Mehrere Schüler:innen sowie mindestens eine erwachsene Person unter den Verstorbenen. Täter ist ebenfalls tot. Lage galt zu Mittag als wieder „sicher“ für die Bevölkerung.
Amoklauf in einer Grazer Schule
Bei einem Amoklauf in einer Grazer Schule in der Dreierschützengasse sind am Dienstag elf Menschen gestorben. Das bestätigte die Polizei offiziell. Sieben der Opfer waren weiblich, drei männlich. Eine Frau starb Dienstagabend im LKH Graz, sie war eine der beiden Schwerverletzten, die ins Spital eingeliefert worden waren. Der Täter hat Suizid in einer Toiletten-Anlage begangen. Elf weitere Personen sind – zum Teil schwer – verletzt. Zu deren genauen Zustand wollten weder die Polizei auf der Pressekonferenz noch der steirische Landesrettungskommandant danach ins Detail gehen.
Die Kinder und Jugendlichen wurden teils in die nahe Helmut-List-Halle gebracht und dort vom Kriseninterventionsteam sowie dem Roten Kreuz versorgt. Angehörige, die sich Sorgen um ihre Kinder machen, wurden in die nicht weit entfernte ASKÖ-Halle geschickt. Das sei nun die Anlaufstelle für Eltern.
Täter dürfte allein gehandelt haben
Laut ersten Informationen der Polizei zufolge dürfte der Täter allein gehandelt haben. Ein Bericht, wonach am Wohnort des 21-Jährigen bei einer Durchsuchung ein Abschiedsbrief gefunden worden sei, bestätigte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, in einer „ZIB Spezial“ zum Amoklauf auf ORF2 (20.15 Uhr) am Dienstagabend. Dieser lag demnach in analoger und digitaler Form vor, inhaltlich habe das Schreiben laut Ruf jedoch keinen Hinweis auf ein Motiv geliefert, es enthielt Abschiedsworte des Täters an seine Eltern.
Was den legalen Besitz der Tatwaffen betrifft, so gelte es hier den genauen Sachverhalt zu prüfen. Ein Führen der Waffe war dem 21-Jährigen aufgrund der Gesetzeslage jedenfalls zu keinem Zeitpunkt gestattet gewesen.
Motiv vorerst noch unklar
Die Polizei habe indessen die Ermittlungen aufgenommen und muss auch erst die Motivlage des mutmaßlichen Täters prüfen, hieß es gegenüber der APA. Laut ersten Informationen der Exekutive zufolge dürfte der Täter allein gehandelt haben. Medienberichten zufolge soll es sich um einen 21-jährigen ehemaligen Schüler handeln, der sich gemobbt gefühlt habe. Das bestätigte die Polizei vorerst aber nicht.
Medien berichteten auch, dass er die Waffe erst wenige Tage zuvor gekauft haben soll und in zwei Klassen um sich geschossen habe. Auch das wurde vorerst nicht bestätigt. Andere Medien berichteten, dass der Täter mit einer Pistole der Marke Glock und einer Schrotflinte geschossen habe. Beide soll der Ex-Schüler offenbar legal besessen haben.
Ein „Amoklauf“ könne bisher nicht bestätigt werden. Die Polizei bat Eltern, ihre Kinder nicht eigenständig von der Schule abzuholen, sondern auf weitere behördliche Informationen zu warten. Es werde laufend unter https://x.com/PolizeiStmk unter #graz1006 informiert.
Eine Upload-Plattform für Zeugen wurde unter https://upload.bmi.gv.at/ eingerichtet. Auf dieser können verdächtige Beobachtungen, Fotos oder Videos von der Tat oder dem Umfeld hochgeladen werden. Hinweise oder sonstige Wahrnehmungen werden auch bei jeder Polizeidienststelle entgegengenommen. Von einem Hochladen auf Social Media-Kanälen soll auf Bitte der Polizei abgesehen werden, um Einsatzkräfte, laufende Ermittlungen und die Opfer nicht zu gefährden.
Zwei Patienten in kritischem Zustand
Die Opfer der Attacke wurden ins LKH-Universitätsklinikum Graz, LKH Graz II/Standort West und ins UKH gebracht. Am LKH sind sieben Personen, eine im LKH Graz II/Standort West und vier am Unfallkrankenhaus UKH. Die vorhandenen Versorgungskapazitäten seien ausreichend, die Versorgung laufe professionell und ruhig ab, hieß es vonseiten der KAGes in einem ersten Statement. Ab der ersten Alarmierung seien sämtliche Kapazitäten an den Kliniken für die Versorgung der Betroffenen freigehalten worden.
