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"Das Pen!smuseum" ist keine Anthologie im herkömmlichen Sinne. Vielmehr ist es eine literarische Gemeinschaftsarbeit von Fallwickl ("Die Wut, die bleibt") und ihrer Kollegin Reisinger ("Pleasure"), angereichert mit zwei Gastbeiträgen von Jovana Reisinger und Sophia Süßmilch, garniert mit Illustrationen von Andrea Zapanta Scharf. Sie alle wurden - inklusive Klemm - vorab auf dem Buchcover genannt, nach einer Debatte rund um vermeintliche Transfeindlichkeit wurde Klemms Mitwirkung revidiert.
In 20 kurzweiligen Texten, die allesamt von Frauen handeln, "die sich nichts mehr gefallen lassen", entwerfen die Autorinnen sich teils lose aufeinander beziehende literarische Auseinandersetzungen mit weiblichen Lebensrealitäten. So verfasste Fallwickl etwa in "Girls will be Girls" einen hoch komischen SMS-Dialog zwischen zwei Freundinnen, der darin gipfelt, dass die hochschwangere Anna im Internet nach Sex-Dates sucht. In dem Dialog "Was machst du schon wieder für ein Theater" lässt sie wiederum ein langjähriges Ehepaar subtil aneinander vorbeireden. Die Titelgeschichte gibt schließlich Einblicke in das Leben einer Ehefrau, die aus Wut auf ihren lethargischen Mann bei dessen Nickerchen heimlich Dickpicks anfertigt.
Kalt den Rücken läuft es Lesenden hinunter, wenn Reisinger ihre Protagonistin in "Rücken an der Wand" einen Gewaltakt gegen ihren Vergewaltiger plant oder in "Frau Zielinskas Schwangerschaftsabbrüche" eine höchst illegale Lösung dafür findet, polnischen Frauen bei Abtreibungen zu unterstützen. Immer wieder begegnen einem die Protagonistinnen aus anderen Erzählungen, was die Lektüre auch zu einer Spurensuche macht. Wie groß Klemms Beitrag zum Buch gewesen wäre, bleibt offen. Süßmilch und Jovana Reisinger sind jedenfalls mit je einem Text vertreten.
Aus einer formal völlig anderen Perspektive widmet sich Gertraud Klemm dem Feminismus in ihrem jüngst erschienenen Sachbuch "Abschied vom Phallozän". Während der Begriff in verschiedenen Sprachen für unterschiedliche "destruktive Ausprägungen des Patriarchats" benutzt werde, trete sie an, "das Zeitalter eines völlig aus dem Ruder gelaufenen Patriarchats" zu beschreiben, heißt es zu Beginn. Die Rede ist von einem Patriarchat, das sich an die Schaltstellen der Macht katapultiert habe und dort "seine zerstörerische Kraft" ausübe.
Nicht ausgeklammert werden in dem schmalen Band auch feministische Grabenkämpfe, wie sie nicht zuletzt durch Klemms Ausladung aus dem Sammelband "Das Pen!smuseum" öffentlich ausgetragen wurden. "Ganz besonders der feministische Aktivismus, in den noch in den 1970ern große Hoffnungen gesetzt wurden, fällt durch kannibalistische Tendenzen auf", schreibt die 54-Jährige, ohne konkrete Beispiele zu nennen. Die Frauenbewegung zerfalle in "mehr oder weniger radikale, einander auslöschende Gegenströmungen, die mit dem Erstellen und Dekonstruieren theoretischer Ansätze beschäftigt sind".
Etwas später wird Klemm schließlich konkreter: Die bekennende Ökofeministin stößt sich an feministischen Fragestellungen wie "Wo platziere ich das Gendersternchen? Wie basteln wir das ultimativ inklusive Akronym, mit dem auch wirklich alle* glücklich sind?", formuliert sie spitz und verweist auf die Gefahr, dass mit zunehmender Komplexität die Chancen auf einen mehrheitsfähigen Diskurs "abseits einer intellektuellen Elite" zu schwinden drohen.
Auch sucht Klemm aufgrund der Dysfunktionalität des "Systems Kleinfamilie" nach Alternativen für die "Familie der Zukunft". Nach anschaulichen Exkursen über matriarchale Strukturen auf unterschiedlichen Kontinenten und deren ökonomische, soziale, kulturelle und politische Spezifika landet die Autorin schließlich wieder bei der "(De-)Konstruktion des Patriarchats", wo sie nicht nur Parallelen zum Kolonialismus zieht, sondern auch auf den nicht-männlichen, nicht-weißen Körper als "Mängelexemplar" eingeht (und etwa den Blick auf die von der medizinischen Forschung benachteiligten Frauen wirft). Auch der Schaffung einer neuen, nicht männlich geprägten Religion widmet sich ein Unterkapitel.
Mit einer Reihe von konkreten Anweisungen (von der Mobilisierung der Zivilbevölkerung über die Diversifikation der Politik bis zur Entpatriarchalisierung des Kulturbetriebs) gibt Klemm ihren Leserinnen und Lesern abschließende mögliche Handlungsanweisungen mit auf den Weg. Am Ende steht ein Aufruf: "Wir brauchen die Denkleistung von vielen klugen Menschen aller Geschlechter und Fachrichtungen, um aus der Sackgasse Krieg, Unterdrückung von Frauen, Turbokapitalismus und Klimakrise herauszufinden."
(S E R V I C E - "Das Pen!smuseum" von Mareike Fallwickl und Eva Reisinger, Special Guests: Jovana Reisinger, Andrea Z. Scharf und Sophia Süßmilch, Leykam Verlag, 216 Seiten, 26,95 Euro // "Abschied vom Phallozän" von Gertraud Klemm, Matthes & Seitz, 142 Seiten, 20,95 Euro.)
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/Leykam Verlag