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Österreich, das Land der Waffen

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©Bild: GettyImages

Unglaubliche 1,5 Millionen Schusswaffen sind in Österreich registriert. Damit ist Österreich nach Finnland das Land mit der höchsten privaten Feuerkraft in der EU. Daran wird auch der tragische Amoklauf in Graz wenig bis nichts ändern. Von Christian Neuhold

Es gibt nur ein Land auf der Welt mit mehr Schusswaffen in Privatbesitz als Einwohner: die USA. Es gibt, ausgenommen Finnland, kein Land in der EU mit mehr privater Feuerkraft als Österreich. Mit 30 regis­trierten Schusswaffen pro 100 Einwohner liegt Österreich beim privaten Waffenbesitz weltweit an stolzer zwölfter Stelle.

1,5 Millionen registrierte ­Gewehre und Faustfeuerwaffen lagern in den Privathaushalten zwischen Bregenz und Eisenstadt. 374.000 Österreicher haben eine Waffenbesitzkarte, 73.000 dürfen als Waffenpassbesitzer ihre Schusswaffe auch legal in der Öffentlichkeit mit sich führen.

Amokläufer war legaler Waffenbesitzer

Einer dieser 374.000 registrierten Waffenbesitzer hat am vergangenen Montag an einer Grazer Schule zehn Menschen getötet und sich danach erschossen. Der 21-jährige Steirer hatte einen Waffenbesitzschein und die bei seinem Amoklauf verwendete Pistole und sein Gewehr völlig legal erworben. Den psychologischen Test mit rund 300 unterschied­lichen Fragen hat er anstandslos bestanden, sein Leumund war tadellos. Eva Erlacher, auf Waffenrecht spezialisierte Rechtsanwältin in Wien: „So bedauerlich es angesichts der Ereignisse auch ist, der Waffenbesitz des Amokläufers war rechtlich in Ordnung.“

Wie nach derart tragischen Ereignissen üblich, beginnt in der Öffentlichkeit wieder einmal die Diskussion über eine Einschränkung des privaten Waffenbesitzes oder eines generellen Waffenverbots für Privatpersonen. Und wie jedes Mal werden sie auch diesmal mit Minimallösungen im Sand verlaufen. Das war schon bei der letzten Waffengesetz-Novelle 2020 so. Da wurde gerade mal die Größe der Magazine bei Faustfeuerwaffen auf 20 Schuss und bei Gewehren auf zehn Schuss begrenzt. Zu viel mehr Änderungen kam es damals nicht. Zu stark war da der Einfluss der heimischen Waffenlobby.

Bestens vernetzte Waffenlobby

An deren Spitze stehen die Sportschützen. Die sind zwar insgesamt mit knapp 23.000 Personen nur eine kleine Gruppe, aber sie sind bestens vernetzt. Gleich 7.500 Sportschützen sind in Tirol zuhause. Von dort stammt auch der Bundesschützenmeister Herwig van Staa, ehemaliger Landeshauptmann Tirols. Für hinhaltenden Widerstand bei jedem Änderungsversuch des Waffengesetzes ist sein Bundesland bekannt.

Neben den Sportschützen zählt die heimische Jägerschaft mit 132.000 Weidfrauen und -männern zur größten Gruppe der privaten Waffenbesitzer in Österreich. Immerhin, jagen darf man hierzulande nur, wenn man einen Jagdschein erworben hat. Dafür muss eine durchaus fordernde Prüfung bestanden werden und die künftige Jägerin oder der künftige Jäger muss über einen tadellosen Leumund verfügen sowie sich regelmäßigen Schusstests stellen. Jörg Binder, Generalsekretär des österreichischen Jagdverbands: „Die Jagdausbildung, ohne die man keinen Jagdschein bekommt, dauert über 600 Stunden.“ Für einen Führerschein werden durchschnittlich 300 Stunden aufgewendet.