Am Uniklinikum sind die Teams des Zentrums für Akutmedizin (ZAM) sowie der Kinder- und Jugendchirurgie für die Versorgung der Verletzten im Einsatz. Dort werden insgesamt zwei Erwachsene und fünf Jugendliche versorgt. Bei zwei Patient:innen war der Zustand am Nachmittag sehr kritisch, fünf sind schwer verletzt, alle waren am frühen Nachmittag noch im Operationssaal.
Am UKH Unfallkrankenhaus im Bezirk Eggenberg werden drei Jugendliche und eine erwachsene Person behandelt. Sie haben Schussverletzungen unter anderem an den Beinen erlitten, wie es vonseiten der Pressestelle des UKH Graz hieß. Ein weiteres Opfer wird am LKH Graz II/Standort West versorgt. Beim Krankenhaus der Elisabethinen im Grazer Bezirk Gries verzeichnete man indessen ein höheres Patientenaufkommen in den Notaufnahmen.
Lage war zu Mittag wieder sicher
Gegen Mittag galt die Lage als „sicher“ für die Bevölkerung. Die Polizei-Einsatzfahrzeuge zogen langsam wieder ab. Das Rote Kreuz dagegen war zu Mittag noch voll im Einsatz. Sprecher Stefan Loseries sagte gegenüber Medien, dass über 160 Rettungskräfte des Roten Kreuzes im Einsatz standen und am frühen Nachmittag noch weitere nachrückten. Die verletzten Personen seien gleich auf mehrere Krankenhäuser in und um Graz aufgeteilt worden. Dort tagten zu Mittag die Krisenstäbe.
Die unverletzten Kinder und Jugendlichen wurden teils in die nahe Helmut-List-Halle gebracht und dort vom Kriseninterventionsteam sowie dem Roten Kreuz versorgt. Angehörige, die sich Sorgen um ihre Kinder machen, wurden in die nicht weit entfernte ASKÖ-Halle geschickt. Das sei nun die Anlaufstelle für Eltern.
Polizeieinsatz
Der Einsatz hatte gegen 10 Uhr begonnen. Die Schule wurde evakuiert. Die Bevölkerung war angehalten, den Bereich rund um die Bildungseinrichtung zu meiden und den Anweisungen der Sicherheitskräfte vor Ort Folge zu leisten. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) war am Vormittag auf dem Weg zum Tatort – ebenso wie Bürgermeisterin Kahr.
Die Gegend rund um die Schule wurde abgeriegelt, der öffentliche Verkehr wurde umgeleitet. Sämtliche Straßen rund um die Schule wurden von schwer bewaffneten Polizeibeamten bewacht, während kurz vor Mittag weiterhin Rettungsfahrzeuge am Weg zur Schule waren.
Die betroffene Schule
Die Schule, in der sich der mutmaßliche Amoklauf am Dienstag ereignete, ist ein Oberstufengymnasium in der Nähe des Grazer Bahnhofs im Bezirk Lend in Graz. Das BORG Dreierschützengasse präsentiert sich auf seiner Webseite als engagierte Schule, die sich bemüht, den rund 400 Schülern in den 20 Klassen auch abseits der Wissensvermittlung gerecht zu werden.
„Mehr als anderswo können wir uns nicht nur ausschließlich auf die Vermittlung von Wissen in unseren Fachgebieten beschränken“, heißt es auf der Webseite unter Verweis auf die Herausforderung angesichts wachsender sozialer Probleme. Zudem gibt es ein Beratungsteam bestehend aus einem Schulpsychologen, einer Schülerberatung und Vertrauenslehrer:innen. Einmal wöchentlich wird ein Jugendcoaching angeboten. Außerdem gibt es schulinterne Projekte wie ein Nachhilfesystem „SchülerInnen helfen SchülerInnen“, in dem gemeinsames Lernen von besseren und schwächeren Schülern organisiert wird.
Reaktionen aus der Politik
Die Politik hat sich nach der Attacke in einer Grazer Schule mit zehn Toten erschüttert gezeigt. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sprach von einer nationalen Tragödie und einer „unfassbaren Tat“. Bundespräsident Alexander Van der Bellen erklärte, der „Horror“ sei „nicht in Worte zu fassen“. Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) sagte, ganz Österreich trauere. Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) zeigte sich zutiefst erschüttert.
