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Fotobuch blickt hinter die Kulissen der Wiener Ringstraße

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Die Wiener Ringstraße, ganz anders
©Album Verlag, APA
Die Wiener Ringstraße ist weltbekannt. Die Palais und Repräsentationsbauten prägen das Stadtbild mit ihrem historistischen Architekturprogramm. Die prunkvollen Fassaden "werden selten mit Fortschritt und Technologie assoziiert. Dabei bergen ihre Bauten eine Fülle von technischen Innovationen auf der Höhe der damaligen Zeit", schreiben Gabriele Kaiser und Maik Novotny im Vorwort des Buches "Maschinenräume", in dem Fotos von Hertha Hurnaus beeindruckende Einblicke gewähren.

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Diese Fotografien führen in Räume, die der Öffentlichkeit sonst verborgen sind - und die heute in der dokumentierten Form teilweise auch gar nicht mehr existieren. So "erwischte" Hurnaus während ihrer achtjährigen Arbeit die unterirdischen Bibliotheksräume der Universität Wien gerade noch vor der Übersiedlung der Bestände oder hielt die Nebenräume des Parlaments vor dem großen Umbau fest. Neben diesen beiden Gebäuden werden das Burgtheater, die beiden Museen, das wenig bekannte Monturdepot in der Hofburg, das Rathaus und der Wiener Bankverein, dessen Kassenhalle nach dem Auszug der Bank Austria nun einen Supermarkt beherbergt, besucht.

Was in imposanten Kellergewölben und auf gewaltigen Dachböden zu sehen ist, beeindruckt. Im Burgtheater folgt die Architekturfotografin, die u.a. auch der Semmeringbahn oder dem Wiener Funkhaus Publikationen gewidmet hat, dem Weg der Frischluft, vom Einlaufbauwerk im Volksgarten über einen Luftbrunnen, Filter- und Befeuchtungsanlagen bis zur kunstvollen Windfahne am Dach. Dazu passend widmen sich in den begleitenden Essays u.a. Gabriele Kaiser den "Gebäude-Beatmungs-Systemen" des revolutionären Lufthygienikers Karl Böhm von Böhmersheim und Maik Novotny der "Sprache der Erfindungen im Industriezeitalter" - von der Abströmöffnung und der Apparatenkammer über Lichthof und Luftraum bis zu Porenraum, Rohrpostanlage, Sonnenbrenner und Zwischenboden.

Erstaunlich leergefegt und aufgeräumt präsentieren sich die Gewölbe, durch die meist dicke Rohrstränge verlaufen und in denen altertümliche Messgeräte und Ventilräder mit nüchterner Büroausstattung von heute kontrastieren. Im Naturhistorischen Museum (NHM) trifft in diesen Räumen die technische auf die präparierte Welt: Die Gänge werden gleichzeitig als Depots für Tierpräparate verwendet - was ihnen eine besonders zaubrische Atmosphäre verleiht, in der das Leben stillzustehen scheint, aber wirkt, als könne es jederzeit wieder in Gang gesetzt werden.

Nicht nur im NHM ist die Fotografin auch unters Dach gestiegen - und die Innenansicht der bis in 65 Meter Höhe aufragenden Kuppel des Museums ist mit ihrer holzverkleideten Eisenkonstruktion fast noch imposanter als die Außensicht. Im Rathaus, wo auch die untere Umkehrschleife des damals hochmodernen Paternosters festgehalten wird, wölbt sich schiffsbauchgleich über dem Gemeinderats-Sitzungssaal "ein stiller Zwilling mit hoch aufstrebenden Festsaal-Ausmaßen" in die Höhe, "leer bis auf einen geheimnisvoll minimalistischen Kasten, in dem sich das Drehgewinde des Lusters verbirgt".

"Die Eisenkonstruktionen, für die man sich das größte Publikum wünscht, sind in manchen Dachböden und Kuppeln um Wendeltreppen und Wartungsstege von schwindelerregender Zartheit ergänzt", schreibt Kaiser. "Sie stehen ausschließlich dem befugten Personal zur Verfügung und sind in der Gruppe der architektonischen Bauteile das festlichste Element."

Weitere Essays von Friedrich Idam, Stefanie Jovanovic-Kruspel, Maya McKechneay, Gerhard Murauer und Andreas Nierhaus widmen sich technischen und städtebaulichen Aspekten dieser wahrhaften Gründerzeit, in der die ehemals aus militärischen Gründen freigehaltene Glacis-Fläche, in deren Untergrund schon die Türken im Zuge ihrer Belagerung zahllose von oben unsichtbare Spuren hinterlassen hatten, innerhalb weniger Jahrzehnte dicht besiedelt und zum modernsten Teil einer aufstrebenden Metropole wurde.

"Manche Bauwerke, die wir gerne ins Buch aufgenommen hätten, fehlen aus Sicherheitsgründen oder weil - wie bei der Staatsoper - von der bauzeitlichen Haustechnik kaum mehr etwas erhalten ist", resümieren Kaiser und Novotny. "In anderen Fällen sollten verborgene Räume den Blicken der Öffentlichkeit vielleicht einfach verborgen bleiben. Möglicherweise eine wienerisch-freudianische Rolle der Untergründe und Hintergründe: Hier wohnt das Geheimnis, das Private, das Heimliche."

(S E R V I C E - Hertha Hurnaus, Gabriele Kaiser, Maik Novotny (Hg.): "Hinter der Kulisse der Wiener Ringstraße", Fotos von Hertha Hurnaus, Texte von Hertha Hurnaus, Friedrich Idam, Stefanie Jovanovic-Kruspel, Gabriele Kaiser, Maya McKechneay, Gerhard Murauer, Andreas Nierhaus und Maik Novotny, Album Verlag, 272 S., 42 Euro. Buchpräsentation am Montag, 27. Oktober, 18.30 Uhr, im Nordbuffet des Wiener Rathauses, Eingang Lichtenfelsgasse 2, Feststiege II, 1. Stock)

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA / Album Verlag

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