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Ohne Jagdschein gibt es keine Waffenbesitzkarte und damit auch keine Schusswaffe. Faustfeuerwaffen dürfen ohnehin nur Jäger mit Waffenpass führen. Binder: „Ich würde mich freuen, wenn jeder Waffenbesitzer in Österreich eine Jagdausbildung mit entsprechender Schusswaffenkunde machen würde.“ An der derzeit gültigen Regelung für den Kauf von Langwaffen, die man ab 18 Jahren nach einer dreitägigen Wartezeit bei gutem Leumund anstandslos erwerben kann, sieht er keinen Änderungsbedarf. „Mit 18 Jahren ist man reif genug. Beim Bundesheer lernt man in diesem Alter ja auch den Umgang mit viel gefährlicheren Waffen“, so Binder.

An großen Änderungen im Waffengesetz haben auch der heimische Waffenhandel und die Waffenproduzenten wenig Interesse. Im Jahr 2024 gab es österreichweit rund 250 Waffenhandelsunternehmen, die rund 55 Millionen Euro Umsatz mit dem Verkauf von Schusswaffen erzielten. Die öffentliche Sicherheit, so die ARGE Zivile Sicherheit in der WKO, ist der zentrale Leitgedanke des Waffen-Fachhandels in Österreich. Wenn gewünscht, so die Antwort auf eine diesbezügliche Anfrage der Redaktion, werde man sich konstruktiv in den Austausch mit den zuständigen Behörden rund um das österreichische Waffenrecht einbringen.

Internationaler Waffen-Riese

Ein gewichtiges Wort hat auch die heimische Waffenindustrie mitzureden. Beim Export von Schusswaffen spielt Österreich international durchaus in der ersten Liga. Unternehmen wie Glock oder Steyr Arms zählen bei Faustfeuerwaffen und Sturmgewehren weltweit zu den größten Produzenten.

Sie lieferten 2021 lauf COARM-Bericht Waffen im Wert von 306 Millionen Euro in die ganze Welt. Darunter waren auch Waffen und Munition im Wert von 1,7 Millionen Euro an Russland, das damals wegen der Anne­xion der Krim bereits in der internationalen Kritik gestanden ist. Zählt man noch die Produzenten von Kriegsgerät und die Zulieferer zur Waffenindustrie hinzu, erreicht der Wirtschaftszweig gewichtige 3,3 Milliarden Euro Umsatz. Eine Wirtschaftsmacht, die gerne unbeachtet von der Öffentlichkeit ihren Geschäften nachgeht und mit der es sich auch die Politik nicht verscherzen will.

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 © Bild: iStockPhoto

Dementsprechend verhalten waren auch die Antworten der im Parlament vertretenen Parteien auf eine News-Anfrage betreffend einer möglichen Verschärfung des Waffengesetzes nach der Bluttat von Graz. Die Sicherheitssprecher von SPÖ, ÖVP und NEOS antworteten nahezu in gleichen Worten, dass man sich der Sache nach einer angemessenen Trauerzeit annehmen werde. Ob man eine Gesetzesänderung anstrebt, war nicht zu erfahren.

Die FPÖ möchte an den heimischen Waffengesetzen nichts ändern, eine Verschärfung wäre „mehr reine Symbolpolitik als eine wirksame Maßnahme gegen Kriminalität“. Für Agnes Sirkka Prammer, Sicherheitssprecherin der Grünen, ist der Waffenbesitz in Österreich zu liberal geregelt. Sie wünscht sich eine Abgabe aller Waffen nur an Waffenbesitzkarten-Inhaber nach vorheriger psychologischer Überprüfung. Diese fordert sie auch alle drei Jahre für Jägerinnen und Jäger.

Verzwickte Gesetzeslage

Dazu kommt, dass das österreichische Waffengesetz durchaus kompliziert ist. Das beginnt schon mit unterschiedlichen Altersgrenzen, ab der man eine Waffe erwerben darf. Langwaffen, etwa eine Schrotflinte, darf man ab 18 Jahre legal erwerben. Dafür muss man nur seinen guten Leumund nachweisen. Nach einer dreitägigen Wartezeit kann man die Waffe mitnehmen. Faustfeuerwaffen darf man ab 21 Jahren erwerben, vorausgesetzt man hat vorher eine Waffenbesitzkarte erworben. Dazu ist die Absolvierung eines psychologischen Eignungstests bei einem Psychologen notwendig. Diese Tests können etwa beim Kuratorium für Verkehrssicherheit abgelegt werden und kosten 300 Euro. Markus Schwaiger, Waffenhändler aus Wien: „Dazu muss ein ,Waffenführerschein‘ gemacht werden. Dabei werden Waffenbesitzer vom Waffenhändler im ordnungsgemäßen Umgang mit der Waffe geschult.“