Die kommenden drei Tage folgt eine Staatstrauer, zudem wurde die österreichische Flagge auf allen öffentlichen Gebäuden auf halbmast gesetzt. Am Mittwochvormittag um 10 Uhr wird zudem eine landesweite Trauerminute für die Opfer abgehalten. Auch die Bundesregierung wird zum Beginn des morgigen Ministerrats eine Trauerminute abhalten, um der Opfer des Amoklaufes in Graz zu gedenken. Zudem werden die für morgen geplanten Beschlüsse verschoben, hieß es.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sprach in einer schriftlichen Stellungnahme von einer „unfassbaren Tragödie“ - für die Schüler:innen, die Eltern und Angehörigen, die Lehrer:innen. „Eine Tragödie für Österreich.“ Steiermarks Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) sprach ebenfalls von einer „unfassbaren Tragödie“. Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) zeigt sich in einer Aussendung fassungslos über die „sinnlose Gewalt“. Er bedankte sich bei „allen Einsatzkräften und dem Spitalspersonal, die Großes geleistet haben und noch immer leisten“ und äußerte sein Mitgefühl gegenüber „all jenen, die heute einen geliebten Menschen verloren haben“.
Betroffen und „unendlich traurig“ äußerte sich Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS). Er sei „in Gedanken bei den Angehörigen der Opfer, allen SchülerInnen, der LehrerInnen und allen Mitarbeitenden“. Tief erschüttert zeigten sich auch die Parteichefs von FPÖ und Grünen, Herbert Kickl und Werner Kogler. „Nichts kann diese Wunden heilen. Keine Worte, keine Erklärungen, kein Warum. Es ist und bleibt ein Akt tiefster Grausamkeit - abscheulich, verstörend“, so Kogler. Beide Politiker dankten auch den Einsatz- und Rettungskräften.
Die Tragödie in Graz war auch Thema bei der EU in Brüssel. Das tägliche Midday Briefing der Europäischen Kommission begann eine Sprecherin am Dienstag mit dem Ausdruck des tiefsten Mitgefühls. Man trauere um die Opfer dieses furchtbaren Ereignisses und mit ihren Angehörigen, betonte die Kommissionssprecherin vor internationalen Journalistinnen und Journalisten. Es seien „absolut schreckliche und tragische Nachrichten“.
Tipps für Eltern
Der psychosoziale Notdienst Rat auf Draht hat nach der Tat Tipps für Eltern gesammelt, wie sie ihre Kinder in dieser Situation begleiten können. Die Notrufnummer bekomme erfahrungsgemäß „einige Anrufe von Jugendlichen, die Angst haben, dass so etwas auch bei ihnen in der Nähe oder an ihrer Schule passieren könnte“, sagt Brigit Satke, Leiterin des Beratungsteams, in einer Aussendung. Rat auf Draht stehe als Ansprechpartner bereit.
Zu den Tipps der Experten von elternseite.at sowie der Notrufnummer 147 von Rat auf Draht zählt, faktenbasiert und altersentsprechend über das Ereignis zu sprechen, ohne etwas zu verheimlichen oder zu dramatisieren. Unsicherheit erzeuge noch mehr Angst, hieß es. Zudem sollen Eltern alle Gefühle zulassen. Trauer, Angst, Wut, Frustration und Ärger seien völlig normal. Wenn Kinder spüren, dass jemand für sie da ist, können sie besser zur Ruhe kommen und die Ereignisse verarbeiten, hieß es am Dienstag.
Tipps zum Umgang mit Medien
Die Expert:innen gaben auch Tipps zum Medienkonsum: Kinder unter zehn Jahren sollten nicht allein Nachrichtensendungen ansehen, besser sei es, kindergerechte Informationen einzuholen. Jugendliche sollten die Berichterstattung gemeinsam mit den Eltern konsumieren. Bei Fragen könne man gemeinsam recherchieren. Es sei zudem ratsam, bewusst Nachrichtenpausen einzulegen. Auch Ablenkung und Zerstreuung tue gut.
Die vielen Berichte in den Medien und die Omnipräsenz des Themas lösen bei Kindern oft die Angst aus, dass ein Amoklauf auch an ihrer Schule passieren könnte. „Zum Glück sind Ereignisse wie diese noch die Ausnahme. Wenn Kindern diese Berichte dennoch Angst machen, ist es ganz wichtig auch darüber zu sprechen. Das hilft oft schon, die Angst ein wenig abzubauen“, so Satke.