinz-von-Asturien-Preis (2014) ausgezeichnet - und durfte sich 2019 kurzzeitig auch als Nobelpreisträger wähnen. Der vermeintliche Anruf der Schwedischen Akademie entpuppte sich als böser Scherz, doch nicht nur in seiner Heimat ist man seit langem der Meinung, dass John Banville den Nobelpreis für Literatur verdient hätte.
William John Banville kam als jüngstes von drei Geschwistern 1945 in Wexford an der irischen Ostküste zur Welt. Als Kind wurde er "verehrt von meiner Muter, toleriert von meinem Vater", wie er es in einem Interview mit dem "Guardian" einmal ausdrückte. Heute sei ihm bewusst, wie eng und ärmlich es zugegangen sei und wie viel Kontrolle die Kirche gehabt habe, sagt er und bezeichnet den irischen Katholizismus als Sekte mit Gehirnwäsche.
Nach der Schule arbeitete Banville für die irische Fluggesellschaft Aer Lingus und anschließend mehr als drei Jahrzehnte als Journalist, zuletzt von 1988 bis 1999 als Literaturkorrespondent bei der "Irish Times". Romane zu schreiben, sei "ein Prozess des Träumens", erklärt Banville. Sein erster Roman "Long Lankin" erschien 1970, sein dritter Roman "Doctor Copernicus" bedeutete 1976 seinen Durchbruch, "The Sea" (2005) die vorläufige Krönung eines breiten Werks. "Venetian Vespers", wie "Schatten der Gondeln" im Original heißt, ist sein 22. Roman unter seinem Namen. Daneben gibt es aber seit 2007 auch Krimis, die er deutlich schneller als seine übrigen Romane schreibt und unter dem Pseudonym Benjamin Black veröffentlicht.
Banville sagte zwar einmal, er sei in alle Frauen verliebt, Familien gegründet hat er aber nur mit zweien. Mit einer US-Amerikanerin hat er zwei erwachsene Söhne, aus einer anderen Beziehung außerdem zwei Töchter. Wegen des Schreibens sei er kein besonders guter Vater gewesen, zeigte er rückblickend ein wenig Selbsterkenntnis.
"Wer eine Stunde in seiner Gesellschaft verbringt, kann einen starken Hang zu guter Laune und Boshaftigkeit entdecken, der nur knapp unter der Oberfläche brodelt", hieß es einmal im "Independent". Das Selbstporträt, das er in seinem neuen Roman den Protagonisten Evelyn Dolman von sich entwerfen lässt ("ein hochnäsiger, selbstverliebter Einfaltspinsel, (...), nach außen hin männlich und selbstzufrieden, während der Zwerg im Inneren voller unstillbarer Ressentiments vor Wut schäumte"), kann also durchaus als Selbstironie gedeutet werden.
Überhaupt eignet sich "Schatten der Gondeln" gut als Einstieg in Banvilles Oeuvre - auch für die Erkenntnis, dass dem Autor Italien oder Irland im Grund einerlei ist. In die Tiefen der menschlichen Seele lässt sich überall eintauchen, ob im River Liffey oder in den Kanälen von Venedig.
(S E R V I C E - John Banville: "Schatten der Gondeln", Aus dem Englischen von Elke Link, Kiepenheuer & Witsch, 378 Seiten, 25,70 Euro)






