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Fantasyautor Koch entführt auf Rückseite der Wirklichkeit

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Boris Koch hat sich der Fantasy verschrieben
©WOLFGANG HAUPTMANN, APA
Der Zivildienst in der Kinderpsychiatrie hat bei Fantasyautor Boris Koch Spuren hinterlassen. "Dort habe ich viel gesehen. Das hat mir den Drang verliehen, gegen eine gewisse Art von Eltern und Großeltern anzuschreiben." In seinem Roman "Das Schiff der verlorenen Kinder" landen gemobbte, verschmähte und misshandelte Heranwachsende auf "der Rückseite der Wirklichkeit" und begegnen reale Schrecken als Monster. "Normale Orte" hat Koch "ins Dunkle" verdreht, sagt er im Interview.

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Der 52-Jährige, bekannt u.a. für die Romanserie "Der Drachenflüsterer", schreibt für Jugendliche wie für Erwachsene, hauptsächlich fantastische Geschichten, manchmal darf es auch Horror oder realistisch sein. "Das Schiff der verlorenen Kinder" setzte er vor der Buchfassung mit Illustratorin Frauke Berger als Comic um. Den Inhalt umschrieb der Deutsche auf der Wiener Comic Con gegenüber einem Besucher als irgendwo zwischen "Es" und "Peter Pan". Schließlich spielen Kinder und ein Schiff die Hauptrollen - neben Monstern aller Art, von Vampiren über Werwölfen bis zur "Notarin der schlimmen Träume".

"Stephen King ist ein großartiger Erzähler. Aber ich versuche nicht, wie er zu schreiben," stellt Koch klar. "'Peter Pan' finde ich auch toll. Aber es war nicht meine Idee, einen neuen 'Peter Pan' zu schreiben, ich habe nur ein paar Anspielungen darauf in die Geschichte gepackt." Was ihn an Fantasy reizt? "Man kann Ideen komprimieren und auf die Spitze treiben. Das liegt mir. Das gibt mir die Möglichkeit, auch in beinahe realistischen Kinderbüchern zu übertreiben. Ich möchte Fantasy aber nicht völlig losgelöst von der realen Gegenwart haben, sondern die Probleme, die Gefühle, die Ängste sind ganz real. Aus diesen speist sich die Fantasiewelt."

Für "Das Schiff der verlorenen Kinder" hat Koch ein spezielles "Traumland" geschaffen: "'Die Rückseite der Wirklichkeit', um zu sagen, da ist was unter dem Teppich oder im Schatten, was einen Bezug zur Wirklichkeit hat." Zwei Hauptfiguren, Leo und Felix, leidend unter einem gewalttätigen Vater, werden aus der Realität auf eine Art Geisterschiff entführt, wo sie dank eines Mädchens Zuflucht in einem Röhrensystem finden. "Das ist auch eine Verdrehung und Verkehrung der Bilder", so Koch. "Normal sagt man ja, in den Gängen bewegen sich Menschen, hinter den Wänden lauert das Böse. Hier ist es genau andersrum."

Das Böse sei nicht immer intelligent wie Hannibal Lecter, sondern "häufig nur primitiv und gewalttätig", betont Koch. "Die Monster in meinem Buch sind nicht stark, mächtig und brillant, sondern dumpfe Monster, die nur körperliche Macht über die Kinder haben, die auch zur seelischen Macht wird, weil sie Kinder in Angst versetzen. Angst bringt dich dazu, dich unterzuordnen." Weil Horror oft mit Humor Hand in Hand geht ("damit wird das Grausige ins Lächerliche gezogen"), hat sich Koch einige skurrile Qualen einfallen lassen, denen die Kinder am Schiff ausgesetzt sehen - so muss ein junger Veganer in einer Schlachtkammer schuften.

Andere Kinder dienen als lebende Kegel für ein Monster, das einen Puppenkopf aus einer Kanone auf sie abfeuert. Die Inspirationen kämen bisweilen aus dem Unterbewusstsein, erzählt Koch. "In meinem Heimatort gibt es eine alte Sage von Dampfnudeln kegelnden Rittern. Dampfnudeln sind wie Germknödeln. Weil die zu hart geworden sind, haben sie damit gekegelt - auf den Koch, der das versemmelt hat. Und Kanonen gehören zu einem Piratenschiff. Da ging eins ins andere."

Zu Beginn der Geschichte, die sich im Gegensatz zu seiner neuen Reihe "Schule des Schreckens" nicht an ein ganz junges Publikum richtet, hat Koch ein Textzitat aus Metallicas "Enter Sandman" gesetzt. "Ich mag das schwarze Album der Band sehr", schmunzelt er. "Aber der Text passt ja auch perfekt: 'Exit light, enter night - jetzt geht es in die Rückseite der Wirklichkeit, wo keine Sonne scheint."

(Das Gespräch führte Wolfgang Hauptmann/APA)

(S E R V I C E - Boris Koch: "Das Schiff der verlorenen Kinder", Heyne Verlag, 544 Seiten, 25,50 Euro)

Fantasy-Autor Boris Koch am Samstag, 22. November 2025, im Rahmen eines Interviews mit der Austria Presse Agentur - APA in Wien.

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