Lange war das „J“ nur eine verzierte Form des „I“. Erst im 16. Jahrhundert wurde es zum eigenen Buchstaben – und veränderte das Alphabet dauerhaft
Das ‚Je‘, oder wie es in Deutschland als ‚Jot‘ bezeichnet wird, ist einer der jüngsten Buchstaben unseres Alphabets. William Shakespeare veröffentlichte 1597 die erste Kopie seines Theaterstückes noch als ‚Romeo and Iuliet‘. In früheren Ausgaben der Bibel wird von ‚Iesus‘ und ‚Ioseph‘ geschrieben.
Die Phönizier verwendeten den Buchstaben ‚Yodh‘ als Konsonant und sprachen ihn wie das heutige ‚J‘ aus. Die Griechen machten daraus den Buchstaben ‚Iota‘, der später zum Vokal ‚I‘ wurde. Auch im Lateinischen gab es keinen Buchstabe ‚J‘ mit einer unterschiedlichen Aussprache zu ‚I‘. Sie schrieben jedoch das ‚I‘ – als Zahl und als Buchstabe – manchmal mit einer verschönerten Abrundung. Die Zahl 13 kam in Texten als XIII und als XIIJ vor, ohne dass die Abrundung einen gesonderten Laut bedeutete.
Vokal/Konsonant
Das verzierte ‚J‘ setzte sich bis zum Mittelalter fort, wurde wahllos eingesetzt ohne eine besondere sprachliche Bedeutung. In der Aussprache und der Betonung existierten keine Unterschiede. Beide konnten den Laut eines Vokals ausdrücken, als auch den eines Konsonanten. Erst im 16. Jahrhundert kam es zur Trennung von Vokal und Konsonant. Das ‚J‘ erweiterte das Alphabet als selbstständiger Buchstabe, als Konsonant. Das Eigen-Leben des ‚Je’ begann mit dem italienischen Dichter und Sprachforscher Gian Giorgio Trissino. 1478 in Vicenza geboren, gilt er als Schöpfer der italienischen Sprache. Bis Trissino existierten verschiedene Dialekte in den Regionen Italien, doch keine einheitliche Sprache.
Trissino sammelte die verschiedenen Dialekte, reduzierte die Worte zu einem gemeinsamen Stamm und bildete daraus die gemeinsame Sprache. Mit seiner Übersetzung des Werks ‚De vulgari eloquentia‘ (Über die Volkssprache) von Dante Alighieri in das von ihm geschaffene moderne Italienisch schuf er die reale, praktische Grundlage seiner Sprach-Idee. Er ist verantwortlich für die Trennung zwischen ‚I‘ und ‚J‘ und unterschied als erster Sprachwissenschafter zwischen Vokal und Konsonant, beschrieb das ‚J‘ als weichen Laut wie im deutschen Wort ‚Januar‘ oder im englischen ‚Yes‘. Trissinos Theorie geht auf seine Schreibweise des Wortes ‚Jesus‘ zurück und gilt damit als Geburtsstunde des ‚J‘.
Gebrüder Grimm
Auch in der deutschen Sprache setzte sich die Trennung zwischen Vokal und Konsonant im 16. Jahrhundert durch, wenn auch nur verzögert mit der Doppelbenutzung beider Buchstaben. Im Wörterbuch der Brüder Grimm von 1851 steht: „Während das gothische alphabet für den halbvocal j an 15. stelle ein eigenes zeichen geschaffen hatte, drückten noch die viel späteren ober- und niederdeutschen sowie nordischen handschriften das j durch i mit aus, soweit sie nicht auch g dafür verwendeten.“
Ganz durchgesetzt hat sich das ‚Je’ immer noch nicht. Im Englischen haben beispielsweise die Wörter January und General unterschiedliche Anfangsbuchstaben mit ähnlicher Aussprache. Manchmal findet man auch noch die alte Verzierung des ‚I‘ mit einer Rundung, wie das Straßenschild für den Inselplatz in Jena, der als ‚Jnselplatz‘ geschrieben wird.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 22/2025 erschienen.