In den ersten fünf Jahren nach Ausstellung der Waffenbesitzkarte dürfen zwei Faustfeuerwaffen erworben werden, ab dem fünften Jahr darf man maximal fünf Pistolen oder Revolver besitzen. In der Öffentlichkeit tragen darf man sie allerdings nur, wenn man einen Waffenpass hat. Bei dessen Vergabe ist der Staat aber im Gegensatz zu Schrotflinten sehr rigide. Gerade einmal 73.000 Waffenpässe sind heute in Österreich, vorwiegend an Personenschützer und andere Berufsgruppen mit besonderer Gefährdungslage, vergeben. Das sind um rund 2.000 weniger als 2018. Juristin Erlacher: „Ein Wirt, vor dessen Lokal es öfter zu Rangeleien kommt, erhält mit Sicherheit keinen Waffenpass.“

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Markus Schwaiger ist Waffenhändler in Wien und wünscht sich eine Neuregelung des Waffengesetzes bei Langwaffen.

 © Bild: Privat

Sobald eine Waffenbesitzkarte ausgestellt wird, erhalten Waffenbesitzer spätestens alle fünf Jahre Besuch von der Polizei, die kontrolliert, ob die Waffen ordnungsgemäß verwahrt werden und dabei auch ein Auge auf etwaige Verhaltensauffälligkeiten hat.

Erlacher: „Falls das Verhalten des Waffenbesitzers auffällig ist, oder es Drogen- oder Alkoholmissbrauch gibt, kann ein neues psychologisches Gutachten angefordert werden. Besteht man den Test nicht, sind die Waffen weg.“ Interessantes Faktum am Rande: Der Kauf von Munition unterliegt in Österreich, anders als in vielen anderen Ländern der EU, keinerlei Beschränkung. Ab 5.000 Schuss besteht für Waffenhändler allerdings eine Melde­pflicht.

Waffen stärken das Sicherheitsgefühl

Doch wie erklärt sich die unglaubliche Zunahme an registrierten Schusswaffen in Österreich? Seit 2015 hat sich ihre Zahl fast verdoppelt, die Zahl der Waffenbesitzer ist um mehr als 100.000 gestiegen. Das Marktforschungsinstitut Marketagent hat im Vorjahr die Motive hinter der privaten Aufrüstung erfragt. Zentral sei, so Marketagent-Geschäftsführer Thomas Schwabl, der Wunsch nach Selbstverteidigung.

Dabei gibt es aber starke Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Schwabl: „Bei 43 Prozent der befragten Frauen steht die Sorge hinsichtlich steigender Kriminalität beim Erwerb einer Waffe im Vordergrund, 34 Prozent der Männer wollen damit ihre Familie beschützen.“ Bei 20 Prozent der Bevölkerung steigt generell das Sicherheitsgefühl, wenn sie eine Waffe im Haus wissen.

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Eine große Mehrheit, immerhin 68 Prozent der Österreicher, sind laut Marketagent strikte Waffengegner und können sich den Besitz einer Waffe nicht vorstellen. 18 Prozent möchten auch vermeiden, dass Kinder mit Waffen in Berührung kommen.

Von einem generellen Waffenverbot für Privatpersonen wollen Experten allerdings nichts wissen. Denn schon jetzt ist die Zahl der illegalen Waffen, die in Österreich in Umlauf sind, enorm. Waffenhändler Schwaiger: „Durch unsere offenen Grenzen zum Osten, vor allem zu Ex-Jugoslawien, sind zig Tausende illegale Waffen in Österreich in Umlauf.“ Die Mehrzahl der Straftaten, so Schwai­ger, würde auch mit illegalen Waffen begangen. Täter wie der Grazer Amok­läufer hätten sich im Falle eines Verbots dann wohl am Schwarzmarkt versorgt, der gerade jetzt auch dank zahlreicher Waffen aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine floriert.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 25/25 erschienen.

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