Ziel wäre es, Sechsjährigen zu helfen, Rückstände auszugleichen. Allein: Es gelingt nicht ausreichend, wie der Bildungsforscher Mario Steiner feststellt. Er fordert daher eine mutige Reform.
Faktum der Woche
Wenn in Bezug auf das österreichische Bildungssystem von früher Selektion die Rede ist, dann bezieht sich das meist auf die Trennung, die bei Zehnjährigen erfolgt; die einen kommen in die Mittelschule, die anderen ins Gymnasium.
In Wirklichkeit gibt es aber schon viel früher eine Art Trennung, die gut gemeint ist: Sechsjährige, die als „nicht schulreif“ eingestuft werden, kommen in die Vorschule. Das sind viele: 2022/2023 handelte es sich um 10,9 Prozent bzw. ein Neuntel aller Schulanfänger.
Nicht-Schulreife von Wohnort abhängig
Der Bildungsforscher Mario Steiner vom Institut für Höhere Studien (IHS) hat das Vorschulwesen untersucht und die Ergebnisse in der „Österreichischen Zeitschrift für Soziologe“ veröffentlicht. Absurd: Zunächst scheint Nicht-Schulreife vom Wohnort abhängig zu sein. In der Steiermark besucht jedenfalls jedes 200. Kind die Vorschule, in Salzburg jedes vierte. Grundsätzlich handelt es sich abgesehen davon eher um Buben als um Mädchen, verfügen sie eher über einen Migrationshintergrund sowie Eltern, die nicht über die Pflichtschule hinausgekommen sind.
Vorschul-Ziel wäre es, Rückstände auszugleichen, um so späteren Misserfolgen vorzubeugen. Das gelingt laut Steiner nicht ausreichend. Die Kinder werden mit größerer Wahrscheinlichkeit frühe Bildungsabbrecher und kommen mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu einer Matura.


Reform notwendig
Auch wenn es viele Gründe dafür gibt, ist der Bildungsforscher überzeugt, dass eine Reform notwendig ist: „Ein mutiger Schritt wäre in dem Zusammenhang, das Konzept der Vorschulen und der damit in Verbindung stehenden Schulreife überhaupt infrage zu stellen.“
Und sich etwa an der „Flexiblen Eingangsstufe“ zu orientieren, die es in einigen deutschen Ländern gebe: Schüler, die in Österreich als „nicht schulreif“ gelten würden, werden dort gemeinsam mit allen anderen unterrichtet. Sie haben aber bis zu drei Jahre Zeit, das Kompetenzniveau der zweiten Schulstufe zu erreichen und werden laut Steiner „den individuellen Bedürfnissen entsprechend“ betreut.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 41/2025 erschienen.